• 19.06.2008, 13:39:49
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Wie weiter mit Europa? Außenpolitischer Ausschuss befasst sich mit der Lage der EU

Wien (PK) - In seiner heutigen Sitzung beschäftigte sich der
Außenpolitische Ausschuss des Nationalrats im Rahmen einer aktuellen
Aussprache mit der Lage der EU nach dem negativen Ausgang der
irischen Volksabstimmung zum Vertrag von Lissabon.

Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) meinte eingangs, das Votum in
Irland stelle die EU vor eine völlig neue Situation. Nun gelte es,
die Gründe für dieses Ergebnis zu analysieren. Grossmann meinte, der
EU fehle es an sozialem Profil, und ebendieses müsse von ihr
verstärkt eingefordert werden. Die EU müsse ihre Politik
demokratischer und sozialer akzentuieren. Als "Elchtest" für die EU
würden sich dabei die Lebensmittel- und Treibstoffpreise erweisen,
auf welche adäquat reagiert werden müsse. Die Bundesregierung habe
mit dem konkreten Vorschlag einer Spekulationssteuer hier schon die
richtige Richtung angedeutet, nun müsse diese europaweit durchgesetzt
werden.

Abgeordneter Walter Murauer (V) forderte eine seriöse
Auseinandersetzung mit der europaweit grassierenden Unsicherheit. Die
eigene Information der Bürger müsse besser sein als jene der
Populisten. Auch Murauer trat für eine Spekulationssteuer ein, denn
es könne nicht sein, dass sich einzelne in den genannten Bereichen
auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger bereicherten.

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) vermisste konkrete Vorstellungen und
Strategien, wie die EU gemeinsam aus dem aktuellen Dilemma
herausfinden könne. Es stelle sich die Frage, wie groß die Chancen
seien, dass sich der Rat zu konkreten Schritten durchringen könne.
Lunacek regte an, den Bürgerrechtsteil des Vertrags im Rahmen der
nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament einer europaweiten
Volksabstimmung zu unterziehen, um den Bürgerinnen und Bürgern die
positiven Seiten des Vertrages nahezubringen und so einen Schritt aus
der Vertrauenskrise zu machen.

Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F) kam zu dem Befund, das "Nein"
der Iren habe nicht eine grundsätzliche Ablehnung der europäischen
Einigung bedeutet, sondern ein prinzipielles "Nein" zu der Art, wie
diese in den letzten Jahren vorangetrieben wurde. Bösch erinnerte
daran, dass bereits der Vertrag von Nizza zweimal abgelehnt worden
war, ehe man diesen in einen Vertrag von Lissabon umgewandelt habe.
Die Bürgerinnen und Bürger hätten dieses Spiel aber durchschaut und
sich nicht für dumm verkaufen lassen. Daher sollten nun auch Versuche
unterbleiben, diesen Vertrag zu retten, sondern man müsse zurück an
den Start und den gesamten Prozess bürgernah gestalten. Am Ende des
Prozesses müsse eine europaweite Volksabstimmung stehen, hielt Bösch
fest. Außerdem müsse sich die Politik der EU grundsätzlich wandeln
und sich an den Bedürfnissen der europäischen Bürger orientieren.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) konstatierte, die EU beschäftige
sich zu sehr mit sich selbst, die Debatten, die sie um Kommissionen,
Räte und Ausschüsse führe, gingen an den Interessen der Bürger
vorbei. Die Bürger erwarteten sich klare Antworten auf die
Auswirkungen der Globalisierung - die sich an den Preissteigerungen
im Lebensmittel- und Treibstoffbereich ablesen ließen - und hörten
gerade hier von der EU wenig. Da sei es dann nicht verwunderlich,
wenn derartige Abstimmungen negativ ausgingen. Es müsse daher ein
grundsätzlicher Politikwechsel erfolgen, mahnte Scheibner.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) trat für ein Nachdenken über Europa
ein. Man müsse sich ansehen, ob Europa nicht als zu
selbstverständlich genommen werde, ob man es entschlossen genug
vertrete. Gerade im Lichte zukünftiger Erweiterungen brauche es ein
gemeinsames europäisches Agieren. Abgeordnete Beatrix Karl (V)
thematisierte den aktuellen EU-Erweiterungsprozess im Lichte der
irischen Abstimmung, Abgeordnete Karin Hakl (V) beleuchtete die
Zukunft des Mittelmeerabkommens. Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S)
sprach die EU-Sanktionen gegen Kuba an, Abgeordnete Gisela Wurm (S)
die Raketenpläne der USA in Europa. Abgeordnete Christine Muttonen
(S) befasste sich mit der europäischen Strategie gegenüber dem Iran,
Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) ging auf den Gipfel zwischen der EU
und Lateinamerika ein und äußerte sich zu Fragen der Energiestrategie
und der Migration.

Abgeordneter Gerhard Kurzmann (F) hielt fest, dass alle Versuche,
eine Verfassung zu oktroyieren, scheiterten. Man müsse sich daher
fragen, ob es nur an der Kommunikation liege oder vielmehr daran,
dass die Inhalte nicht den Interessen der Bürger entsprechen. Der
Ratifizierungsprozess müsse daher gestoppt werden, um den Bürgern zu
zeigen, dass man ihre Bedenken ernst nehme. In diese Richtung
argumentierte auch Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F), der meinte,
es komme darauf an, ein akzeptables Vertragswerk zu erarbeiten, dass
sodann einer generellen Volksabstimmung zu unterziehen sei. Neben
diesem Europaschwerpunkt wurden noch einige weitere Themen in der
Debatte angesprochen, so die Lage im Tschad und jene im Nahen Osten,
jene auf dem Balkan sowie jene in Afghanistan und in Zimbabwe.

Staatssekretär Hans Winkler hielt eingangs seines Statements fest,
der Volkswille sei zu respektieren, wenngleich die Ergebnisse der
irischen Volksabstimmung einen schweren Rückschlag für die EU
bedeuteten. Dies sei umso bitterer, als vieles von jenem Unbehagen,
das im Vorfeld der Abstimmung artikuliert worden sei, durch eben
diesen Vertrag von Lissabon seine Grundlage verloren hätte. Der
Vertrag, würde die EU effizienter, demokratischer und bürgernäher
machen, zeigte sich Winkler überzeugt.

Es brauche jetzt einen Nachdenkprozess, um die Lage in Ruhe zu
analysieren. Schnellschüsse seien keineswegs dienlich, denn es gebe
keine Patentrezepte für die gegenwärtige Lage. Es gelte also,
gemeinsam mit Irland einen Ausweg zu finden, doch sei es nicht
möglich, den Vertrag kurzfristig zu ändern. Dieser sei immerhin das
Ergebnis eines langjährigen Diskussionsprozesses, der mit dem Konvent
begonnen habe und schließlich von allen 27 Regierungen unterschrieben
wurde. Der Staatssekretär plädierte für bessere
Kommunikationsstrategien, um den Dialog mit den Bürgern transparenter
führen zu können.

Schließlich ging Winkler noch auf die anderen aufgeworfenen Fragen
ein und berichtete dem Ausschuss über die Entwicklungen im Nahen
Osten und in den anderen Regionen, an denen sich die Mitglieder des
Ausschusses interessiert gezeigt hatten. Während er hinsichtlich der
Sanktionen gegen Kuba erklärte, diese Frage könne nur im
gesamteuropäischen Rahmen geklärt wären, meinte er bezüglich der
Raketenpläne der USA, dieses Thema müssten primär die betroffenen
NATO-Staaten behandeln.

(Schluss aktuelle Aussprache/Forts. Ausschuss)

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