Wien (OTS) -
Präsentation und Diskussion
Eine Veranstaltung im Rahmen des Europäischen Jahres des
Interkulturellen Dialogs
Zeit: Dienstag, 17. Juni 2008, 16:30 Uhr
Ort: Im ORF KulturCafe des RadioKulturhauses
Veranstalter:
Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der
Universität Wien
Schopenhauerstr. 32, A-1180 Wien
Im Rahmen einer Studie zum "Fall Arigona" wurde die
Berichterstattung über Integration in den österreichischen Medien
untersucht. Der Fall selbst ist im Untersuchungszeitraum zwar das
Hauptthema der Berichterstattung, aber die Betroffenen - die Familie
Zogaj und vor allem Arigona selbst - kommen in den Medien in
vergleichsweise geringem Ausmaß zu Wort. Bei der Themenhierarchie
zeigt sich, dass vom Fall ausgehend vor allem die Themen Bleiberecht
und Asylverfahren debattiert werden. Der öffentliche Diskurs ist
stark elitendominiert. Die Integrations- und Identitätsthematik wird
hauptsächlich auf strukturelle Bereiche der Integration bezogen.
Es wurden 1.900 Beiträge ausgewählter österreichischer Medien in
einer quantitativen Inhaltsanalyse im Untersuchungszeitraum von 26.
September 2007 - 20. Dezember 2007 analysiert. Ziel der Untersuchung
war, die Art und Weise der Thematisierung der Themenkomplexe
"Integration" und "Identität" zu erheben. Die Frage des Umgangs mit
Migrantinnen und Migranten ist ein Dauerthema, das Politik, Medien
und die Öffentlichkeit beschäftigt. Es gibt in Österreich so gut wie
keine quantitativen Untersuchungen, wie die Migrantinnen und
Migranten sowie Integration in den österreichischen Medien
dargestellt werden.
Es zeigt sich in der Analyse ein elitendominierter Diskurs, die
eindeutige Mehrheit am öffentlichen Diskurs nehmen Sprecher der
inländischen Politik (mit 35 %) ein. Den zweitgrößten Anteil der
Sprechergruppen am öffentlichen Diskurs haben die Leserbriefschreiber
(17 %), die vor allem in der Kronen Zeitung sehr intensiv das Wort
ergriffen haben. Die drittgrößte Gruppe repräsentieren die Experten
(12 %). Erst an vierter Stelle finden sich die Betroffenen (11 %),
die damit selbst nur in geringem Ausmaß am Diskurs partizipierten.
Die Dominanz von Politik und Experten sind ein starker Indikator für
einen elitendominierten Diskurs, an dem andere Sprecher aus der
gesellschaftlichen Peripherie der Zivilgesellschaft (NGOs, sowie
Kirchenvertreter) nur geringen Anteil haben.
Über die Medien werden Werthaltungen und Identifikationsangebote
für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen angeboten.
Integrationsdiskurse sind als Selbstverständlichkeitsdiskurse einer
Gesellschaft zu interpretieren, die hohe signifikante Aussagen
darüber zulassen, wie groß die Bereitschaft der Mehrheit ist, einen
Diskurs über den Zugang und über die Partizipation in der
Gesellschaft zuzulassen.
In den Diskursen werden - in einer Themenhierarchie, vor allem
ausgehend von Arigona - angrenzende Themen wie Bleiberecht und
Asylverfahren verhandelt. Die Themen Integration und Immigration
kommen in den Diskursen weniger oft vor, der gesellschaftliche
Verständigungsprozess über Integration ist daher gering ausgeprägt.
Identitätselemente und Wertedimensionen in den medialen Diskursen
Im Rahmen der Untersuchung wurde auch das Bild der österreichischen
Identität, die sich vor allem über die Kriterien Neutralität,
akzeptierte Kleinstaatlichkeit, Tradition, Sprache und
Sozialpartnerschaft definieren lässt, erhoben.
Die Konstruktion von Identitätsbildern in den Beiträgen erfolgt
vor allem über strukturelle Aspekte, wobei in diesem Kontext Bildung
und Ausbildung, Beruf und Finanzen ganz vorne rangieren. Dies lässt
sich auf den Anlassfall Arigona zurückführen. Denn auch die sozialen
Indikatoren Gesetzestreue, Beziehungsmuster und Familie legen den
Schluss nahe, dass diese eng mit dem konkreten Fall verbunden sind,
da die betroffenen Akteure keine Perspektiven für sich im Kosovo
sehen und daher auch die Folgerung, dass der Identitätsdiskurs in
diese Richtung gelenkt wurde. Bei den kulturellen Identitätsmerkmalen
werden vor allem Sprache, Religion und Nationalbewusstsein
thematisiert, auch diese Faktoren korrelieren mit dem Fall "Arigona",
da hier vor allem die Sprache und die Religionszugehörigkeit
angesprochen wurden.
Erhoben wurden weiters die Wertedimensionen ("Werte"), die in der
Berichterstattung vorkamen. Besonders wichtig im Diskurs waren die so
genannten "fundamentalen Werte" (in 29 % der Berichte), zu denen
Glück/Zufriedenheit, Familie, Leben und Gesundheit zählen. In 945
Sprecheraussagen werden fundamentale Werte in die Diskussion
eingebracht. Ebenso zentral für die medialen Debatten sind die Werte
des sozialen Miteinanders, und dabei sind die Werte
Fürsorglichkeit/Hilfsbereitschaft und Freundschaft wesentlich.
Interessant ist aber auch, dass die Werte Empathie oder Toleranz
vergleichsweise selten vorkommen. Dies wären an sich "klassische"
Werte, die in einem Diskurs über die Integration von Migranten zu
erwarten wären. Eine weitere wichtige Rolle spielen die Werte des
Gemeinwesens, dabei werden vor allem Anpassungsfähigkeit und
Verantwortung thematisiert. Beide Werte spielen in den
Integrationsdiskursen insofern eine wichtige Rolle, als dass sie als
ein Indikator dafür angenommen werden können, dass in den medialen
Diskursen die Vorstellung von Integration mit Assimilation mit der
Anpassung und der damit einhergehenden Verantwortung in der
Gesellschaft gleichgesetzt werden.
Die Akteure und ihre Aussagen
Bei den jeweiligen Sprecheraussagen sind die vorgenommenen
Bewertungen der zentralen Themen interessant. Dabei zeigt sich auch,
dass über den "Fall Arigona" zwar oft berichtet wird, jedoch der
Aufenthalt nur selten (in über 70% der Fälle nicht) thematisiert
wird. Bei jenen Aussagen, die den Aufenthalt thematisieren, überwiegt
der Aussagekern "Arigona soll ohne Bedingung bleiben" - im
Unterschied zu "mit Bedingung" bzw. "nicht bleiben". Bei den Aussagen
zum Bleiberecht gibt es eine überwiegende Tendenz, dass "das
gegenwärtige Bleiberecht erleichtert werden soll" (51%). Und auch bei
den Aussagen zum Asylverfahren besteht die Grundeinstellung, dass das
"Asylverfahren erleichtert werden soll" (59%) und bei Aussagen zur
Integration, dass diese "verbessert werden soll" (72%). Hier wird in
den medialen Repräsentationen der Akteure ein "positives
Meinungsklima" in der Einstellung zum Umgang mit Migranten im
Rechtsstaat deutlich.
Inszenierungscharakter der Berichterstattung
In der Untersuchung zeigte sich, dass die Ereignisse, die im
Zusammenhang mit der Berichterstattung über Arigona thematisiert
wurden, zum überwiegenden Teil genuin politische Ereignisse waren.
Der Inszenierungscharakter dieses kontroversiell diskutierten Themas
verblieb damit auf einem geringen Niveau. Über alle Medien hinweg
überwog eine eher sachliche Aufmachung der Beiträge (64%) im
Gegensatz zu einer emotionalen Gestaltung der Beiträge (36%). Als
Gesamtresultat betrachtet, halten sich die sachlichen und emotionalen
Artikel die Waage (d.h. "überwiegend sachlich" bzw. "überwiegend
emotional"). Dieses Bild ändert sich aber, wenn die Unterscheidung
zwischen Qualitäts- und Boulevardmedien betrachtet wird.
Unterschiede Qualitäts- und Boulevardmedien: in der Darstellung und
Emotionalisierung in der Berichterstattung
Die Beiträge, die als sachlich eingestuft werden können, finden
sich vor allem in der Qualitätspresse. Die Beiträge, die eine
Emotionalisierung aufweisen, sind eindeutig in den Boulevardmedien
vertreten.
In den Qualitätsmedien wird Arigona in 60 % der Artikel nicht
erwähnt, in den Boulevardmedien wird Arigona in 58 % der Fälle
thematisiert und in 42 % der Fälle nicht thematisiert. Der Diskurs in
den Qualitätsmedien bot mehr Anschlusskommunikation und in den
Boulevardmedien war der Diskurs mehr Ereignisbezogen. Gesamt gesehen
hat die quantitative Inhaltsanalyse ergeben, dass sowohl in den
Qualitäts- als auch in den Boulevardmedien der Inszenierungsgrad sehr
gering war und dass dieser vor allem von politischen Themensetzungen
bestimmt war. Inszenierungskriterien spielten in der
Berichterstattung eine geringe Rolle. Aber: Die Qualitätspresse war
offener für Diskurse, dies kann nicht zuletzt auch durch das
Auftreten einer Vielzahl von Akteuren untermauert werden, die an der
öffentlichen Debatte partizipieren konnten. In den Boulevardmedien
hingegen erfolgte eine Konzentration vor allem auf die Betroffenen
und auf die Medienvertreter.
Mit Unterstützung von:
Ö1 und der Stadt Wien, Referat Wissenschafts- und
Forschungsförderung (MA 7)
Rückfragehinweis:
Mag. Dr. Petra Herczeg, MMag. Dr. Cornelia Wallner Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien A-1180 Wien, Schopenhauerstr. 32 Tel.: + 43 - 1 - 4277 DW 49321 oder DW 49348 mailto:petra.herczeg@univie.ac.at mailto:cornelia.wallner@univie.ac.at
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