• 27.05.2008, 17:43:35
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Arbeitslosenversicherung: Bezieher kleiner Einkommen werden entlastet Hitzige Diskussion im Sozialausschuss über gesetzlichen Mindestlohn

Wien (PK) - Die Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Bezieherinnen
und Bezieher niedriger Einkommen werden mit 1. Juli 2008 gesenkt. Ein
entsprechender Gesetzentwurf der Regierung wurde heute vom
Sozialausschuss des Nationalrats einstimmig gebilligt. Durch die
Senkung der Beiträge sollen Niedriglohnbezieher einen gewissen
Inflationsausgleich erhalten, zudem will man damit die
Konsumnachfrage absichern und so die Konjunktur stabilisieren. Das
berechnete Entlastungsvolumen von 300 Mill. € wird, wie es in den
Erläuterungen zum Gesetzentwurf heißt, auf die Steuerreform
angerechnet.

Konkret sieht die Gesetzesvorlage vor, den Beitrag zur
Arbeitslosenversicherung für BezieherInnen von Einkommen zwischen
1.100 € und 1.200 € von 3 % auf 1 % und für BezieherInnen von
Einkommen über 1.200 € bis 1.350 € auf 2 % zu senken. Wer weniger als
1.100 € verdient, soll künftig überhaupt keine
Arbeitslosenversicherung mehr zahlen. Der Dienstgeberbeitrag von 3 %
bleibt bestehen.

In der Diskussion wurde die Senkung der
Arbeitslosenversicherungsbeiträge von allen Fraktionen ausdrücklich
begrüßt. FPÖ-Abgeordneter Norbert Hofer sprach sich jedoch dafür aus,
genau zu beobachten, ob es durch die neuen Bestimmungen in
Einzelfällen nicht zu niedrigeren Nettolöhnen komme, weil durch die
Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge die
Lohnsteuerbemessungsgrundlage steige. Ähnliche Befürchtungen äußerte
auch Abgeordneter Karl Öllinger (G), der sich, wie er ausführte,
bessere Einschleifregelungen gewünscht hätte.

Ausführlich diskutiert wurde im Sozialausschuss über Initiativen der
Grünen zur Erhöhung und Valorisierung des Arbeitslosengeldes sowie
zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Die Grünen erhielten
für ihren Antrag auf Beschlussfassung eines Mindestlohngesetzes
jedoch nur die Unterstützung der beiden anderen Oppositionsparteien.
SPÖ und ÖVP lehnten den Vorstoß dezidiert ab und sprachen sich dafür
aus, Lohn- und Gehaltsverhandlungen weiter in der Kompetenz der
Kollektivvertragspartner zu belassen.

Im Detail fordern die Grünen, dass Einkommen aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit 7 € brutto pro Arbeitsstunde nicht unterschreiten
dürfen. Das ergibt, wie Abgeordnete Birgit Schatz vorrechnete, bei
einer Vollzeitbeschäftigung von 40 Wochenstunden einen Monatslohn von
ca. 1.232 € brutto bzw. rund 1.000 € netto.

Gegen diesen Vorschlag wandten sich sowohl Abgeordneter Werner Amon
(V) als auch Abgeordneter Franz Riepl (S). Lohn- und Gehaltsfragen
würden in Österreich traditionell kollektivvertraglich geregelt,
sagte etwa Amon, dabei solle man es auch belassen. Zudem verwies er
darauf, dass sich die Sozialpartner bereits in weiten Bereichen auf
einen Mindestlohn von 1.000 € geeinigt hätten. Er sei zuversichtlich,
dass auch die restlichen Berufsgruppen nachziehen werden, bekräftigte
Amon. Abgeordneter Franz Riepl wies auf unterschiedliche
Marktsituationen in einzelnen Branchen hin und äußerte die
Befürchtung, dass die Arbeitgeberseite bei einem gesetzlichen
Mindestlohn der Verlockung erliegen könnte, nur noch den Mindesttarif
zu zahlen.

Die Argumentation der Koalitionsparteien wurde von der Opposition
zurückgewiesen. So machte Abgeordneter Karl Öllinger (G) geltend,
dass Erfahrungen in Großbritannien die Befürchtungen Riepls eindeutig
widerlegten. 20 Jahre sei die Gewerkschaft in Österreich mit ihrem
Kampf um einen Mindestlohn gescheitert, sagte Öllinger, die nunmehr
vereinbarten 1.000 € seien viel zu wenig.

Abgeordneter Norbert Hofer (F) und Abgeordneter Sigisbert Dolinschek
(B) begründeten ihre Unterstützung des Antrags der Grünen damit, dass
eine ausreichende Differenz zwischen der geplanten Mindestsicherung
und einem Mindestlohn notwendig sei. Es müsse einen Unterschied
machen, ob jemand arbeite oder nicht, betonte Hofer. Zu den
Ausführungen Riepls merkte er an, die Gewerkschaft werde "wohl noch
stark genug sein", um verhindern zu können, dass Arbeitgeber nur noch
Mindestlöhne zahlten.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und ÖVP-Abgeordneter Reinhold
Mitterlehner stimmten zwar mit der Opposition überein, dass es
zwischen Mindestsicherung und Mindestlohn eine ausreichende Differenz
geben müsse. Den Ausführungen von Abgeordneter Birgit Schatz (G),
wonach Mindestlöhne ein wichtiges Instrument zur Armutsbekämpfung
seien, wollten sie sich aber nicht anschließen. Sowohl Mitterlehner
als auch Bartenstein wiesen darauf hin, dass Löhne in erster Linie
ein Entgelt für erbrachte Leistungen seien und von der
Wirtschaftskraft der Unternehmen abhingen. Sollte das
Erwerbseinkommen für eine Existenzsicherung nicht ausreichend sein,
sei die Politik gefordert, die Betroffenen zu unterstützen, erklärte
der Minister.

Bartenstein sprach sich darüber hinaus dagegen aus, Österreich mit
Großbritannien zu vergleichen. Großbritannien habe keine
Kollektivvertragstradition, unterstrich er. Der gesetzliche
Mindestlohn sei, so Bartensein, "nur die zweitbeste Alternative",
eine Einigung der Sozialpartner sei die bessere Lösung.

Anträge auf Erhöhung und Valorisierung des Arbeitslosengeldes vertagt

Ebenfalls nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit zwei Anträgen
(4/A und 6/A), die auf eine Erhöhung und eine laufende Valorisierung
des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe abzielen. Beide Anträge
wurden von den Koalitionsparteien mit Hinweis auf die geplante
Mindestsicherung bzw. die kommenden Budgetverhandlungen vertagt.

Zum Antrag 4/A brachte Abgeordneter Karl Öllinger (G) im Rahmen der
Beratungen einen gesamtändernden Abänderungsantrag ein, um, wie er
erklärte, legistische Defizite des ursprünglichen Antrags
auszumerzen. Das Ziel des Antrags blieb das gleiche: Arbeitslosengeld
und Notstandshilfe laufend zu valorisieren, um die Armutsgefahr
arbeitsloser Menschen zu verringern. Gleichzeitig fordern die Grünen
eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und begründen dies damit, dass
Österreich im internationalen Vergleich eine der niedrigsten
Nettoersatzraten habe.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) hielt dazu fest, auch die
SPÖ sei für eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes. Es sei
geplant, dieses Anliegen bei den Budgetverhandlungen einzubringen.

Wirtschaftsminister Martin Bartenstein gab zu bedenken, dass die
Arbeitslosenversicherung schon seit geraumer Zeit negativ bilanziere.
Man könne Geld nicht doppelt ausgeben, meinte er: für mehr aktive
Arbeitsmarktpolitik und für höhere Arbeitslosengelder.

Vom Sozialausschuss mit S-V-G-Mehrheit abgelehnt wurde ein Antrag der
FPÖ, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag für alle Arbeitnehmer ab 55
aus Mitteln der Arbeitsmarktpolitik zu bezahlen. Abgeordnete
Königsberger-Ludwig wies auf die Kosten des Antrags hin.

Zum Schluss der Sitzung wurde Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig
(S) zu einer der SchriftführerInnen des Sozialausschusses gewählt.
(Schluss)

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