- 25.05.2008, 19:30:36
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Gesetzesentwurf zur Gesundheitsreform dient zur Knebelung der Ärzte und zur Einflussnahme auf Diagnose und Therapie kranker Menschen
Wien (OTS) - In Zukunft werden die Chefs und die Manager
Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, die Beamten des
Gesundheitsministeriums und Angestellte der Krankenkassen in
vermehrtem Maß auf die Diagnose und Therapie kranker Menschen
Einfluss nehmen. Die Kassenvertragsärzte werden sich in Zukunft, wenn
sie ihren Kassenvertrag nicht verlieren wollen, diesen Vorgaben fügen
müssen, steht doch für diejenigen Kassenärzte, die nach Meinung
obiger Personen ihre Patientinnen und Patienten zu teuer
diagnostizieren und therapieren, die Vertragskündigung oder die
ausbleibende Vertragsverlängerung nach fünf Jahren für als Rute im
Fenster.
Um diesen Plan umsetzen zu können, der eindeutig auf Kosten der
österreichischen Kassenpatientinnen und -patienten ausgeht, musste
das Mitspracherecht der die Kassenärzte vertretenden Ärztekammer
ausgeschaltet werden. Das Veränderungen gegenüber bisher hat man
unter dem Deckmantel einer Qualitätssteigerung, Effizienzsteigerung
und Kostendämpfung im Gesundheitssystem im
Gesundheitsreformgesetzentwurf zur Begutachtung ausgesandt.
Es bedarf keiner besonderen Klugheit, um festzustellen, dass dieses
System zu keiner nachhaltigen Qualitätssteigerung und
Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem führen wird, sondern im
Gegenteil zu einer Verschlechterung der Qualität der medizinischen
Versorgung für Österreichs Kassenpatienten führen kann. Dass es in
Zukunft zu einer solchen Entwicklung kommen kann, ist am Beispiel von
Deutschland zu sehen, wo derzeit bereits 5000 Ärzte zur Versorgung
kranker Menschen fehlen, und die in den Spitälern tätigen Ärzte mit
an die 100 Wochenstunden Arbeitszeit immer öfter an der Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit arbeiten.
Qualität kostet Geld und Effizienzsteigerung ist nur dort möglich, wo
man noch Reserven im Talon hat. Frau Bundesministerin Dr. Kodlsky und
der Herr Bundesminister Erwin Buchinger, die den Gesetzentwurf zur
Gesundheitsreform ausgeschickt haben, haben sich offenbar nie der
Mühe unterzogen, die wahren Einkommensverhältnisse niedergelassener
Kassenärzte genau zu analysieren.
Bei dieser Analyse sollte nicht der Fehler gemacht werden, Umsatz
einer Kassenordination mit Gewinn eines Kassenarztes zu verwechseln.
Einerseits sind Kassenärzte Mitglieder eines freien Berufstandes der
seriös Praxen als Unternehmen nach dem Prinzip eines guten
Kaufmannes zu führen hanben, andererseits unterliegen Kassenärzte
Regelungen wie angestellte Ärzte, haben aber nicht die Vorteile
angestellter Ärzte.
Sollten in die ökonomische Situation von Kassenärzten unter dem
Einfluss des Gesundheitsreformgesetzes erneut eingeschränkt werden,
und KassenvertragsärztInnen zwingen, in Zukunft unter Druck der
Krankenkassen zu Dumpinghonorare zu arbeiten, dann werden Österreichs
niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht im Stande sein, langfristig
eine bessere Qualität in ihren Praxen anzubieten. Zur besseren
Qualität gehört unter anderem eine therapieförderliches Ambiente, ein
geschultes Personal, eine ständige Fortbildung des Arztes und die
regelmäßige Erneuerung der medizinischen Geräte in der Praxis.
Um die bereits derzeit bestehende Honorarsituation für
KassenvertragsärztInnen auszuleuchten seien einige Beispiele genannt:
niedergelassene AllgemeinmedizinerInnen führen Hausbesuche bei
kranken Menschen mit dem eigene PKW durch, dafür zahlt die Wiener
Gebietskrankenkasse in Wien einen Betrag von Euro 29.- brutto. Um
diesen Betrag kann man die meisten Hausvisiten nicht mit einem Taxi
machen. Für die vierteljährliche Betreuung eines versicherten
Patienten zahlt die WGKK einen Betrag von 39.-Euro brutto. Soviel zu
den Schandlöhnen von denen von den Kassenvertragsärzten noch Gewinne
erwirtschaftet werden sollen. Vergleicht man die Weggebühren anderer
Berufe mit dem Gesamthonorar für einen ärztlichen Hausbesuch wie er
von der WGKK bezahlt wird, wirkt dieser Betrag lächerlich.
Das neue Gesundheitsreformgesetz zielt eindeutig auf die Reduktion
von Kassenarztstellen als ein mögliches Szenario ab. Das würde real
eine Verschlechterung der Versorgung der kranken Menschen Österreichs
in ihrem unmittelbaren Bereich bedeuten, sicher aber keine von der
derzeitigen Regierung angestrebte Qualitätsverbesserung gewünschte
Effizienzsteigerung mit Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen
Einige Zahlen sollen hier angeführt werden, um die möglichen
Auswirkungen des Gesundheitsreformgesetzes zu beschreiben: wenn in
Zukunft in Wien 100 Kassenordinationen geschlossen werden, dann
bedeutet das 800.000 Patienten mehr in Spitalsambulanzen Wiens. Den
Spitäler wird aber deswegen in absehbarer Zeit nicht mehr Geld zur
Verfügung gestellt werden.
Der erste Schritt der sogenannten Reform des Gesundheitswesens in
Österreich, die mit den in Deutschland bereits durchgeführten
Reformen vergleichbar sind, könnten über kurz oder lang in Österreich
zu einem ähnlichen Ärztemangel wie in Deutschland, weil in der
Bundesrepublik immer weniger junge Leute diesen Beruf ergreifen
wollen: 40% der Absolventen medizinischer Hochschulen in Deutschland
üben nach Abschluss ihres Medizinstudiums den Arztberuf nicht mehr
aus, weil die politischen Randbedingungen derartig schlecht geworden
sind, dass man in anderen Berufen besser einfach besser dran ist.
Dieses Szenario könnte bei ähnlichen gesetzlichen Vorraussetzungen,
wie sie durch das Gesundheitsreformgesetz geschaffen werden sollen,
in den nächsten Jahren auch in Österreich drohen und das bei einer
demographischen Entwicklung, die zu immer mehr älteren Mitbürgern mit
ihren altersbedingten Erkrankungen führt.
Ärzte haben mit beruflicher Fortbildung kein Problem, kaum eine
Berufsgruppe kann soviel Ausbildung und Weiterbildung aufweisen wie
die ÄrztInnen und Ärzte Österreichs schon bisher immer nachgewiesen
haben, außerdem waren diese Punkte bereits auch bisher im
Gesamtvertrag mit den Krankenversicherungen festgeschrieben.
Österreichs Medizinerinnen und Mediziner haben auch kein Problem mit
der Qualitätssicherung ihre Arbeit, die von Seiten der Ärztekammer
zur Sicherheit der Patientinnen und Patienten Österreichs, auch
bisher gesetzlich vorgeschrieben war.
Wäre es sonst ohne die schon bisher immer erbrachte Qualität möglich
gewesen, zum besten Gesundheitssystem der Welt gekürt zu werden? Man
kann auch eine Suppe nicht zweimal salzen ohne zu riskieren, dass die
Suppe dann ungenießbar wird.
Auch bisher wussten Österreichs Medizinerinnen und Mediziner, die
viele Jahre Medizin studiert und jahrelange Ausbildungen in Kliniken
und Spitälern absolvieren mussten bevor sie sich in der freien Praxis
niederlassen konnten, wie sie ihre Patienten optimal behandeln, sie
brauchen dazu keine Therapierichtlinien im Sinne von Therapiepfaden,
die in Zukunft von der Gesundheitsministerin vorgegeben werden
sollen, und die dann von den KassenvertragsärztInnen und -ärzten
strikt zu befolgen sind, wenn sie nicht riskieren wollen, ihren
Kassenvertrag zu verlieren.
Die möglichen Konsequenzen aus dem zur Begutachtung ausgesandten
Gesundheitsreformgesetz stehen im klaren Widerspruch zum
Regierungsprogramm derselben Regierung, wo der Plan zur Stärkung des
niedergelassenen Bereichs zur medizinischen Versorgung der
Österreicher und Österreicherinnen, nicht zuletzt auch zur
Kostenreduktion im Gesundheitswesen festgeschrieben wurde und
zwischen den Koalitionsparteien vereinbart wurde.
Man hat bei den politischen Parteien immer schon verstanden, dass die
niedergelassenen Kassenärztinnen und -ärzte Österreichs die
kostengünstigsten Leistungserbringer im Gesundheitswesen waren und
bis heute sind.
Gilt das Regierungsprogramm dieser Regierung jetzt nicht mehr?
Rückfragehinweis:
Dr. med. univ. Wolfgang Köstler
Präsidialreferent der Wiener Ärztekammer für Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und Medien,
niedergelassener Arzt in Wien
Tel.:+43 664 153 63 74
e-mail.w.koestler@nextra.at
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