- 22.05.2008, 16:27:29
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"Mensch-Tier-Hybride sind menschliche Embryonen"
Wiener Naturwissenschaftler, Mediziner und Moraltheologe Beck weist auf moralphilosophische Schwierigkeiten bei Frage der Menschenwürde hin
Wien, 22.5.08 (KAP) Die Aussage des Wiener Mediziners und
IVF-Experten Prof. Wilfried Feichtinger, wonach es sich bei den
Tier-Mensch-Chimären nicht um menschliche Embryonen handelt, hat der
Naturwissenschaftler, Mediziner und Moraltheologe an der
Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Prof.
Matthias Beck, zurückgewiesen. Da das aus dem Klonierungsprozess
hervorgehende Wesen zu 99,9 Prozent ein menschliches Genom in sich
trage und der Anteil des tierischen Genoms nur 0,1 Prozent ausmache,
müsse man wohl von einem "mit tierischen Genen verunreinigten
menschlichen Embryo" sprechen, der nur eine begrenzte Lebensspanne
habe, so Beck im Gespräch mit "Kathpress". Beck ist einer der
führenden Experten auf dem Gebiet der ethischen Bewertung der
Stammzellenforschung.
Hinter der Frage nach der Bezeichnung des neu geschaffenen
Mischwesens verbirgt sich laut Beck keineswegs eine reine
Begriffsklauberei, sondern es breche darin letztlich die Frage nach
der ethischen Beurteilung der Hybridenproduktion und -forschung an
sich auf. So verweist Beck darauf, dass mit der Bezeichnung "Embryo"
zugleich auch die Schutzwürdigkeit dieser Wesen verbunden ist. Auch
wenn ein Mensch-Tier-Embryo nach derzeitigem Wissensstand keine
Überlebenschance besitze und nach etwa 14 Tagen absterbe, so sei er
dennoch zu schützen. Die Forschung mit derartigen Hybrid-Embryonen
sei abzulehnen, da die Embryonen "verzweckt" und allein aus
Forschungsgründen produziert würden. Auch sei die Rede von einem
"Zellhaufen" abzulehnen, da diese Wesen eine aktive Zellteilung und
Zelldifferenzierung betreiben, "also lebendig sind", so Beck.
Weiters wies Beck darauf hin, dass eine ethische Beurteilung sich im
Fall der Hybrid-Embryonen schwieriger gestalte als bei der
Beforschung von so genannten "überzähligen Embryonen" aus der
In-vitro-Fertilisation oder beim Forschungsklonen (auch
"therapeutisches Klonens" genannt). Ein IVF-Embryo kann sich
grundsätzlich zu einem geborenen Kind entwickeln, ein geklonter
Embryo womöglich auch, ein mit einer tierischen Eizelle geklonter
jedoch voraussichtlich nicht.
Die bislang von den Gegnern der embryonalen Stammzellenforschung
vorgebrachten sogenannten "Skip-Argumente" (Spezieszugehörigkeit,
Kontinuität, Identität, Potenzialität), die von der Würde des
erwachsenen Menschen zurück auf den Embryo schließen, seien im Fall
eines Mensch-Tier-Hybriden nur noch begrenzt anwendbar, so Beck. Dies
bedeute eine enorme moralphilosophische Herausforderung, da es sich
bei den Hybriden wohl nicht um Embryonen handle, die eine potenzielle
Entwicklungsfähigkeit zum erwachsenen Menschen besitzen; auch die
genetische Identität mit rein-menschlichen Embryonen sei nicht
gegeben.
Es bedürfe daher neuer Argumentationsformen, so Beck, die stärker als
bisher die Frage der Intention der Handlungen der Forscher an
Hybriden und damit die "Frage der Verzweckung dieser Embryonen mit
Ablaufdatum" in den Blick nehmen. Darf man, so lautet nach Beck die
entscheidende moralphilosophische Frage, menschliche Wesen mit
tierischen Anteilen und "eingebautem Ablaufdatum" herstellen oder
verletzt man hier womöglich die "Würde des ganzen
Menschengeschlechtes"? Diese Frage dränge um so mehr, wenn auch offen
über eine Verschmelzung von menschlichem Samen und tierischer Eizelle
nachgedacht werde, was die Schaffung einer tatsächlich neuen Spezies
mit 50 Prozent menschlichem und 50 Prozent tierischem Erbgut bedeuten
würde.
Die Rede von einer dem Embyo innewohnenden Menschenwürde wurde bisher
durch die dem Embryo eigene Potenzialität der Entwicklung zu einem
erwachsenen Menschen begründet, betonte der Naturwissenschaftler und
Theologe. Wenn diese Potenzialität jedoch bei Hybrid-Embryonen nicht
mehr gegeben sei, müsse man auch bei der Frage der Menschenwürde nach
neuen Begründungsmustern suchen, so Beck.
Weiters wies Beck auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse hin, die
die bisherige Redeweise von einer "Verschmelzung" der beiden
Zellkerne im Rahmen der Befruchtung einer Ei- durch eine Samenzelle
als obsolet erweisen. Bislang ging man davon aus, dass die jeweils
mit 23 Chromosomen ausgestatteten Ei- und Samenzellen zu einer neuen
Zelle mit einem 46-Chromosomen-Satz verschmelzen. Tatsächlich komme
es jedoch bei der Annäherung der beiden Zellkerne in jedem einzelnen
Zellkern zunächst zu einer Verdoppelung der eigenen Chromosome und
somit zu einer Addition zu 92 Chromosomen. Diese leiten dann sogleich
eine erste Zellteilung ein.
Keine juristische Neuregelung
Zuletzt wies Beck auf eine Lücke in der österreichischen
Rechtsprechung hin. So sei es zwar in Österreich verboten, Embryonen
zu klonen um aus diesen embryonale Stammzellen zu gewinnen, nicht
verboten sei jedoch der Import bestehender embryonaler
Stammzell-Linien aus dem Ausland. Obgleich es in dieser Frage einen
juristischen Graubereich gebe, spricht sich Beck nicht für eine
gesetzliche Neuregelung aus. Bei einer solchen Neuregelung sei
nämlich zu erwarten, dass sie sich an den mittlerweile erreichten
rechtlichen Standards in europäischen Nachbarländern, etwa in
Deutschland, ausrichten würde, was eine deutliche Aufweichung des
derzeit noch vorhandenen Schutzstatus für den in der österreichischen
Gesetzgebung als "entwicklungsfähige Zelle" definierten Embryo
bedeuten würde. Anstelle einer juristischen Diskussion wünsche er
sich eine "wissenschaftliche Diskussion mit einem Höchstmaß an
Seriosität und Präzision", so Beck, "auch in der Frage der ethischen
Beurteilung".
Darüber hinaus betonte Beck, dass er die Zukunft der
Stammzellenforschung nicht notwendigerweise bei den umstrittenen
embryonalen Stammzellen sehe. Mittlerweile sei man von der
Formulierung konkreter Forschungsziele abgerückt und beschränke sich
auf Grundlagenforschung. Angesichts der ethisch unbedenklichen
Forschung an "induzierten pluripotenten Stammzellen" (iPS) sowie der
Forschung an adulten Stammzellen sei die Beforschung von embryonalen
Stammzellen nicht mehr zu rechtfertigen. (ende)
K200804705
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