• 28.03.2008, 12:00:00
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Prognose für 2008 und 2009: Internationale Finanzkrise bremst Wirtschaftswachstum

Wien (WIFO) - Das Wachstum der österreichischen Wirtschaft
schwächt sich heuer auf real 2,1% ab. Dies ist primär die Folge der
Krise des internationalen Finanzsystems, die von den
Immobilienmärkten der USA ausgegangen ist. Dauer und Ausmaß der Krise
können derzeit noch nicht vollständig abgeschätzt werden. Deshalb ist
auch die Prognose für den Anstieg des BIP im Jahr 2009 (+1,7%) mit
sehr hohen Risken verbunden. Das Wachstum von Export,
Industrieproduktion und Investitionen schwächt sich erheblich ab. Die
Zunahme der Konsumnachfrage beschleunigt sich nicht, auch wegen des
starken Preisauftriebs (+2,9%). Heuer nimmt die Beschäftigung noch
deutlicher zu als erwartet, für 2009 muss bereits wieder mit einem
Anstieg der Arbeitslosigkeit gerechnet werden.

Die österreichische Wirtschaft wuchs 2006 und 2007 real um fast 3
1/2% pro Jahr. Auch Anfang 2008 entwickelte sie sich günstig, die
Unternehmen wiesen eine hohe Auslastung auf, und die
Beschäftigungszuwächse waren außerordentlich groß. Für das 1.
Halbjahr kann deshalb noch ein Anstieg des BIP um real etwa 2 1/2%
gegenüber dem Vorjahr erwartet werden. Doch die Rahmenbedingungen der
Weltwirtschaft haben sich nachhaltig verschlechtert:

- Ausgehend vom Einbruch der Immobilienmärkte entstand in den USA
eine schwere Bankenkrise, für die derzeit trotz massiver Bemühungen
der Wirtschaftspolitik keine Entspannung absehbar ist. Das
Wirtschaftswachstum kam beinahe zum Erliegen, es dürfte im
Jahresdurchschnitt 2008 real nur 1% betragen. Damit fehlt der
Weltwirtschaft ein wichtiger Nachfragemotor.

- Dies kann durch die lebhafte Expansion in den Schwellenländern
nicht ausgeglichen werden, deren Inlandsnachfrage sich zwar merklich
erhöht hat, die aber ebenso unter der internationalen
Nachfrageabschwächung leiden. Das Wachstum der chinesischen
Wirtschaft dürfte sich von real 11 1/2% (2007) auf 8 1/2% (2009)
verlangsamen.

- Die Liquiditäts- und Solvenzkrise hat auch das europäische und das
asiatische Finanzsystem erfasst. Die Kreditkonditionen wurden
ungünstiger, und im Unternehmenssektor erhöhte sich die Unsicherheit.
Im Euro-Raum wirkt die markante Aufwertung, für die sich noch kein
Ende abzeichnet, besonders dämpfend. Das Wirtschaftswachstum wird im
Prognosezeitraum zwar höher sein als jenes der USA, allerdings real
nur 1,6% (2008) bzw. 1,3% (2009) betragen.

Aufgrund der deutlichen Verschlechterung der internationalen
Rahmenbedingungen erwartet das WIFO, dass sich das Wachstum nach
günstigem Jahresbeginn auch in Österreich verlangsamt. Der Anstieg
des Exports von Gütern und Dienstleistungen dürfte sich auf real 5%
abschwächen. Damit wird auch der mehr als zwei Jahre dauernde Boom in
der heimischen Industrie abflauen. Die Ausrüstungsinvestitionen
entwickelten sich schon im Konjunkturaufschwung der letzten Jahre
viel weniger dynamisch als erwartet, nun wachsen sie kaum noch. Etwas
stärker steigen die Bauinvestitionen; sie profitieren in den
Bereichen Infrastruktur und Wohnbau von der Nachfrage der
öffentlichen Hand. An die zur Überhitzung neigende Expansion der
letzten zwei Jahre schließt allerdings auch dieser Sektor nicht an.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose - auf der WIFO-Website
(http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?&fid=12)

Die Konsumnachfrage der privaten Haushalte kann die Konjunktur
nicht stabilisieren. Sie wächst seit sieben Jahren schwächer als
gewohnt, doch trotz höherer Lohnrunden kann neuerlich keine
Beschleunigung erwartet werden. Die Einkommenszuwächse werden durch
den Preisauftrieb kompensiert. Die Inflationsrate erreicht heuer
+2,9%, getragen von der kräftigen Verteuerung von Energie und
Nahrungsmitteln (sie sind jeweils für etwa ein Drittel des
Preisauftriebs verantwortlich). Die Nettorealeinkommen je
Beschäftigten sinken deshalb leicht (-0,1%). Für die unteren
Einkommensgruppen ergeben sich wegen des hohen Anteils von
Nahrungsmitteln, Wohnen und Energie an ihrem Warenkorb und der
schwächeren Nominallohnzuwächse deutliche Realeinkommensverluste.
Zusammen mit der hohen "gefühlten Inflation" - die Preise der Güter
des täglichen Bedarfs steigen rascher als jene dauerhafter Güter -
bewirkt dies eine merkliche Dämpfung der Konsumausgaben. Diese
steigen real um 1,6%, und zwar nur unter der optimistischen Annahme
eines leichten Rückgangs des Sparanteils am verfügbaren Einkommen.

Zu Jahresbeginn wurde die Zahl der Beschäftigten ungewöhnlich
kräftig ausgeweitet (+90.000 gegenüber dem Vorjahr). Darin spiegeln
sich verzögerte Auswirkungen der guten Konjunkturlage von Mitte 2007
und die günstigen Wetterverhältnisse, die eine rege Bautätigkeit und
eine gute Wintersaison im Tourismus ermöglichten, allerdings auch
administrative Veränderungen: Seit 1. Jänner müssen Beschäftigte
bereits vor Arbeitsbeginn bei der Sozialversicherung gemeldet werden.
Aus diesem Grund könnte in manchen Branchen die Zahl der offiziell
Beschäftigten sprunghaft gestiegen sein; eine Quantifizierung dieses
Effekts ist aber nicht möglich. Mit dem starken Anstieg der
Beschäftigung ging ein weiterer Rückgang der Arbeitslosigkeit einher.
Im Jahresverlauf wird sich die Abschwächung der Konjunktur auch auf
dem Arbeitsmarkt niederschlagen. Für den Winter 2008/09 muss bereits
wieder mit einer Zunahme der saisonbereinigten Arbeitslosenzahl
gerechnet werden. Im Jahr 2009 dürfte die Zahl der registrierten
Arbeitsuchenden durchschnittlich 224.000 erreichen, um 12.000 mehr
als heuer. Die Arbeitslosenquote wird laut Eurostat 4,3% der
Erwerbspersonen bzw. 6,2% der unselbständigen Erwerbspersonen laut
traditioneller österreichischer Berechnungsmethode betragen.

Das kräftige Wirtschaftswachstum der letzten zwei Jahre hatte eine
Halbierung des Budgetdefizits zur Folge: Der Maastricht-Saldo lag im
Jahr 2007 allerdings noch bei -0,7% des BIP. Die bevorstehende
Konjunkturabschwächung wird das Wachstum der Abgabeneinnahmen mit
Verzögerung dämpfen und damit keine weitere Verringerung des
Budgetabgangs erlauben. Reaktionen der öffentlichen Haushalte auf
Konjunkturschwankungen in Form einer Verbesserung des Budgetsaldos
bei guter Konjunktur und einer Ausweitung des Budgetdefizits in
Phasen schwacher Wirtschaftsentwicklung bilden ein unverzichtbares
Element einer stabilisierungsorientierten Budgetpolitik.

Derzeit können Ausmaß und Dauer der Krise des internationalen
Finanzsystems nicht abgeschätzt werden, die vorliegende Prognose ist
deshalb mit besonders hoher Unsicherheit behaftet. Sie unterstellt
eine Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung zu Jahresende und eine
vorsichtige Erholung im Jahr 2009. Das Wachstum des BIP wird 2009
schwächer als real 1,7% ausfallen, falls die Liquiditäts- und
Solvenzkrise im internationalen Finanzsystem länger anhält und die
Realwirtschaft sich erst mit Verzögerung belebt. Von der starken
Wirtschaftsdynamik in den asiatischen Schwellenländern, die auch eine
hohe Sparquote aufweisen, könnte hingegen ein stabilisierender Effekt
auf die Weltwirtschaft ausgehen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht
4/2008!

Rückfragehinweis:
Dr. Markus Marterbauer
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung - WIFO
Tel. +43 1 798 26 01-303 * Fax. +43 1 798 93 86
mailto:Markus.Marterbauer@wifo.ac.at

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