• 20.02.2008, 11:13:15
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Frühe Diagnose wichtig!

Wien (OTS) - "Etwa 80.000 Menschen in Österreich - davon rund
20.000 im Raum Wien - leiden nach Berechnungen von ÄrztInnen an den
Chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) Morbus Crohn und
Colitis ulcerosa", erklärte Wiens Gesundheitsstadträtin Mag.a Sonja
Wehsely in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ExpertInnen vom
Wiener AKH. "Das entspricht etwa einem Prozent der Bevölkerung - es
ist also keineswegs von einer seltenen Krankheit die Rede."****

CED können im Kindesalter beginnen, meistens aber im Alter
zwischen 20 und 40 Jahren. CED sind nicht mit Gastritis oder dem
Reizdarm-Syndrom zu verwechseln, sie sind lebenslange, unheilbare
Erkrankungen mit progressivem Verlauf, die die Lebensqualität schwer
beeinträchtigen und zu wiederholten Operationen führen können.

Plus 270 Prozent seit 1992

Eine Auswertung des ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für
Gesundheit) für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zeigt den innerhalb
der vergangenen 15 Jahre starken Anstieg der Diagnosefälle. In beiden
Fällen betrug der Anstieg zwischen 1992 und 2006 in Österreich mehr
als das Zweieinhalbfache (rund + 270 Prozent). In Wien stiegen die
stationären Aufnahmen aufgrund von Morbus Crohn um das 2,5fache, bei
Colitis ulcerosa um mehr als das 3,5fache. Sonja Wehsely: "Diese
Zahlen zeigen, dass chronisch entzündliche Darmerkrankungen eine
ernst zu nehmende Herausforderung sind, vor der die
Gesundheitspolitik nicht die Augen verschließen darf."

Die Spezialambulanz für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa im AKH
Wien ist die größte derartige Einrichtung in Österreich. Dort werden
3.500 bis 4.000 PatientInnen pro Jahr behandelt. "Die Versorgung von
CED-PatientInnen muss auch in Zukunft sichergestellt sein, zumal ein
weiteres Ansteigen der CED prognostiziert wird", so die Wiener
Gesundheitsstadträtin.

Späte Diagnosen verschlechtern die Prognose

Etwa 90 Prozent der CED-PatientInnen leiden phasenweise bis
lebenslang an Durchfall bis hin zur Inkontinenz, 85 Prozent an
Bauchschmerzen. Häufig sind Blutbeimengungen im Stuhl und
Fistelbildungen: eitrige Verbindungsgänge vom Darm zu Haut, Darm,
Blase, Scheide, Muskulatur, etc. "Das Risiko für Dickdarmkrebs ist
bei CED auf das bis zu 10-fache erhöht", so Univ.-Prof. Dr. Walter
Reinisch, Gastroenterologe am Wiener AKH. "15 Jahre nach Diagnose
müssen sich 34 Prozent der Patienten einer Operation am Darm, 14
Prozent zwei Operationen, und 22 Prozent drei oder mehreren
Operationen unterziehen - bis hin zur Dickdarm-Entfernung und dem
Einsetzen eines künstlichen Darmausganges."

Angesichts dieser Faktenlage ist die Tatsache dramatisch, dass
viele Betroffene erst sehr spät in den Genuss einer adäquaten
medikamentösen Therapie kommen. "Fehlende bis zögerliche Überweisung
an Spezialisten bewirkt eine Verzögerung der Diagnosestellung bis zu
acht Jahren bei Morbus Crohn, und bis zu zwei Jahren bei Colitis
ulcerosa", sagt Prof. Reinisch. "Aus medizinischer Sicht sollten CED
in den Österreichischen Strukturplan Gesundheit aufgenommen werden,
damit es einen eindeutigen Versorgungsauftrag gibt."

CED-Check: 10 einfache Fragen geben Aufschluss

Prof. Reinisch: "Weil eine möglichst frühzeitige Diagnose von so
zentraler Bedeutung ist, wurde jetzt ein CED-Test erarbeitet, der
rasch und einfach Hinweise auf eine mögliche CED geben kann."

o Besteht/bestand länger als 4 Wochen Durchfall (= mehr als 3      
  flüssige Stühle pro Tag) oder wiederholte Episoden von           
  Durchfällen?                                                     
o Besteht/bestand länger als 4 Wochen Bauchschmerzen oder          
  wiederholte Episoden von Bauchschmerzen?                         
o Besteht/bestand regelmäßig oder wiederholt über mehr als 4       
  Wochen Blut im Stuhl?                                            
o Bestehen/bestanden nächtliche Bauchbeschwerden wie Bauchschmerz  
  oder Durchfall?                                                  
o Besteht/bestand regelmäßig oder wiederholt über mehr als 4       
  Wochen schmerzhafter Stuhldrang?                                 
o Bestehen/bestanden Fisteln oder Abszesse im Analbereich?         
o Besteht/bestand allgemeines Krankheitsgefühl, Schwäche oder      
  Gewichtsverlust?                                                 
o Bestehen/bestanden Beschwerden außerhalb des Magen-Darm-Traktes  
  wie Gelenksschmerzen, Augenentzündungen oder spezifische         
  Hautveränderungen (z. B. "Erythema nodosum": Kennzeichnend dafür 
  sind z.B. mehrere, unscharf begrenzte Flecken bzw. Knötchen      
  unter der Haut, die leicht erhaben und sehr druckempfindlich     
  sind)?                                                           
o Existiert in der Familienanamnese ein Hinweis auf Morbus Crohn   
  oder Colitis ulcerosa?                                           
o Können andere Ursachen einer Durchfalls-Erkrankung               
  ausgeschlossen werden, z. B. Fernreisen, Infektionen,            
  Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, Medikamenteneinnahme wie     
  NSAR (Antirheumatika) oder Antibiotika, sexuelle Praktiken?      
  Wird eine der Fragen 1. bis 8. mit "Ja" beantwortet, bedarf es   
  einer ärztlichen Abklärung. Wird zusätzlich die Frage 9.         
  und/oder 10. mit "Ja" beantwortet, kann das den Hinweis auf CED  
  erhärten. Der CED-Check kann online unter                        
  http://ibdis.net/cedcheck ausgefüllt werden.

Patientenorganisation ÖMCCV: Frühere Behandlung durch gezielte
Aufklärung

"Diese Entwicklung gibt Hoffnung, Morbus Crohn- und Colitis
ulcerosa-PatientInnen durch bessere Aufklärung und Information einer
gezielten Behandlung früher zuführen zu können", so Christine
Gmeinder namens des Vorstands der Österreichische Morbus
Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV): "Unter diesem Aspekt
begrüßen wir als Patientenorganisation sehr den CED-Check,
unterstützt er doch sehr die Anstrengungen der möglichst frühen
Erkennung Erkrankter und gegebenenfalls der raschen Setzung weiterer
notwendiger Schritte."

ÖGAM-Konsensuspapier soll Behandlung optimieren

"Beschwerden bei CED gehören, vor allem in den frühen Stadien
der Erkrankung, typischerweise zu den Symptomen, wegen denen primär
der Allgemeinarzt aufgesucht wird. Dem Hausarzt obliegt nun die für
den Verlauf wichtige möglichst frühe Diagnosestellung und Abgrenzung
gegen andere, häufigere Krankheitsbilder wie das Reizdarmsyndrom", so
Dr.in Susanne Rabady, Vizepräsidentin der Österreichischen
Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM). Je präziser und rascher
Arbeitsdiagnosen erstellt werden können, desto weniger Zeit vergeht
bis zur endgültigen Diagnose.

Dr.in Rabady: "Dabei hilft zum einen die Tatsache, dass wir den
PatientInnen und deren Familien in vielen Fällen schon über Jahre
kennen, und objektive Veränderungen wie auch seine eigene Wahrnehmung
gut einschätzen können. Zum anderen gibt es Hilfen durch Instrumente
wie die 'EBM-Guidelines für Allgemeinmedizin', und Symptome-Scores,
die ein rationales Procedere erleichtern, und helfen, den Schweregrad
einzuschätzen." Die ÖGAM erarbeitet derzeit in Kooperation mit
namhaften SpezialistInnen ein Konsensuspapier, um dem Allgemeinarzt
in der Praxis diagnostische und therapeutische Strategien in die Hand
zu geben, die die Identifizierung und Betreuung von CED-PatientInnen
erleichtern, berichtet die ÖGAM-Vizepräsidentin.

IBDIS - ein neues Dokumentationssystem am AKH Wien

Um gesundheitlich relevante, anonymisierte Daten von
CED-PatientInnen einheitlich zu dokumentieren, wurde Anfang Februar
2008 am AKH Wien das Dokumentationssystem IBDIS erstmals
implementiert, berichtet Univ.-Prof. DI. Dr. Harald Vogelsang,
Gastroenterologe am AKH Wien. "Krankheitsdauer, Befall von
Darmabschnitten, bisherige Therapien und Operationen werden hier in
definierter Weise festgehalten, rund 180 Parameter sind in diesem
System vorgesehen." Primäres Ziel ist, die Krankengeschichte von
CED-PatientInnen einheitlich zu erfassen, damit das System von allen
Spezialabteilungen übernommen werden kann. Die standardisierte
Dokumentation erleichtert Diagnosen und hilft auch bei oft
jahrzehntelangen Krankengeschichten, den Überblick zu bewahren.

Interesse kommt nun auch von ECCO (European Crohn’s and Colitis
Organisation), die europäische Dachorganisation möchte IBDIS als
Dokumentationssystem zur Qualitätsverbesserung für CED-PatientInnen
im internationalen Kontext heranziehen. Prof. Vogelsang: "Schon heute
wird die österreichische Entwicklung IBDIS bei europaweiten Studien
eingesetzt und hat sich bestens bewährt. Der nächste Schritt wird
hier durch die Vernetzung von Studien erfolgen, um auf
Fragestellungen zu Krankheits- und Therapieverlauf raschere Antworten
zu bekommen." (Schluss) lac

Rückfragehinweis:
PID-Rathauskorrespondenz:
www.wien.at/vtx/vtx-rk-xlink/
B&K Bettschart&Kofler
Mag.a Daniela Pedross
Tel. (01) 319 43 78-11
E-Mail: pedross@bkkommunikation.com

Mag.a Marianne Lackner
Mediensprecherin Stadträtin Mag.a Sonja Wehsely
Tel.: +43 1 4000 81238
Mobil: + 43 676 8118 69549
E-Mail: marianne.lackner@wien.gv.at

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