- 15.02.2008, 17:51:21
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Wiener Zeitung: Andreas Unterbergers Tagebuch
Und wer schaut aufs Land?
Wien (OTS) - Das hat uns gerade noch gefehlt: Jetzt läuft auch die
Justiz Gefahr, in den Emotions-Strudel der Haidinger-Affäre gerissen
zu werden. Die Oberstaatsanwaltschaft hat offenbar rechtswidrig
versucht, in die Kompetenzen des Innenministeriums einzugreifen. Eine
Behörde, die wie alle Staatsanwälte immer im Verdacht des
vorweggenommenen Gehorsams gegenüber der Führung des
Justizministeriums steht; deren Spitzenteam - vorsichtig formuliert -
nicht im Verdacht parteipolitischen Nullgrupplertums gestanden ist;
und deren Leiter überdies der Schöpfer der neuen Strafprozessordnung
ist, welche die Aufgabenverteilung zwischen Justiz- und Innenressort
gerade komplett neu geordnet hat, die aber noch lange nicht die
Bewährungsprobe bestanden hat. Besonderes Pech für die
Oberstaatsanwaltschaft ist, dass ausgerechnet der ORF-Hörfunk (wer
hat denn da nicht aufgepasst?) kurz davor den Vorwurf gegen das von
der Staatsanwaltschaft abgelehnte "Büro für interne Angelegenheiten"
ad absurdum geführt hat, Büro-Mitarbeiter hätten ausgerechnet in
einem Altersheim nach illegalen Privatpflegern gesucht. Mehr als
seltsam klingt auch, wie rasch sich Ministerin Berger, fast wie eine
Mittäterin, zu Wort gemeldet hat, ohne zuvor den Innenminister
angerufen zu haben. Gerüchteweise sitzen ja beide in der gleichen
Regierung. Erst als das letzte Porzellan zerschlagen war, hat man
wieder das Telefon entdeckt. Peinlich.
Ein ebenfalls peinliches, aber ganz anderes Kapitel ist das
Kottan-mäßige Auftreten jener BIA-Mannen beim Besuch der alten Dame
im Altersheim. Es wäre aber abstrus zu glauben, die von der
Oberstaatsanwaltschaft bevorzugte Wiener Polizei wäre effizienter:
Denn die schaut ja am liebsten aus dem sicheren Auto heraus zu, wenn
Jugendbanden auf dem Ring Passanten verprügeln.
Wer aber schaut darauf, dass die Republik keinen Schaden nimmt?
Die Parlamentarier haben schon bei den letzten U-Ausschüssen versagt;
nun sind sowohl Polizei wie auch Staatsanwaltschaft angepatzt. Die
letzte Hoffnung richtet sich auf die unabhängige Richterschaft. Und
dabei am ehesten auf eine Kommission pensionierter Richter: Denn bei
alten Männern und Frauen sind keine Karriere-Rücksichten mehr zu
erwarten, kein vorweggenommener Gehorsam und viel weniger Emotionen.
Rückfragehinweis:
Wiener Zeitung
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Tel.: 01/206 99-478
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