Geschichtsblätter über Wiener McJobs des 19. Jahrhunderts
Fritz Keller in neuer Ausgabe der Wiener Geschichtsblätter über "Hallo Dienstmann! Eine sozialhistorische Skizze"
Wien (OTS) - Als Hans Moser und Paul Hörbiger in Franz Antels Verwechslungskomödie "Hallo Dienstmann" (1951) das alte Wien für das Kinopublikum erfolgreich wieder auferstehen ließen, waren die eigentlichen Vorbilder, die Wiener Dienstmänner, mehr oder weniger nicht mehr im Straßenbild der Stadt vorhanden. Etwa acht Jahrzehnte gab es diesen früh auch literarisierten Berufsstand, der zwischen sechs in der Früh und neun Uhr am Abend für einen Koffer schleppte, Briefe zustellte, große Lasten schleppte, aber auch das Frühstück holte. Der Historiker Fritz Keller hat erstmals die Sozialgeschichte dieser grummelnden, oftmals liebenswürdig geschilderten Boten und Hilfsleister auf den Straße Wiens erarbeitet.
Am 15. März 1862 schlug offiziell die erste Stunde dieses neuen Berufes, der an rund 300 vom Magistrat zugewiesenen Wiener Plätzen -jedoch nicht direkt am Bahnhof, dies war untersagt - seine Dienste anbot. Erkennbar an seiner Montur mit Kappel und zugewiesener Nummer war der Zuspruch dieser neuen öffentlichen Dienstleistung lange vor Taxi-Zustellung oder Fahrradboten überraschend groß: Bis zum Börsenkrach 1873 "leistete man sich" leichter einen solchen, berühmt devoten McJob-Dienstleister, sodass zur Weltausstellung rund 2.300 Wiener Dienstmänner zugelassen waren. Ob bei den "Wiener Stadt Kurieren", beim "Ersten Wiener Dienstmänner-(Kommissions)Institut" oder anderswo: Erst nach dem Börsenkrach am Schwarzen Freitag, als die Wiener Ober- und Mittelschicht das Geld nicht mehr so leicht für`s Briefe aufgeben lassen, Theaterkarten holen und Kleider abholen hatte, ging es wirtschaftlich und finanziell mit diesen halbamtlichen Dienern der Stadt-Gesellschaft stetig bergab.
"Pfuschende" Konkurrenz und technische Mobilität bedrängten Berufsstand
Stetige Zuwanderung mit arbeitwilligen Männern aus den Kronländern, "schwarz" arbeitende Konkurrenz und technischer Fortschritt verringerten sukzessive das Leistungs- und Verdienstspektrum des klassischen Wiener Dienstmannes, der vom Feuilleton, der Operette und der Literatur längst schon als "Wiener Urtyp" längst in zeitüberdauernde Fassung gebracht wurde. Unter Bürgermeister Lueger gab es noch einen Versuch, die Dienstmänner sozialrechtlich besser zu stellen, allein die Konkurrenz, etwa durch die "Messinger Boys", junge Burschen in Uniformen auf Fahrrädern, zeigte an, dass die auch zusehends ins Alter gekommenen Dienstmänner zu einer aussterbenden Dienstleistung wurden.
Von ehemals 2300 gab es nach 1945 nur mehr 17 Dienstmänner
Vor 1914 gab es etwa noch 800 offizielle "Wiener Dienstmänner", darunter sechs an der Zahl, die noch im Alter von über 70 Jahren Koffer und Pakete für ihre Auftraggeber schleppten. Die letzten Stationen: 1929 gründeten die letzten Wiener Kappel-Mohikaner eine "Wiener Auto-Dienstmann Betriebs- und Spargenossenschaft mit beschränkter Haftung", die 1932 aufgelöst wurde, ebenso gab es eine 1928 gegründete "Eiltransporte Wiener Dienstmann Betriebsgenossenschaft", die nach drei Jahren, also 1931, liquidiert werden musste. 1934 gab es noch um die 180 Dienstmänner im Wiener Straßenbild, in der Nazi-Zeit mussten jüdische Dienstmänner ihr Gewerbe zurücklegen, sodass es 1940 nur mehr um die 30 Dienstmänner in Wien gab. Nach 1945 soll es nur mehr 17 von ihnen gegeben haben. Ob einer von diesen armen Menschen bei der Premiere des Erfolgfilms "Hallo Dienstmann" zur Premiere im Jahr 1951 eingeladen war, ist nicht überliefert.
Weitere Themen der Ausgabe
Die Ostindienpolitik des Wiener Hofes im späten 18. Jahrhundert von Stefan Meisterle verfasst, eine Studie über Franz Schuberts Cousine "Lenchen" von Rita Steblin und ein Aufsatz von Werner Telesko über "Rom in Wien" - Telesko setzt sich mit der Programmatik des neubarocken Michaelertraktes der Wiener Hofburg auseinander, darunter etwa auch jene Reliefs, die man unter der Michaelerkuppel sehen kann,- sind die drei weiteren Aufsätze der aktuellen Ausgabe der "Wiener Geschichtsblätter". Eine Zeitschriftenschau und die Vorstellung aktueller Bücher über Wien runden die knapp 80 Seiten umfassende Publikation ab.
Die Wiener Geschichtsblätter kosten pro Ausgabe Euro 7 im Buchhandel. Mitglieder des Vereins für Geschichte der Stadt Wien erhalten das Periodikum neben anderen Publikationen gegen einen Jahresbeitrag von 35 Euro kostenlos. Verlegt wird die renommierte Zeitschrift, die vierteljährlich erscheint, im LIT Verlag (www.lit-verlag.at).
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(Schluss) hch
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