Prammer: Echte Gleichstellung und ökonomische Abhängigkeit schließen einander aus
Prammer und Bures bei Festveranstaltung anlässlich des 100. Geburtstages von Simone de Beauvoir
Wien (SK) - "Wer über kein Einkommen verfügt, ist in seiner Lebensplanung nicht wirklich frei", betonte Nationalratspräsidentin und SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Barbara Prammer am Dienstag Abend in ihrer Eröffnungsrede im Rahmen der Festveranstaltung "Das andere Geschlecht - Immer noch anders?" anlässlich des 100. Geburtstages von Simone de Beauvoir, organisiert vom Renner-Institut und den SPÖ-Bundesfrauen. Die Politik müsse dem Gegensteuern, so Prammer weiter, man müsse etwa die Lohndiskriminierung bekämpfen und es sei auch eine Veränderung der männlichen Rolle unumgänglich. "Echte Gleichstellung und ökonomische Abhängigkeit schließen einander aus", unterstrich die Nationalratspräsidentin, es brauche daher Frauen, die immer wieder konsequent mehr Gerechtigkeit einfordern. ****
Seit die ersten Frauenrechtlerinnen zu kämpfen begonnen hätten sei viel geschehen. Die Chancen für Frauen seien gestiegen und auch im Bewusstsein der Frauen hätten die Ideen der Frauenbewegung Widerhall gefunden. Trotz allem sei noch vieles unerledigt, so Prammer. "Das größte Problem ist für mich der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen". Dieser habe sich in den letzten Jahren sogar vergrößert, kritisierte die Nationalratspräsidentin. Und auch die Entscheidungspositionen in Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Kirchen seien, trotz Verbesserungen, noch weitgehend in männlicher Hand.
"Wer Frauen in Beruf und Öffentlichkeit gleiche Chancen einräumen will, muss sie in der Familie entlasten", betonte Prammer. Die derzeitige Doppelbelastung, der sich Frauen ausgesetzt sehen, mache für manche Frauen die Erwerbstätigkeit uninteressant, die finanzielle Abhängigkeit berge jedoch ein erhöhtes Armutsrisiko im Alter und bringe viele Frauen dazu, Gewalt in Beziehungen jahrelang zu erdulden. Prammer kritisierte in ihrer Rede auch, dass der "Druck zur Normbiographie" wieder zugenommen habe. Kränkungen und Diffamierungen von Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen, seien wieder möglich, so die Nationalratspräsidentin, und sie verwies in diesem Zusammenhang auf die wieder aufgeflammte Abtreibungsdebatte.
Zu Simone de Beauvoir bemerkte Prammer, dass das Buch "Das andere Geschlecht" nach dessen Erscheinen im Jahr 1949 einen Sturm der Entrüstung ausgelöst habe. "Welchen Fauxpas hat Simone de Beauvoir begangen?" Die Autorin habe lediglich "gesagt was ist" und die Einschränkungen für Frauen unter die Lupe genommen und "sie hat damit an den Grundfesten des Patriarchats gerüttelt". Das bemerkenswerte an de Beauvoirs Werk sei, so Prammer, dass es nicht nur eine Beschreibung der Zustände liefere, sondern konsequent eine "Vision der Freiheit vermittelt".
Bures: Rechtliche Abschaffung des Patriarchats mit Leben erfüllen
"Feminismus heute heißt nach wie vor für die Befreiung aus der Unterdrückung zu kämpfen, dafür zu kämpfen, dass Frauen unabhängig leben können", betonte Frauenministerin Doris Bures in der anschließenden Podiumsdiskussion. Was die rechtlichen Bedingungen bezüglich Gleichstellung der Geschlechter betrifft, sei in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel geschehen, so Bures, nun gelte es, "die rechtliche Abschaffung des Patriarchats mit Leben zu erfüllen". Dies sei die Herausforderung der Frauenpolitik heute.
Legistisch habe man das Patriarchat überwunden, so Bures, und verwies in diesem Zusammenhang auf die UN-Konvention zur Gleichbehandlung, auf die österreichische Verfassung, auf das Familienrecht und das Gewaltschutzgesetz. Trotz allem sei die Lebenssituation für viele Frauen gleich geblieben. Noch immer gebe es "verstaubte Rollenklischees", nach wie vor existieren die Einkommensschere und die "Gläserne Decke". Daher, so Bures, "ist es unsere Aufgabe, die gesetzlichen Voraussetzungen spürbar, erlebbar und fühlbar zu machen".
In den letzten Jahren habe eine "Bildungsrevolution" stattgefunden, es gebe mehr weibliche Maturanten und Universitätsabsolventen als männliche. Trotz allem habe man beispielsweise bei den Universitätsprofessoren ein Verhältnis von 85 Prozent zu 15 Prozent, es gebe in Österreich lediglich eine Rektorin und nur 10 Prozent der Aufsichträte in Österreich seien weiblich. Die Erfahrung habe gezeigt, so Bures, dass es nicht reiche, an das Gewissen der Männer zu appellieren, sondern es brauche legistische Instrumente. Deshalb trete sie für eine Wirtschaftsförderung ein, die an die Frauenförderung in Betrieben geknüpft sei und auch vermehrte Quotenregelungen seien anzudenken.
"Feminismus führt nicht zu Kinderlosigkeit", so Bures. Dies sehe man an anderen Staaten, die sich verstärkt für die Rechte der Frauen einsetzen würden. Für sie gehe darum, dass jede Frau ihr Lebenskonzept entwickeln könne und dass es trotz Kindern möglich sei, eine Karriere zu machen und ein gutes Einkommen zu erwirtschaften. "Ich möchte, dass das, was für Männer selbstverständlich ist, auch für Frauen selbstverständlich ist", betonte die Frauenministerin. (Schluss) sw
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