• 04.10.2007, 20:56:32
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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Mit dem Totstellreflex wird die Frustration zum Lebenszweck" (Von Claudia Gigler)

Ausgabe vom 05.10.2007

Graz (OTS) - Es ist schon erstaunlich, mit welcher Konsequenz sich
Lehrervertreter darüber beschweren, nicht eingebunden zu werden in
die Überlegungen zum Reformmodell Gemeinsame Schule, ohne
gleichzeitig selbst eine einzige Überlegung auf den Tisch zu legen.

Zusätzliche Ideen, auch Gegenargumente zu den vorhandenen Thesen sind
willkommen. Es gibt ja Konkretes den Rahmenplan des Ministeriums,
Modelle aus den Ländern, basierend auf jahrelangen Erfahrungen im
Schulversuch, ein umfassendes Papier der Sozialpartner und ein Modell
der steirischen ÖVP, ganz zu schweigen von den brandaktuellen Studien
von OECD und EU. Die Gesprächsverweigerung aber ist ein Affront
gegenüber jenen, deren Wohl man vorgeblich im Auge hat, und ein
Verlust für den politischen Prozess.

Wer denn sonst als die Lehrer wäre berufen, die Probleme der
Schulwirklichkeit zu formulieren und Lösungsvorschläge zu
präsentieren? Und wie denn sonst als mit der Mitwirkung voll
motivierter und engagierter Lehrer soll Neue Schule funktionieren?

Anstatt die Lehren aus der Praxis zur Maxime politischen, auch
standespolitischen Handelns zu machen, versteckt sich eine ganze
Berufsgruppe hinter der trügerischen Sicherheit eines Systems, das
nur noch in der Theorie funktioniert.

Verständlich ist die Frustration aus vergangenen Jahren, in denen
Reformansätze im Keim erstickt, Ressourcen niedergefahren und Lehrer
in Krisensituationen übrig gelassen wurden. Nicht verständlich ist,
dass man jetzt, da Bildung endlich zu einem Thema für alle wird,
nicht die Fahnen hisst.

Gleichmacherei? Ist keine Bedrohung, sondern Realität an den
Gymnasien, in die 80 Prozent der Schüler drängen. Also herbei mit
Ressourcen für Unterricht in Kleingruppen, der sich an den
individuellen Bedürfnissen orientiert!

Verlust der Vielfalt? Ist keine Frage von Schulorganisation, sondern
von Inhalten und Methodik. Herbei mit neuen Unterrichtsformen,
zusätzlichen Angeboten, flexibleren Unterrichtszeiten!

Und das Wohl der Kinder? Es gibt kein einziges pädagogisches Argument
für eine Selektion mit 9,5 Jahren, aber viele dagegen. Bildung und
Einkommen der Eltern bestimmen über die Chancen der Kinder. Schwache
scheitern am System, von den Begabten schaffen es zu wenige bis zum
Hochschulabschluss.

Welche Befunde braucht man denn noch? Mit jedem Tag, der ungenützt
verstreicht, schaden die Lehrer nicht nur den Schülern, sondern auch
sich selbst: Sie erheben den Frust zum Lebenszweck.****

Rückfragehinweis:
Kleine Zeitung
Redaktionssekretariat
Tel.: 0316/875-4032, 4033, 4035, 4047
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