Wien (WIFO) -
Die österreichische Wirtschaft wächst heuer real um 3,4%, damit um
3/4 Prozentpunkte rascher als der Durchschnitt des Euro-Raumes. Die
kräftige Konjunktur wird vom Export getragen und hat auch
Ausrüstungs- und Bauinvestitionen erfasst. Das hohe Wachstum
beschleunigt den Anstieg der Beschäftigung und der Staatseinnahmen.
Allerdings überträgt sich die Konjunktur nicht auf die
Konsumnachfrage der privaten Haushalte. Dazu kommen die dämpfenden
Effekte der Krise auf den internationalen Finanzmärkten, deren Ausmaß
derzeit noch nicht vollständig abgeschätzt werden kann. Für das Jahr
2008 muss mit einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums auf real
2,4% gerechnet werden, das entspricht etwa dem langfristigen
Durchschnitt.
Die österreichische Wirtschaft profitiert heuer von der
ausgezeichneten Export- und Investitionskonjunktur in West- und
Osteuropa und wächst mit real +3,4% etwa gleich rasch wie im Vorjahr.
Die heimische Ausfuhr erhöht sich real um mehr als 8%, in der
Sachgütererzeugung wird die Produktion um 7,3% ausgeweitet. Hohe
Gewinne, intensive Auslastung der Kapazitäten und die bis zuletzt
zuversichtliche Stimmung unter den Unternehmen schlagen sich in einer
deutlichen Verstärkung der Investitionstätigkeit nieder
(Ausrüstungsinvestitionen +8%). Damit hat der Zyklus nun den
wesentlichen Sprung von der reinen Exportkonjunktur zu einer
Investitionskonjunktur vollzogen. Dazu tragen auch die
Bauinvestitionen bei, die - getragen von stabiler Expansion im
Tiefbau, stetiger Erholung im Wohnbau und stärkerem Industriebau -
heuer um 5% zunehmen.
Dennoch ist ein Übergang in eine Hochkonjunktur nicht zu erwarten:
zum einen aufgrund der Verschlechterung der internationalen
Rahmenbedingungen im Gefolge der merklichen Abschwächung der
Konjunktur in den USA und der weltweiten Finanzkrise, zum anderen
aufgrund der anhaltenden Schwäche der Konsumnachfrage in Österreich.
Die weltweite Krise auf den Finanzmärkten ging vom
Subprime-Segment des Hypothekenmarktes in den USA aus und weitet sich
seither aus. Mehrere Banken sind in Solvenzprobleme geraten, die
Risikoprämien für die Unternehmensfinanzierung sind erheblich
gestiegen. Aktives Gegensteuern der Notenbanken trug zunächst zu
einer Beruhigung bei, allerdings lassen sich Ausmaß und Dauer der
Probleme des internationalen Finanzsystems noch nicht abschätzen.
Unmittelbar betroffen von dieser Krise ist die Wirtschaft der USA.
Der Rückgang der Immobilienpreise und des Volumens der
Hypothekarfinanzierung bewirkt einen Einbruch der
Wohnbauinvestitionen - sie liegen derzeit um ein Fünftel unter dem
Höchststand von 2005. Die Verringerung der Vermögenswerte und des
Beschäftigungswachstums wird in den nächsten Quartalen auch die
Konsumausgaben der privaten Haushalte dämpfen. Dies zieht eine
beträchtliche Abschwächung des Wirtschaftswachstums in den USA auf
weniger als 2% in den Jahren 2007 und 2008 nach sich. Die Gefahr
einer Rezession ist merklich gestiegen.
Zur Zeit kann noch nicht abschließend beurteilt werden, wie sehr
die derzeit robuste Weltwirtschaft von der Finanzmarktkrise
beeinträchtigt wird. Getragen von der kräftigen Expansion in Asien
befindet sie sich 2007 im fünften Jahr eines starken Wachstums (real
+5%). Die Wirtschaft Chinas (2007 +11%) bildet einen wichtigen Motor
für Südostasien und die ganze Welt. Auch in den OPEC-Ländern, in
Lateinamerika und selbst in Afrika sind hohe Zuwächse zu verzeichnen.
Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose - auf der WIFO-Website
(http://www.wifo.ac.at/presse)
In der EU sind erste Auswirkungen der internationalen Finanzkrise
bereits zu erkennen:
- Zahlreiche europäische Banken sind von der Krise der
Hypothekenfinanzierung in den USA direkt betroffen.
- Der Dollar steht unter merklichem Abwertungsdruck gegenüber dem
Euro.
- Auch auf einigen der überhitzten europäischen Immobilienmärkte
zeichnet sich eine Korrektur ab, vor allem in Spanien und Irland,
aber auch in Großbritannien.
- Der Konjunktur fehlt es im Euro-Raum wegen der Schwäche der
Konsumnachfrage an Breite, was sie anfälliger für internationale
Schocks macht.
Das WIFO geht von einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in
der EU aus, deren Ausmaß derzeit noch nicht vollständig bestimmt
werden kann. Gegenwärtig wird für das Jahr 2008 ein Anstieg des BIP
um real 2,1% (nach +2,9% im Jahr 2007) unterstellt. Im Durchschnitt
des Euro-Raums könnte das Wirtschaftswachstum 2008 mit 1,9% bereits
wieder unter den langfristigen Durchschnitt sinken.
Im Gegensatz zu vergangenen Konjunkturzyklen ist eine Übertragung
der lebhaften Export- und Investitionskonjunktur auf einen Konsumboom
jetzt nicht zu erwarten. Die Konsumnachfrage der privaten Haushalte
bleibt markant hinter der Entwicklung der Jahre 1998 bis 2000 zurück.
Sie erhöht sich heuer real um nur 1,9% und liegt damit im siebenten
Jahr in Folge unter dem langfristigen Durchschnitt (im letzten Jahr
der Hochkonjunktur 2000 betrug der Zuwachs 3,9%). Unter den Ursachen
der Konsumschwäche ragt die verhaltene Entwicklung der Einkommen
hervor. Obwohl das Volkseinkommen rasch wächst, nehmen die
Pro-Kopf-Einkommen der Beschäftigten 2007 um nur 2,6% zu. Nach Abzug
von Steuern und Inflation bleibt eine Stagnation gegenüber dem
Vorjahr. Die Ausweitung der verfügbaren Einkommen der privaten
Haushalte (real +2,0%) ergibt sich nur durch die erhöhte
Beschäftigung und einen kräftigen Anstieg der Besitzeinkommen. Auch
für das kommende Jahr wird keine deutliche Verbesserung erwartet.
Unter der Annahme einer Steigerung der nominellen Bruttoeinkommen pro
Kopf um 3% ergibt sich bei leicht stärkerem Preisauftrieb (+2%) und
etwas höheren Abzügen ein geringfügiges Wachstum der
Pro-Kopf-Einkommen um 0,3%. Der Spielraum für eine Ausweitung der
Konsumausgaben ist deshalb auch im Jahr 2008 beschränkt (real +2,1%).
Das hohe Wirtschaftswachstum löst heuer eine starke Steigerung der
Zahl der Beschäftigten aus (+60.000). Wegen des Booms in Industrie
und Bauwirtschaft betrifft das nicht nur die Zahl der Teilzeit-,
sondern auch jene der Vollzeitarbeitsplätze. Vor diesem Hintergrund
bleibt der Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um 15.000
(einschließlich Teilnahmen an Schulungen etwa -20.000) enttäuschend.
Vor allem Langzeitarbeitslose profitieren von der guten Konjunktur
kaum. Auch für Jugendliche hat sich die Arbeitsmarktlage bislang nur
wenig verbessert. Hingegen steigt die Zahl der beschäftigten
ausländischen Arbeitskräfte - aus West-, Süd- und Osteuropa - rasch.
Im kommenden Jahr dürfte die Arbeitslosigkeit auch aufgrund der
Abschwächung des Wirtschaftswachstums kaum noch zurückgehen, die
Arbeitslosenquote wird 4,2% der Erwerbspersonen betragen. Wenn selbst
bei guter Konjunktur kein ausreichender Rückgang der Arbeitslosigkeit
erreicht werden kann, dann müssen die Aussichten auf eine merkliche
Verringerung der Arbeitslosigkeit in den kommenden Jahren
pessimistisch eingeschätzt werden. Mittelfristig ist eine
Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt nur bei einer konsistenten
Wachstums- und Beschäftigungspolitik möglich, die sich auf ein
breites Maßnahmenspektrum stützt.
Hohe Zuwächse der Staatseinnahmen aus der Körperschaftsteuer, der
Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen bestätigen die gute
Konjunktur. Deshalb wird sich der Finanzierungssaldo der öffentlichen
Haushalte heuer weiter verbessern, er könnte nur noch -0,4% des BIP
betragen. Ein weiterer Rückgang im kommenden Jahr scheint wenig
wahrscheinlich, einerseits wegen der Eintrübung der
Konjunkturaussichten, andererseits wegen einer Reihe von
Zusatzausgaben.
Das Ausbleiben einer Beschleunigung der Konsumnachfrage der
privaten Haushalte und die Auswirkungen der Krise auf den
internationalen Finanzmärkten bremsen den Konjunkturaufschwung früher
als erhofft. Das Wachstum der heimischen Wirtschaft dürfte sich im
kommenden Jahr wesentlich verlangsamen, auch wenn es weiterhin den
Durchschnitt des Euro-Raums übersteigt. Damit wird ein weiterer Abbau
der Arbeitslosigkeit und des Budgetdefizits wenig wahrscheinlich.
Es besteht das Risiko, dass die Konjunkturabschwächung stärker
ausfällt als hier unterstellt, vor allem wenn sich die externen
Rahmenbedingungen noch mehr verschlechtern. Eine weitere Aufwertung
des Euro, der Einbruch der Immobilienpreise in einigen EU-Ländern und
eine Rezession in den USA bilden die wichtigsten potentiellen
Gefahrenherde.
Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht
10/2007!
Rückfragehinweis:
Dr. Markus Marterbauer
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung - WIFO
Tel. +43 1 798 26 01-303 * Fax. +43 1 798 93 86
mailto:Markus.Marterbauer@wifo.ac.at
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