• 19.09.2007, 18:06:22
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DER STANDARD-KOMMENTAR "Abenteuer mit Wegelagerern" von Michael Moravec

Die EU-Kommission will Energiekonzerne zerschlagen und riskiert damit sehr viel - Ausgabe vom 20.9.2007

Wien (OTS) - Ob man in der EU billigen Strom bekommt oder teuren,
ist vor allem eine Frage der Nationalität.
Britische Konsumenten zahlen für Strom ein Drittel weniger als
Verbraucher in Deutschland. Und in Ländern, in denen
Kraftwerksbetreiber und Netzgesellschaften getrennt sind, ist die
Energie im Schnitt um ein Viertel billiger als in Staaten, in denen
die Konzerne Kraftwerke und Transportleitungen besitzen.
Die nun erneut erhobene Forderung der EU-Kommission, Erzeugung und
Leitungsnetz in allen Staaten zu trennen, wird dennoch nicht nur von
den betroffenen Unternehmen strikt abgelehnt, sondern auch von nicht
wenigen Regierungen - wie die Deutschlands, Frankreichs und
Österreichs.
Dass die großen Konzerne wie Electricité de France (EdF), Eon und
Vattenfall lieber weiterhin selbst den Wettbewerb regeln wollen und
neue Mitbewerber mit extrem hohen Leitungsgebühren als Wegzoll
abschrecken, ist verständlich. Aber dass auch die Staaten eher nichts
von billigerer Energie wissen wollen, verwundert doch, ist der Preis
für Strom und Gas auch ein nicht unwesentlicher Standortfaktor.
Die Argumentationslinien derer, die den EU-Vorschlag ablehnen, sind
ein seltsames Konglomerat aus diffuser Angstmache vor
Investitionsrückgängen, Übernahmen und an die Wand gemalten
Dauer-Stromausfällen - und lassen den Schluss zu, dass es da um etwas
ganz anderes geht: um den Schutz von kleineren und größeren
Fürstentümern unter eifriger Verwendung chauvinistischer Rülpser wie
den berühmten "nationalen Champions" von Nicolas Sarkozy.
Unternehmen, die nur noch das Netz betreiben, werden erstens dieses
als wertvollstes Gut instand halten und auch für die nötigen
Investitionen und den Ausbau sorgen. Natürlich kann das Leitungsnetz
wie auch die Kraftwerksgesellschaft in öffentlichem Besitz bleiben.
Die wichtigste Infrastruktur eines Landes in private Hände zu geben,
davon schrecken viele Länder zu Recht zurück. Negative Beispiele wie
das verkommene britische Schienennetz oder die Londoner
Wasserleitungen haben zu einem Umdenken geführt. Deswegen sind die
Vorschläge der Kommission auch ausdrücklich keine Privatisierung, wie
das etwa die österreichische Arbeiterkammer behauptet.
Die EU benötige nicht 27 einzelne Energiemärkte, sondern einen
gemeinsamen, fordert die Kommission. Die österreichische
Realverfassung zeigt, dass es noch viel winziger geht: Jedem
Bundesland seinen eigenen, teuer verwalteten eigenen
Energie-Schrebergarten, in dem sich die stolzen Landeshauptleute
sonnen und nicht daran denken, ein Scheibchen ihrer Macht abzugeben,
um vielleicht den Strom ein bisschen billiger zu machen. Und über
ihnen ein Wirtschaftsminister, der ja eigentlich im Namen der
Wirtschaft auch für billigeren Strom sein müsste, hier aber
ausnahmsweise jeglichen Rabatt beiseite lässt, da er ja auch die
Interessen des größten Energiekonzerns Österreichs im_Namen der
Republik vertritt.
Der Gedanke, dass es nicht nur in Österreich so zugeht, ist nicht
ganz abwegig und macht den Widerstand einiger EU-Länder
verständlicher.
Und dazu kommt dann noch die Fusion von Gaz de France und Suez in
Frankreich zu einem der größten Energiekonzerne der Welt, die zeigt,
wie schnell einige EU-Staaten auch aus Angst vor Russlands Gasprom
und chinesischen Fonds in eine völlig andere Richtung marschieren und
wie sehr sich die Kommission aus dem Fenster lehnt.
Dabei sind die Vorkehrungen, die in Brüssel gegen feindliche
Übernahmen aus Drittstaaten mit einigen starken Vetomöglichkeiten
vorgeschlagen werden, völlig ausreichend und verhindern böse
Überraschungen.
Noch nie hat sich die Barroso-Kommission mit einem Vorschlag so klar
gegen große Mitgliedstaaten gestellt. Gelingt der Coup, hat sie für
die Konsumenten viel erreicht. Scheitert der Plan, ist diese
Kommission vor Amtsende abgemeldet.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70/445

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