Wien (PK) - Der Rechnungshofausschuss hielt heute unter der
Verhandlungsführung seines Obmanns Werner Kogler eine Aktuelle
Aussprache über die öffentliche Finanzkontrolle in Österreich ab, zu
der Rechnungshofpräsident Josef Moser mit Blickrichtung auf die
geplante Verfassungsreform Vorschläge unterbreitete, die bei den
Ausschussmitgliedern aller Fraktionen positive Reaktionen
hervorriefen. Moser plädierte dafür, die Einheitlichkeit der
Finanzkontrolle zu sichern und Kontrolllücken zu schließen. Konkret
sollten nach Ansicht des Rechnungshofes Unternehmen bereits ab einer
öffentlichen Beteiligung von mehr als 25 %, Gemeinden mit einer
Gebarung von mehr als 10 Mill. € und alle Direktzahlungen der EU in
die Rechnungshofkontrolle einbezogen werden.
Präsident Moser skizzierte zunächst die historische Entwicklung des
Systems der öffentlichen Finanzkontrolle in Österreich seit dem Jahr
1920. Als föderatives Bund-Länder-Organ ist der Rechnungshof als
Organ des Nationalrates und als Organ der Landtage tätig und hat seit
1929 Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern zu prüfen. 1948 wurden
auch Gemeindeverbände einbezogen und 1977 Unternehmen mit einer
öffentlichen Beteiligung von mehr als 50 %. In den Regelungen zur
Abgabenhoheit im Finanzverfassungsgesetz 1948, zum
gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht 1986, im EU-Stabilitäts- und
Wachstumspakt 1997, den Maastricht-Kriterien zur gesamtstaatlichen
Haushaltsdisziplin, in den innerösterreichischen Stabilitätspakten
seit 1999 und in seiner Rolle als Gutachter als Stabilitätspakt-
Schlichtungsgremium werde, so der Rechnungshofpräsident, eine Tendenz
zu einer einheitlichen, öffentlichen Finanzkontrolle sichtbar.
Dazu komme die zunehmende Verflechtung der Finanzströme, analysierte
Moser weiter. Der Steuerverbund werde stärker und die
Finanzausgleichsmasse nehme zu, seit 1995 um 60 %; 55 % der
Abgabeneinnahmen werden durch Transfers verteilt, wobei die Länder
eine zentrale Position als Geber und Empfänger der Transfers
einnehmen. Auf Gemeindeebene liefen bereits 210.000 Transfers ab und
es werde von finanzstarken zu finanzschwachen Gemeinden umverteilt.
Künftig werde der Ausbau der Kinderbetreuung, das verpflichtende
Vorschuljahr und der Ausbau sozialer Dienste Städte und Gemeinden vor
große finanzielle Herausforderungen stellen.
Vor diesem Hintergrund warnte Rechnungshofpräsident Moser vor der
Gefahr der Intransparenz, unklarer Verantwortlichkeiten sowie
unzweckmäßiger und unwirtschaftlicher Gebarung. Moser empfahl, die
Stärken des Rechnungshofes als Bund-Länder-Organ zu nutzen und der
Verbundenheit der Finanzwirtschaft durch eine vernetzte
Betrachtensweise Rechnung zu tragen. Die Finanzströme zwischen den
Gebietskörperschaften sollen sichtbar gemacht, Kosten-Nutzen-Effekte
analysiert und Vorschläge zur Entflechtung der Finanzströme
ausgearbeitet werden. Daher setze der Rechnungshof auf
Querschnittsprüfungen - im Jahr 2007 etwa bei den
Landespensionssystemen, in der Abfallwirtschaft, bei Einkaufszentren,
Kinderbetreuungseinrichtungen sowie bei Zulagen und Nebengebühren.
Dabei sichere der Rechnungshof ganzheitliche Betrachtungsweisen,
ermögliche Leistungs- und Kostenvergleiche und zeige Effizienz- und
Einsparungspotenziale auf.
Moser will die Einheitlichkeit der Finanzkontrolle sichern und
Kontrolllücken schließen. Konkret sollten Unternehmen bereits ab
einer öffentlichen Beteiligung von mehr als 25 %, Gemeinden mit einer
Gebarung von mehr als 10 Mill. € und alle Direktzahlungen der EU in
die Rechnungshofkontrolle einbezogen werden. Mosers Argumente
lauteten, dass mehrere Bundesländer ihre Prüfkompetenz bei
Unternehmen bereits ausgeweitet haben, dass langwierige
Kompetenzstreitigkeiten bei der Unternehmensprüfung vor dem
Verfassungsgerichtshof unterbleiben könnten und Rechnungshofprüfungen
Aktiengesellschaften nachweislich nützten, wobei er auf Kursgewinne
der AUA-Aktie hinwies. Die Ausweitung der RH-Prüfkompetenz auf
gebarungsrelevante Gemeinden sei notwendig, weil derzeit nur 24 von
2.359 Gemeinden geprüft werden, was bedeute, dass ein öffentliches
Finanzierungsvolumen von insgesamt 10 Mrd. € ungeprüft bleibe. Er sei
mit hochrangigen Experten darin einig, dass das Kriterium der
Einwohnerzahl nicht sachlich begründbar sei.
Eine Rechnungshofkontrolle der EU-Direktzahlungen entspreche dem
Anliegen der EU, nationale Kontrollkapazitäten verstärkt für EU-
Mittel einzusetzen. Moser beklagte, dass derzeit Forschungs- und
Bildungsförderungen nicht kontrolliert werden können. Der
Rechnungshof sollte auch an dieser Stelle als Anwalt der Steuerzahler
tätig werden und durch Kontrollen Doppel- und Mehrfachförderungen
hintanhalten.
Im Hinblick auf andere Kontrolleinrichtungen, Landesrechnungshöfe,
Kontrollämter und interne Revisionen plädierte der
Rechnungshofpräsident für Vernetzung statt Abgrenzung und für ein
partnerschaftliches Zusammenwirken aller Kontrollorgane in einem
Netzwerk öffentlicher Finanzkontrolle. Prüfungspläne sollen
abgestimmt, Aus- und Weiterbildung der Prüfer gemeinsam organisiert
werden.
Positive Reaktionen der Abgeordneten auf Mosers Vorschläge
In der Debatte sagte Abgeordneter Bruno Rossmann (G) dem
Rechnungshofpräsidenten volle Unterstützung für seine Vorschläge zu
und ging hinsichtlich der Gemeindeprüfungen noch darüber hinaus,
indem er Rechnungshofprüfungen angesichts der enormen Transfers auch
in kleinen Gemeinden für zweckmäßig hielt. Außerdem hielt Rossmann
eine Entflechtung des Transfergeflechts für notwendig.
Abgeordneter Günther Kräuter (S) dankte Präsident Moser ebenfalls für
seine Ausführungen und hielt es für zweckmäßig, die 20.000-
Einwohnergrenze als Kriterium für die Rechnungshofprüfung von
Gemeinden zu überdenken. Für zielführend hielt Kräuter auch eine
Ausweitung der Prüfung von Unternehmen, da eine Rechnungshofprüfung
in der Wirtschaft langfristig als ein Qualitätsprädikat gelte.
Positiv sah Kräuter auch die Rechnungshofkontrolle bei den EU-
Direktförderungen. Bei der Verwaltungsreform plädierte Kräuter für
eine Vereinheitlichung von Landesgesetzen, etwa für das
Fischereiwesen; Kräuter forderte dazu auf, Widerständen aus den
Bundesländern entschlossen entgegenzutreten.
Auch Abgeordneter Hermann Gahr (V) sah Kontrolllücken, gab aber zu
bedenken, dass Österreich ein föderalistischer Staat sei, in dem jede
Ebene ihre Kompetenzen anmelde. Gahrs Vorschläge lauteten auf Abbau
von Doppelgleisigkeiten und eine Evaluierung der Landesrechnungshöfe.
Festzuhalten sei, dass die öffentliche Finanzkontrolle in Österreich
sehr gut funktioniere, es wäre nützlich zu vergleichen, ob dies auch
in anderen EU-Ländern so sei.
Abgeordneter Gerald Hauser (F) lobte den Rechnungshof generell und
unterstrich die beratende Funktion des Rechnungshofs für Verwaltung
und Unternehmen. Unzufrieden zeigte sich Hauser mit der Situation in
Tiroler Gemeinden, die keine Möglichkeit haben, die Gebarung von
Gesellschaften zu kontrollieren, an denen sie mehrheitlich beteiligt
sind. Kritik übte Hauser auch daran, dass der Landesrechnungshof kein
Beschwerderecht an den VfGH habe. Der Bürger habe Interesse an einer
umfassenden Finanzkontrolle, sagte Hauser.
Abgeordneter Josef Bucher (B) sprach sich einmal mehr dafür aus, für
die öffentliche Finanzkontrolle in den Ländern neun Dependancen des
Rechnungshofes in den Bundesländern zu schaffen. Da die Gemeinden vor
immer komplizierteren Finanzierungsformen, etwa beim Cross-Border-
Leasing stünden, könnte ihnen die Expertise des Rechnungshofes
helfen, zeigte sich Abgeordneter Bucher überzeugt.
Abgeordneter Kurt Gaßner (S) unterstrich, die Gemeinden würden
künftig mehr Geld brauchen, um ihren wachsenden Aufgaben gerecht
werden zu können. Für ihn gehe es bei der Bundesstaatsreform nicht
nur um die Rechnungshofprüfung der Gemeinden, sondern auch um die
unterschiedlichen Gemeindeordnungen und die vielen unterschiedlichen
Landesgesetze, etwa die neun Bauordnungen. Auch die
Landesrechnungshöfe haben für ihre Tätigkeit unterschiedliche
Voraussetzungen, sagte Gaßner.
Abgeordneter Hermann Gahr (V) wies die Kritik Hausers an den
Verhältnissen in Tirol entschieden zurück. Es gehe nicht an, dort
alles in Frage zu stellen. - Abgeordneter Hauser reagierte mit der
Feststellung, er habe keine Kritik am Landesrechnungshof geübt,
sondern die Ausweitung seiner Kompetenzen verlangt.
Abgeordneter Manfred Haimbuchner (F) sprach unterschiedliche
Praktiken bei der Einhebung von Kanalgebühren in verschiedenen
Gemeinden an und wollte wissen, wie der Rechnungshof bei seinen
Prüfungen sicherstelle, Einschau in alle Akten zu erhalten.
Abgeordneter Gerhard Reheis (S) erkundigte sich danach, ob der
Rechnungshof Agrargemeinschaften prüfen könne.
In einer weiteren Wortmeldung beklagte Abgeordneter Bruno Rossmann(G)
den Stillstand, der beim Regierungsprojekt "Verwaltungsreform II"
eingetreten sei, und erinnerte an das Anliegen der Aufgabenkritik als
Voraussetzung für eine Bundesstaatsreform. Außerdem mahnte Rossmann
einheitliche Budgetgrundsätze für Bund und Länder ein. Schließlich
sprach er sich für eine Ausweitung der Steuerautonomie aus, ohne die
man seiner Meinung nach nicht zu einer Bundesstaatsreform kommen
könne.
Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) fragte, warum eine Abgrenzung für
die Prüfung von Gemeinden notwendig sei.
Rechnungshofpräsident Josef Moser ging auf die Diskussionsbeiträge
der Abgeordneten ein und hielt es für zweckmäßig, statt der 20.000-
Einwohnergrenze bei der Prüfung von Gemeinden das Kriterium eines 10
Mill.- €-Gebarungsvolumens einzuführen. Damit könnten 56 % des
Gemeinde-Budgetvolumens erfasst werden. Dies sei auch wichtig, um den
Gemeinden bei Erfüllung ihrer wachsenden Aufgaben durch eine externe
Kontrolle zu helfen. Gegen eine Prüfung aller Gemeinden durch den
Rechnungshof spreche die Beachtung der Kosten-Nutzen-Relationen bei
der Prüfung, daher schlage er, Moser, eine Gebarungsgrenze von 10.
Mill. € vor.
Die Zusammenarbeit mit den Landesrechnungshöfen funktioniere gut,
sagte Moser und unterstrich einmal mehr, wie wichtig die Kooperation
zwischen den Kontrolleinrichtungen auf allen Ebenen sei. Gegenüber
Abgeordnetem Bucher wolle er am föderalistischen System festhalten
und nicht in die Richtung von Außenstellen des Rechnungshofes in den
Ländern gehen.
Die zusätzlichen Prüfungskompetenzen für den Rechnungshof werden zu
keiner Planstellenaufstockung beim Rechnungshof führen, sagte der
Rechnungshofpräsident.
Agrargemeinschaften unterliegen nicht der Rechnungshofprüfung,
stellte Präsident Moser klar.
Schließlich nahm der Rechnungshofausschuss einstimmig die Berichte
III-49 d.B., III-50 d.B. und III-51 d.B. zur Kenntnis.
Ebenfalls einstimmig beschloss der Ausschuss, die zur Fristwahrung in
Verhandlung genommenen Berichte III-69 d.B. und III-70 d.B. zu
vertagen. (Schluss)
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