• 18.09.2007, 17:56:53
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Wiener Zeitung: Andreas Unterbergers Tagebuch

Irak: Nicht nur Bush irrt

Wien (OTS) - Wie einfach wäre doch die Irak-Krise zu lösen: George
W. Bush und seine Freunde sollten möglichst bald möglichst weit weg
von allen Hebeln der Macht sein, dann wäre das Problem rasch gelöst.

Wie einfach wäre doch die Irak-Krise zu lösen: Man bräuchte nur
einen wirklich massiven Militäreinsatz, um die Machtzentren der
Al-Kaida zu eliminieren, dann wäre das Problem rasch gelöst.

Diese zwei Vorstellungen beherrschen in zahllosen Variationen die
Debatte, an Stammtischen wie auch unter Diplomaten und
Sicherheitsexperten. Beide greifen jedoch viel zu kurz. Dahinter geht
es um verdrängte Fragen, für die es einfach keine einfachen Antworten
gibt. Die eine betrifft das Überleben Israels, falls die USA den
Nahen Osten militärisch verlassen und sich isolationistisch auf ihr
eigenes Land zurückziehen sollten. Bei dieser Frage wäre die Antwort
jener linken Kreise besonders spannend, die ständig die USA prügeln,
aber jedes kritische Wort gegen Israel verdammen.

Die zweite Frage betrifft die Energieversorgung Europas (das viel
mehr als Amerika vom Öl aus Nahost abhängig ist!). Hier wäre
besonders die Antwort jener rechten Kreise spannend, die ständig die
USA prügeln, sich aber bei jeder Verteuerung an den Zapfsäulen laut
empören.

Wir sollten aber noch eine Ebene tiefer schürfen: Ist Demokratie
überhaupt eine brauchbare Lösung für Länder wie den Irak? Was ja in
seltener Eintracht Europa wie die USA glauben. Blicken wir auf die
wenigen Demokratien der Welt, die schon mehr als eine Generation lang
funktionieren, dann lernen wir: Überall musste sich eine
Bürgergesellschaft erst über Jahrhunderte (und viele Konflikte)
entwickeln. Demokratie gibt es nur, wenn zuerst der Rechtsstaat
funktioniert. Und dieser funktioniert nur, wenn die Menschen
Gesetzgeber, Justiz und Verwaltung als legitim und halbwegs gerecht
akzeptieren. Das setzt jetzt wiederum voraus, dass der Staat auch
territorial dem Selbstbestimmungsrecht der Bürger entspricht. Dass
also nicht, wie im Irak, drei Volksgruppen, die sich gegenseitig
massakrieren und vertreiben, durch Zufälle der Geschichte
zusammengezwungen worden sind.

All das bedenkend kann man über die Demokratie-Rhetorik der USA
und der EG zum Thema Irak nur lachen. Es ist freilich ein bitteres
Lachen.

http://www.wienerzeitung.at/tagebuch

Rückfragehinweis:
Wiener Zeitung
Sekretariat
Tel.: 01/206 99-478
mailto:redaktion@wienerzeitung.at

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