- 16.07.2007, 17:31:48
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Wiener Zeitung: Andreas Unterbergers Tagebuch
Gerechtigkeit & Co
Wien (OTS) - Gleiches gleich zu behandeln: Diese Grundregel der
Gerechtigkeit wird der Bawag-Prozess wohl nicht ganz erfüllen können.
Denn wirklich Vergleichbares hat sich in Österreich noch nie
abgespielt. Noch nie ist ein Bankeigentümer - also der ÖGB - so
lange, mit solchen Summen und mit so vielen politischen Implikationen
geschädigt worden.
Auch ein weiteres Prinzip des Rechtsstaats wird nur schwer zu
vermitteln sein: Verluste und Fehlspekulationen allein sind nicht
strafbar. Es muss nicht immer einen Schuldigen geben, wenn ein
Schaden eintritt - was freilich viele nicht glauben wollen. Es darf
nur um eines gehen: Haben alle Beteiligten alle expliziten wie
impliziten Regeln beachtet? Daher ist es möglich, dass am Schluss nur
wegen vergleichsweise kleiner Beträge ein "Schuldig!" erklingt: weil
ehemaligen Konsum-Chefs oder Bundeskanzlern gleichsam aus einer
Portokassa Geld zugeflossen ist. Oder weil sich Helmut Elsner trotz
der verzweifelten Situation der Bank Sonderzahlungen genehmigen ließ.
Das System Bawag-ÖGB als Grundübel sitzt aber nicht auf der
Anklagebank: nämlich das politische Gemauschel zwischen den Spitzen
von ÖGB und Bawag sowie das ideologische Wunschdenken, dass man mit
kasinoartigen Spekulationen die wunderbaren Zinsvorteile der Bawag
finanzieren könnte.
Darüber, aber auch über manche medialen Probleme sollte -
außerhalb des Prozesses - noch intensiv diskutiert werden: Etwa über
"News", das mit nachweislich falschen Berichten Elsner in
Untersuchungshaft gebracht hat; über die illegale Vorveröffentlichung
der Anklage (wobei es auch um die Mittäter in der Justiz gehen
müsste); über die "Schuld"-Abstimmungen oder die massive
Schuldumleitung von Elsner auf den gescheiterten Spekulanten Flöttl
in manchen Medien; oder über das Problem der Zulassung von Kameras in
Prozessen.
Es bleibt ein bitterer Geschmack: Ist nach all dem ein
unbeeinflusstes Urteil überhaupt noch möglich? Warum gibt es übrigens
keine einzige unabhängige NGO, welche konsequent die Missstände rund
um die Medien aufzeigt (die ja in einer Demokratie ein wesentliche
Aufgabe haben)? Die NGO kümmern sich aber lieber um die Laichplätze
von Fröschen und um das vermeintliche Recht jedes Interessierten auf
Einwanderung nach Österreich.
http://www.wienerzeitung.at/tagebuch
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