• 12.07.2007, 11:00:00
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IHS-Studie: Berufsrechtliche Beschränkungen der Finanzdienstleister verfassungs- und europarechtlich bedenklich

Wien (OTS) - Die Umsetzung der Richtlinie über
Versicherungsvermittlung erfolgte in Österreich mit der
Gewerbeordnungs-Novelle 2004. Sie hat eine Vielzahl von rechtlichen
Möglichkeiten zur Vermittlung von Versicherungsverträgen geschaffen.
Die dabei für Gewerbliche Vermögensberater bzw. Finanzdienstleister
getroffene Regelung war von Anfang an unklar und verursacht nach wie
vor wirtschaftliche und juristische Schwierigkeiten.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit versuchte schon
2005 mit dem Erlass vom 21.11.2005, BMwA-30.599/0339-117/2005 einige
juristische Fragen, die sich nach Inkrafttreten der GewO-Novelle
gestellt hatten, zu lösen, verschlimmerte damit aber die Situation
lediglich. Es wurde nämlich festgelegt, dass die Umsatzerlöse eines
Finanzdienstleisters aus dem Nebengewerbe (konkret: Vermittlung von
Sachversicherungen) 10% des Umsatzerlöses aus dem damit verbundenen
Hauptgeschäftsanteil nicht wesentlich überschreiten dürften.

Diese Situation war für die Fachgruppe Finanzdienstleister der
Wirtschaftskammer Wien gemeinsam mit dem Fachverband
Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer Österreich Anlass, das
Institut für Höhere Studien (IHS) mit einer Studie über "Struktur und
ökonomische Bedeutung der Vermittlung von Finanzdienstleistungen in
Österreich - unter besonderer Berücksichtigung der
Versicherungsvermittlung durch Gewerbliche Vermögensberater" zu
beauftragen, die von Univ.Prof. Dr. Hanspeter Hanreich und Mag.
Hermann Kuschej durchgeführt wurde.

Gleiche Pflichten, aber unterschiedliche Rechte

Die Studie des IHS liegt nun vor. Sie untersucht im Abschnitt zur
Versicherungsvermittlung zuerst die europarechtlichen Vorgaben der
Versicherungsvermittlungs-Richtlinie ausführlich und arbeitet deren
Eckpunkte heraus. Es sind dies:

- Einrichtung und Garantie eines unbehinderten Binnenmarktes für 
   alle Arten der Versicherungsvermittlung durch Vereinheitlichung 
   der Rechtsgrundlagen.

 - Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass alle im 
   jeweiligen Staatsgebiet zugelassenen Versicherungsvermittler 
   dauernd die ausreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten zur 
   Versicherungsvermittlung besitzen.

 - Eintragung aller Versicherungsvermittler in ein in den 
   Mitgliedstaaten zu führendes Register.

 - Verpflichtung aller Mitgliedstaaten, die Zulassungen von 
   Versicherungs-vermittlern der anderen Mitgliedstaaten ohne 
   Nachprüfung anzuerkennen und alle Versicherungsvermittler, die 
   in einem Register eines Mitgliedstaates eingetragen sind, zur 
   Dienstleistungserbringung und Niederlassung zuzulassen.

 - Strengere Vorschriften für die Zulassung von 
   Versicherungsvermittlern, die im Hoheitsgebiet eines 
   Mitgliedstaates niedergelassen sind, bleiben zulässig, dürfen 
   aber nicht auf Versicherungsvermittler aus einem anderen 
   Mitgliedstaat angewandt werden.

 - Berufshaftpflicht

- Kundenschutz

Die Gewerbeordnungs-Novelle 2004 setzte diese Bestimmungen nach
den Buchstaben der Richtlinie um, der Hauptzweck der Richtlinie,
nämlich die Vereinheitlichung der Vorschriften zur
Versicherungsvermittlung, wurde nicht erreicht.

Die Umsetzung hat einen weiteren wesentlichen Mangel: Die Regeln
für Gewerbliche Vermögensberater wurden strenger gestaltet als die
für andere Versicherungsvermittler. Die Gewerblichen Vermögensberater
sind nämlich nur befugt, Lebens- und Unfallversicherungen zu
vermitteln. Da Österreich durch die
Versicherungsvermittlung-Richtlinie verpflichtet ist, bei allen
Versicherungsvermittlern dafür zu sorgen, dass diese ausreichende
Kenntnisse und Fähigkeiten für die Versicherungsvermittlung
besitzen, ist davon auszugehen, dass die Gewerblichen
Vermögensberater ausreichend qualifiziert sind, Versicherungen zu
vermitteln. Andernfalls würde Österreich nicht dafür sorgen, dass
Versicherungen nur mit ausreichender Qualifikation vermittelt werden.
Da Gewerbliche Vermögensberater zur Erlangung eines
Befähigungsnachweises auch die entsprechenden Kenntnisse und
Fähigkeiten für die Versicherungsvermittlung nachweisen müssen, ist
belegt, dass sowohl Österreich seinen Verpflichtungen nach der
Richtlinie nachkommt, als auch, dass die Gewerblichen
Vermögensberater ausreichend qualifiziert für die
Versicherungsvermittlung sind. Die soeben geschilderte rechtliche
Situation führt somit nicht zu einer Verletzung von europarechtlichen
Vorschriften in diesem Punkt, sondern diskriminiert die Gewerblichen
Vermögensberater gegenüber österreichischen Konkurrenten und
Anbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Durch diese
Ungleichbehandlung wird der Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht
auf Erwerbsfreiheit verletzt. In Bezug auf die Wettbewerber aus
anderen Mitliedstaaten wird ein solcher Zustand
"Inländerdiskriminierung" genannt.

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat sich schon
wiederholt mit ähnlichen Ungleichbehandlungen beschäftigen müssen und
eine Reihe von Bestimmungen, auch aus der Gewerbeordnung, als
verfassungswidrig aufgehoben.

Wirtschaftliche Existenz der Gewerblichen Vermögensberater gefährdet

Im zweiten Teil der Untersuchung wird auf der Grundlage von
öffentlichen Statistiken nachgewiesen, dass die gerade geschilderte
rechtliche Situation auch zu messbaren wirtschaftlichen Problemen der
Finanzdienstleister führt. Ein fairer Wettbewerb zwischen den in- und
ausländischen Versicherungsvermittlern wäre nur zu erreichen, wenn
die Befugnisse der Gewerblichen Vermögensberater ausgeweitet würden.
Das IHS regt daher in den Schlussfolgerungen der Studie unter anderem
an, die Diskriminierung der Gewerblichen Vermögensberater zu
beseitigen und die Gewerbeordnung entsprechend abzuändern.

Rückfragehinweis:
Renate Zrikat / Essential PR
mailto:renate.zrikat@essential.at
Mobil: 0699 104 39 161

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