- 02.04.2007, 18:41:22
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Unwürdiges Pingpong
"Presse"-Leitartikel von Karl Ettinger
Wien (OTS) - Und ewig grüßt das Murmeltier: Das Hin und Her um die
Pflegekosten zwischen Bund und Ländern nervt.
Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller beweist gerade, dass sie
auch nicht anders ist als ihre so häufig geschmähten männlichen
Politikerkollegen. Die Kunst des Abblockens beherrscht sie. Das zeigt
die glatte Abfuhr für ihren früheren Landesrat, den jetzigen
Sozialminister Erwin Buchinger, bei der Übernahme von Kosten für die
Pflege daheim.
Der Bund soll also eine Lösung für das Problem finden, damit die
Betreuung tausender pflegebedürftiger Menschen nicht nur mittels
illegaler ausländischer Hilfskräfte möglich ist, ließ die
SPÖ-Landeschefin den SPÖ-Minister am Montag via ORF-Radio wissen.
Und: Er könne den Ländern nicht ausrichten, was diese für die
24-Stunden-Pflege zu zahlen hätten.
Einverstanden: Der Bund kann und soll den Ländern nicht einfach
diktieren, wofür diese ihr Geld auszugeben haben. Der einfache Bürger
greift sich aber ziemlich verstört an den Kopf. Zwar haben sich die
Österreicher seit Jänner daran gewöhnt, dass sich die
Koalitionspartner SPÖ und ÖVP gegenseitig nicht über den Weg trauen
und so manche Unfreundlichkeit ausrichten. Aber unter roten
Parteifreunden? Für eine Aussprache der beiden im heimatlichen
Salzburg müsste doch irgendwann Zeit sein, wenn ihnen Pflege
tatsächlich am Herzen liegt.
Buchinger könnte bei dieser Gelegenheit ein Exemplar des
Koalitionspakts mitnehmen. Des Lesens ist die Landeshauptfrau ja
sicher mächtig, wenn sie sich schon nicht mehr erinnern kann, was sie
erst vor wenigen Monaten als SPÖ-Verhandlerin mitpaktiert hat.
"Möglichst bis zum Sommer" solle eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern
und Gemeinden die Pflege neu regeln, heißt es da. Politiker werden
doch einigermaßen ernst meinen, was sie an ihren Arbeitstagen so
besiegeln (auch wenn in der SPÖ zumindest das Brechen von
Wahlversprechen fast schon Tradition hat).
Als im Vorjahr der "Pflegenotstand" ausgerufen wurde, erweckten
Politiker aller Couleurs aus Angst um Wählerstimmen bei der
Nationalratswahl den Eindruck, sie würden Maßnahmen zur Verbesserung
der Situation lieber gestern als heute beschließen. Nun macht sich
wieder Bequemlichkeit breit. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef
Pühringer denkt schon laut darüber nach, die bloß als Notmaßnahme bis
Mitte 2007 aus dem Hut gezauberte Amnestie für illegale Pflegekräfte
zu verlängern. Jede Wette, dass dann bis knapp vor der nächsten
Nationalratswahl keiner mehr einen Finger rührt. Und jene Landes- und
Gemeindepolitiker, die eine Nachdenkpause für die 24-Stunden-Pflege
fordern, könnten gleich schonungslos sagen: Schaut selbst, wie ihr
zurechtkommt, wir wollen ohnehin nur wieder eure Stimme bei der
nächsten Wahl.
Denn das Problem wird sogar noch größer. Die Zahl jener Angehörigen,
die ihre Lieben in der billigsten Variante für den Staat, nämlich
gratis zu Hause, betreuen, schrumpft. Hilfe von außen wird daher noch
wichtiger. Um leistbare Betreuung in den eigenen vier Wänden
sicherzustellen, werden Bund, Länder und Gemeinden mehr Geld
bereitstellen müssen. Es sei denn, billige, aber illegale Lösungen
ohne jedes arbeitsrechtliche Netz werden nach dem Vorbild der
osteuropäischen Pflegekräfte überall in der Arbeitswelt eingeführt.
Wenn es Minister Buchinger ernst meint, wird auch er von Bundesseite
einen größeren finanziellen Beitrag als einen Drittelanteil an den
Pflege-Mehrkosten anbieten müssen. Kritikern kann er entgegenhalten:
Wenn man hochrechnet, wie viel sich der Staat durch die
Nicht-Erhöhung des Pflegegeldes über Jahre erspart hat, zahlen sich
tausende Betroffene das eigentlich selbst.
Wenn Burgstaller nicht weiß, wo sie das Geld hernehmen soll -
nochmals einen Blick in den Regierungspakt werfen, Frau Landeschefin!
Da ist auch davon die Rede, dass die Länder endlich bei der
Harmonisierung der Beamtenpensionen mitmachen sollen. Da ließe sich
Geld sparen. Auch Salzburg hat da seine Hausaufgaben nicht voll
erledigt. "Fair-und-gerecht"-Vorkämpfer Ex-Landesrat Buchinger kann
Ihnen sicher wertvolle Tipps geben.
Burgstaller ist überdies noch bis Jahresmitte Vorsitzende der
Konferenz der Landeshauptleute. Wie wär's, wenn sie diese Zeit nützt,
den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und den Wiener Bürgermeister
Michael Häupl zu weiter reichenden Reformen der Pensionen ihrer
Landesbeamten zu animieren? Das wäre jedenfalls zehnmal sinnvoller,
als eine neue Angabe im unwürdigen Pingpong-Spiel mit dem Bund um die
Pflegekosten zu machen.
Rückfragehinweis:
Die Presse
Chef v. Dienst
Tel.: (01) 514 14-445
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