• 26.03.2007, 18:05:46
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DER STANDARD-Kommentar "In der Geisterbahn" von Luise Ungerboeck

Das Milliarden-Verkehrspaket ist erschreckend wenig zukunftsweisend -- (Ausgabe vom 27.3.2007)

Wien (OTS) - Allein der Ort der Präsentation hat Symbolcharakter.
Verkehrsminister Werner Faymann und Finanzminister Wilhelm Molterer
haben ihr Milliardenausbauprogramm für Straße und Schiene am Montag
nicht im Verkehrsministerium präsentiert, sondern im
Finanzministerium.
Dass verkehrspolitische Weichenstellungen Vorrang haben würden beim
Infrastrukturausbau, war allerdings ohnehin nicht (mehr) zu erwarten
gewesen. Zu weit hatte Faymann die Hosen bei seiner Bundesländertour
bereits hinuntergelassen, um Prestigeprojekte wie Koralmtunnel und
Wiener Zentralbahnhof retten zu können.
Ein paar Überraschungen sind dem obersten Verkehrsplaner des Bundes
dennoch gelungen. Zum Beispiel, dass der seit mehr als zwei Monaten
als unfinanzierbares Wunschkonzert der Landesfürsten gebrandmarkte
Bundesverkehrswegeplan noch immer gilt. Er wurde sogar noch um ein
paar Geisterbahnen wie die Verlängerung der Nordautobahn von
Mistelbach bis zur tschechischen Grenze angereichert. Diese Strecke
würde mangels Verkehrsfrequenz und Anbindung an das tschechische
Autobahnnetz nicht einmal die Asfinag bauen, geschweige denn private
Financiers. Gleiches gilt für die S34, die Umfahrung St. Pölten bei
Wilhelmsburg. Sie wird als Anfang für einen zweiten Ring um Wien
gewertet und es darf bezweifelt werden, dass es diesen Ring jemals
geben wird. Dafür wird mit dieser Anbindung an die Westautobahn
Pendlerverkehr nachhaltig von öffentlichen Verkehrsmitteln auf die
Straße gebracht.
Solche Millioneninvestitionen als Beweis für den
"verantwortungsvollen Umgang" mit dem Geld des Steuerzahlers zu
bezeichnen, wie die beiden Minister nicht müde wurden zu betonen, ist
eine Beleidigung für den Hausverstand. Es ist sogar zu bezweifeln,
dass der Umgang mit der Bauwirtschaft, dem größten Profiteur des elf
Milliarden Euro großen Infrastrukturinvestitionspakets, ein
verantwortungsvoller ist. Denn mit öffentlichen Investitionen
jenseits der Drei-Milliarden-Euro-Grenze pro Jahr läuft man Gefahr,
die Baukonjunktur zu überhitzen, wie Faymann im Standard-Interview
vor zwei Monaten sorgenvoll eingeräumt hatte.
Aber jetzt zählen nur mehr Jobs, auch wenn es überwiegend
unattraktive für überwiegend aus dem Ausland kommende
Bauhilfsarbeiter sind - und die berühmten volkswirtschaftlichen
Effekte.
Letztere sind ganz besonders praktisch, sie brauchen die Politiker
nämlich nicht einmal in einer Kosten-Nutzen-Analyse aufschlüsseln,
wie das Beispiel Koralmbahnausbau zeigt. Obwohl das Transportvolumen
insgesamt und das auf der Straße im Besonderen massiv steigt und
jenes auf der Schiene sinkt - in Osteuropa teilweise sogar in
absoluten Zahlen, nicht nur anteilig - ist es der Bundesregierung
lieber, ein (unnötiges) Milliardenloch zu bauen, als zwei. Dabei gibt
es bereits ein Negativbeispiel:die um mehr als zwei Milliarden (um
800 Millionen mehr als geplant) pompös ausgebaute Unterinntalbahn.
Ihr fehlt es an Verkehrsfrequenz, dafür ist sie die teuerste
Lärmschutzwand Europas.
Nachgerade putzig ist vor diesem Hintergrund die Ansage, dass sich
das ambitionierte Bauprogramm schon irgendwann einmal rechnen wird,
so, wie man schließlich heute noch vom Bahnausbau in der Kaiserzeit
profitiere. Das ist grundsätzlich richtig. Das Problem ist nur, dass
sich die Welt seit damals ein bisschen verändert hat. Güter werden
heute nicht mehr ein paar Kilometer mit dem Pferdefuhrwerk
transportiert, sondern hunderte Kilometer mit dem Lkw, was manche
Regionen zur Verkehrshölle macht.
Bleibt die Frage, was an der ungebremst fortschreitenden Verschuldung
durch den Infrastrukturausbau verantwortungsvoll ist. Straßenbau in
bevölkerungs- und industriearmen Zonen wie Wald- und Mühlviertel kann
nicht der Weisheit letzter Schluss sein, wenn gleichzeitig der Zwang
fehlt, die Frächter auf die Bahn zu bringen. Diese Chance hat die
neue Regierung vertan.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70/445

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