• 24.11.2006, 12:00:00
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  • OTS0140 OTW0140

WIFO-Weißbuch: Verpflichtendes Kindergartenjahr

Lehre mit Matura - Erleichterung und Verbesserung der Bildungskarenz

Wien (WIFO) - Die Einführung eines verpflichtenden
Kindergartenjahres, das flächendeckende Angebot der
Berufsreifeprüfung parallel zur Lehrlingsausbildung sowie die Reform
der Bildungskarenz sind nur einige Vorschläge, die das WIFO in der
Teilstudie "Aus- und Weiterbildung" im Rahmen seines Weißbuches "Mehr
Beschäftigung durch Wachstum auf Basis von Innovation und
Qualifikation" erarbeitet hat.

Eine möglichst frühzeitige Förderung von Schülerinnen und Schülern
ist eine wichtige Maßnahme gegen ein späteres Scheitern im
Bildungsprozess und wirkt der Verfestigung sozioökonomischer
Benachteiligungen entgegen. Die Einführung eines verpflichtenden
Kindergartenjahres soll helfen, mögliche Schwächen frühzeitig zu
erkennen und die Chancengleichheit zum Schulbeginn zu erhöhen.
Insbesondere Kinder aus bildungsfernen Schichten, die hinter dem für
ihr Alter charakteristischen Qualifikationsprofil zurückbleiben,
können ohne Frühförderung im Kindergarten die Benachteiligungen durch
das familiäre Umfeld häufig nicht mehr ausgleichen. Vor allem durch
die Behebung sprachlicher und sozialer Defizite kann die
Chancengleichheit im Bildungssystem verbessert werden.

Angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit eines Übertritts aus
der Lehre in die tertiäre Ausbildung sollte neben der traditionellen
Lehrausbildung eine Lehrausbildung angeboten werden, die mit der
Reifeprüfung abschließt. Die entsprechenden Vorbereitungskurse für
die Berufsreifeprüfung könnten im Rahmen der Lehrausbildung an den
Berufsschulen als frei wählbares Zusatzmodul angeboten werden.
Derzeit wird die Berufsreifeprüfung in einigen Berufsschulen parallel
zur Lehrlingsausbildung angeboten - allerdings nicht flächendeckend
und nicht für alle Berufssparten. Durch die frühe Verschränkung von
Lehrberufsausbildung und Matura soll die Berufsreifeprüfung
attraktiver werden. Der Anteil der Studierenden mit einem Lehr- oder
Fachschulabschluss als Vorbildung ist vergleichsweise gering: Im
Wintersemester 2004/05 wiesen nur 2,9% der erstmals zugelassenen
ordentlichen Studierenden an wissenschaftlichen Universitäten eine
Studienberechtigungs- bzw. Berufsreifeprüfung auf. An den
Fachhochschulen hatten im Studienjahr 2003/04 12,2% der neu
aufgenommenen Studierenden keinen traditionellen Zugang, davon 5,6%
eine Berufsreifeprüfung oder Studienberechtigungsprüfung.

Auch das derzeitige Modell der Bildungskarenz sollte reformiert
werden, da es kaum in Anspruch genommen wird (2005: 1.358 Personen).
Anspruchsvoraussetzung in der derzeitigen Ausgestaltung ist ein
mindestens 3 Jahre ununterbrochenes Arbeitsverhältnis. Die
Bezugsdauer liegt zwischen 3 und 12 Monaten. Das Weiterbildungsgeld
beträgt derzeit 14,53 Euro pro Tag (Höhe des Kindergeldes) und ist
mit einem Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsschutz
verbunden. Der Reformvorschlag sieht eine Anhebung des
Weiterbildungsgeldes auf die Höhe des individuellen fiktiven
Arbeitslosengeldanspruchs (durchschnittlicher Arbeitslosengeldsatz im
Jahr 2005: 24,10 Euro pro Tag) vor. Eventuell könnte ein höheres
Weiterbildungsgeld in Abhängigkeit von der sozialen Bedürftigkeit
oder dem Grad der formalen Ausbildung gewährt werden. Die
Anspruchsvoraussetzungen sollten analog dem Selbsterhalterstipendium
geregelt werden, das über 3 Jahre jährliche Mindesteinkünfte von
7.272 Euro vorsieht. Die Mindestdauer der Bildungsmaßnahme (3 Monate)
sollte erhalten bleiben, die Höchstdauer jedoch flexibler gehandhabt
und an die Dauer der Bildungsmaßnahme gekoppelt werden.

Daneben sollten Modelle einer Teilzeit-Bildungskarenz angeboten
werden, in der Personen mit höchstens Lehr- oder Fachschulabschluss
den formalen Bildungsabschluss (Haupt-, Lehr- oder
Fachschulabschluss, Matura) nachholen können. Je nach Ausmaß der
Reduktion der Arbeitszeit sollte ein aliquoter Teil des
Weiterbildungsgeldes (fiktiver Arbeitslosengeldanspruch) steuerfrei
zustehen. Das Teilzeitkarenzmodell würde im Fall eines
Alleinverdieners (Arbeiter, verheiratet, 1 Kind) mit einem
Bruttomonatsgehalt von 1.500 Euro und einer Arbeitszeitverringerung
von 38 auf 30 Stunden pro Woche Kosten von 4,84 Euro pro Tag
verursachen. Für den Alleinverdiener würde sich der
Nettoeinkommensverlust von 234 Euro auf 89 Euro pro Monat reduzieren.

Julia Bock-Schappelwein (Koordination), Ulrike Huemer, Andrea Pöschl,
WIFO-Weißbuch: Mehr Beschäftigung durch Wachstum auf Basis von
Innovation und Qualifikation. Teilstudie 9: Aus- und Weiterbildung
als Voraussetzung für Innovation, WIFO-Studie im Auftrag von
Wirtschaftskammer Österreich, Bundesarbeitskammer, Österreichischem
Gewerkschaftsbund und Landwirtschaftskammer Österreich, mit
finanzieller Unterstützung von Oesterreichischer Nationalbank,
Androsch International Consulting, Investkredit, Gewerkschaft Metall
- Textil, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Oberbank AG, D.
Swarovski & Co, Rauch Fruchtsäfte Ges.m.b.H., November 2006, 65
Seiten, 40 Euro, Download 32 Euro:
http://publikationen.wifo.ac.at/pls/wifosite/wifosite.wifo_search.get
_abstract_type?p_language=1&pubid=27448

Rückfragehinweis:

Mag. Ulrike Huemer
   Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung - WIFO
   Tel. +43 1 798 26 01-229 * Fax. +43 1 798 93 86
   mailto:Ulrike.Huemer@wifo.ac.at
   Mag. Gernot Hutschenreiter

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