- 06.11.2006, 10:11:44
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20 Jahre Gruft: Ein Ort für obdachlose Menschen in Wien
Landau und Brauner betonen Wichtigkeit dieser Einrichtung
Wien (OTS) - Seit 20 Jahren gibt es nun die "Gruft" in den Räumen
unterhalb der Mariahilferkirche. Die Initiative zur Errichtung einer
Wärmestube für obdachlose Menschen kam damals vom Pfarrer der Kirche,
Pater Albert Gabriel, und den SchülerInnen des Amerling-Gymnasiums.
Was mit Schmalzbroten und Tee begann, ist heute Wiens wohl
bekannteste Obdachloseneinrichtung. Ein Grund zurückzublicken und
Bilanz zu ziehen.
"Seit 20 Jahren unterstützt das Team der Gruft Menschen, die ihre
Wohnung verloren haben und auf der Straße stehen, beim schwierigen
Weg zurück in die Gesellschaft. Die Gruft hat sich in dieser Zeit zu
einem wichtigen Bestandteil der Wiener Wohnungslosenhilfe entwickelt
und ist aus dem Netz unserer Angebote nicht mehr wegzudenken", betont
Sozialstadträtin Mag.a Renate Brauner.
"Dass es nach 20 Jahren immer noch notwendig ist, einen Raum wie
die Gruft anzubieten, ist eigentlich kein Grund zum Feiern", sagt
Caritasdirektor Michael Landau anlässlich des runden Jubiläums. Die
Caritas hat vor zehn Jahren, im Juli 1996, die Leitung der Gruft
übernommen. Zur Essenausgabe sind im Lauf der Jahre weitere Angebote
gekommen - Sanitäranlagen und Waschmöglichkeiten, Kleiderausgabe,
Schlafmöglichkeit, sozialarbeiterische Beratung, Nachtstreetwork.
Einmal pro Woche kommt eine Friseurin. Der Louisebus der Caritas zur
medizinischen Betreuung macht regelmäßig zwei Mal pro Woche Station.
In Kürze wird auch wieder ein Psychiater zwei Mal pro Woche für
Gespräche zur Verfügung stehen.
Das Betreuungszentrum Gruft ist eine niederschwellige
Einrichtung, das heißt, jeder und jede Bedürftige kann die Angebote
in Anspruch nehmen - rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag. Insgesamt 24
hauptamtliche MitarbeiterInnen inklusive Zivildiener und 60
Ehrenamtliche kümmern sich um die Bedürfnisse der Obdachlosen. Dazu
zählen auch Freizeit- und Sportangebote wie gemeinsames Laufen und
Fußballspielen. Finanziert wird die Einrichtung zur Hälfte aus
Mitteln der Stadt Wien (Fonds Soziales Wien), für den Rest ist die
Caritas auf Spenden angewiesen.
Mehr Essensausgaben, weniger Nächtigungen
Aussagekräftige Statistiken liegen leider erst für die Zeit seit
1996 vor. Das Durchschnittsalter der BesucherInnen ist gesunken und
liegt derzeit bei 43 Jahren. Die meisten Besucher sind Männer, der
Frauenanteil liegt bei etwa 14 Prozent.
Die Zahl der ausgegebenen Essen ist in den letzten Jahren
deutlich angestiegen, für Caritasdirektor Landau auch ein Zeichen
dafür, dass die Not in unserem Land wächst. Wurden im Jahr 2000 noch
60.497 Mahlzeiten ausgegeben, so waren es im Jahr 2005 71.234
Mahlzeiten (Anstieg sowohl bei Mittag- als auch bei Abendessen), das
sind durchschnittlich 203 Mahlzeiten pro Tag. "Es sind nicht mehr nur
obdachlose Menschen, die zu Mittag eine warme Suppe in der Gruft
essen. Als Caritas sehen wir Tag für Tag in unseren Einrichtungen,
dass Menschen sich Miete, Strom und Essen nicht mehr leisten können.
Sichtbare Obdachlosigkeit ist nur die Spitze des Eisbergs!", erklärt
er.
Eine auf den ersten Blick erfreuliche Entwicklung gibt es bei den
Übernachtungen zu beobachten: Ihre Zahl ist von 38.069 im Jahr 1995
auf nur 27.133 Übernachtungen im Jahr 2005 zurück gegangen - das
entspricht etwa 74 Personen pro Nacht. Im Winter ist die Zahl
kältebedingt meist deutlich höher: bis zu 120 Personen schlafen dann
im einzigen Raum der Gruft auf dem Boden.
Stadt Wien baut Angebot laufend aus
Dieser "Erfolg" ist darauf zurückzuführen, dass die Stadt Wien
gemeinsam mit ihren Partnerinnen und Partnern in den vergangenen
Jahren eine Reihe von Notquartieren und anderer neuer Einrichtungen,
speziell auch für ältere obdachlose Menschen, geschaffen hat. Seit
2004 haben zehn neue Obdachlosenhäuser ihren Betrieb aufgenommen.
Dabei handelt es sich um ein Betreuungsangebot, das zielgruppen- und
geschlechtsspezifisch ist.
"Unsere Einrichtungen für wohnungslose Menschen sind so
unterschiedlich wie die Bedürfnisse der Betroffenen. Die Stadt Wien
hat sich in der Wohnungslosenhilfe zum Ziel gesetzt, dass jede und
jeder die individuelle Unterstützung bekommt, die sie oder er
braucht. Dieses maßgeschneiderte und an den Bedürfnissen und
Notwendigkeiten unserer KlientInnen orientierte Angebot werden wir in
den nächsten Jahren noch weiter ausbauen", erläutert Brauner.
Auch die Caritas hat in Kooperation mit der Stadt Wien in den
vergangenen Jahren ihr Angebot ausgebaut, unter anderem mit dem Haus
Allerheiligen für ältere ehemals obdachlose Menschen, dem
Frauenwohnzentrum in der Leopoldstadt, der Jugendnotschlafstelle
a_way am Westbahnhof und dem neuen Haus Jona in der Cumberlandstraße.
1104 Menschen im Jahr 2005 in der Gruft sozialarbeiterisch
betreut
Im vergangenen Jahr wurden 1104 Menschen von den MitarbeiterInnen
der Gruft sozialarbeiterisch betreut, 733 waren es im Jahr 2000. Von
diesen 1104 KlientInnen konnten 440 in andere Einrichtungen
weitervermittelt werden, 164 davon in Einrichtungen des Fonds
Soziales Wien, 88 in andere Einrichtungen der Caritas, 154 in
Notquartiere der Caritas, aber auch anderer Träger.
Ein Drittel der KlientInnen wird bis zu sechs Monate in der Gruft
betreut, weitere 11 Prozent bis zu einem Jahr. Rund 16 %, das sind
178 Personen, waren im Jahr 2005 schon mehr als fünf Jahre in
Betreuung der Gruft. "Als `Erfolg` ist für uns zu werten, wenn jemand
sich auf uns und unsere Hilfe einlassen kann. Oft stellen wir in den
Gesprächen fest, wie viel Verletzung und Kränkung unsere KlientInnen
erlebt haben. Was dazu geführt hat, dass sie auf der Straße gelandet
sind - meist eine Trennung/Scheidung oder der Verlust des
Arbeitsplatzes", schildert die Leiterin der Gruft, Martina Pint, ihre
langjährige Erfahrung. "Diesen Menschen wieder ein Stück zurück ins
`normale Leben` zu helfen, ist für uns der schönste Lohn für unsere
Arbeit."
Nachtstreetwork - (über-)lebensnotwendig
Doch nicht alle Menschen, die Hilfe brauchen, finden den Weg in
die Gruft, obwohl das Angebot so niedrigschwellig wie möglich
gehalten ist. Deshalb fahren die MitarbeiterInnen drei Mal in der
Woche aus, um jene zu suchen und zu finden, die sozialarbeiterische
und/oder medizinische Betreuung brauchen. Im Jahr 2005 wurden 450
KlientInnen an 98 verschiedenen Orten in ganz Wien (Karlsplatz,
Praterstern, Franz-Josefs-Bahnhof, Esterhazyplatz, Neubaugasse und
andere) regelmäßig vom Nachtstreetwork-Team der Caritas
aufgesucht/betreut.
Die Caritas der Erzdiözese Wien bietet insgesamt etwa 800 Plätze
für obdachlose Menschen (inklusive Startwohnungen) an, davon 250
Notquartieren für Obdachlose. "Wichtig ist uns das maßgeschneiderte
Angebot für die Bedürfnisse der Betroffenen", so Landau. "Es geht
darum, Menschen so anzunehmen wie sie sind. Wo immer es möglich ist,
wollen wir den Menschen aber auch Mut machen für einen Neubeginn und
sie dabei unterstützen. Denn eines ist klar: warm, satt und sauber
allein ist nicht genug."
Die Wiener Wohnungslosenhilfe in Zahlen
Der Fonds Soziales Wien (FSW) als Einrichtung der Stadt Wien ist
neben vielen anderen sozialen Aufgaben dafür zuständig, Wohn- und
Nächtigungsplätze, Beratungs- und Betreuungsangebote für wohnungslose
Menschen zur Verfügung zu stellen. Der FSW finanziert bzw.
kofinanziert die Leistungen, die von KooperationspartnerInnen in
dessen Auftrag erbracht werden. Die Caritas der Erzdiözese Wien wird
beispielsweise im Jahr 2006 vom FSW mit insgesamt 6,4 Mio. Euro
gefördert. Damit werden 16 verschiedene Projekte der Caritas in der
Wohnungslosenhilfe unterstützt.
"Die Caritas der Erzdiözese Wien ist ein langjähriger
verlässlicher Partner der Stadt Wien bei der Betreuung und
Unterstützung obdachloser Menschen. Gemeinsam mit allen anderen
Partnern in der Wiener Wohnungslosenhilfe werden wir auch in Zukunft
gezielt helfen, den weiteren sozialen Abstieg unserer KlientInnen zu
vermeiden und dauerhafte Wohnungslosigkeit zu verhindern", so
Brauner.
Das Gesamtangebot der Wiener Wohnungslosenhilfe - mit allen
Partnerinnen und Partnern - besteht aus insgesamt 42 Einrichtungen:
- acht ambulanten Einrichtungen (Tageszentren, Beratungsstellen, dem
medizinischen Betreuungsbus "Louise")
- 23 Übergangswohneinrichtungen (Nächtigerquartiere,
Übergangswohnhäuser allgemein, Zielgruppenwohnhäuser z.B. für Frauen,
Betreutes Wohnen in Wohnungen vor allem für Familien)
- elf Dauerwohnhäusern
Das Budget der Wiener Wohnungslosenhilfe beträgt im Jahr 2006
rund 22,5 Mio. Euro. Auf den insgesamt rund 2.700 Wohnplätzen werden
pro Jahr durchschnittlich 4.500 Personen betreut.
Rückfragehinweis:
Mag.a Doris Becker Pressesprecherin Caritas der Erzdiözese Wien Tel.: (++43-1) 87812 - 221 od. 0664/8482618 mailto:dbecker@caritas-wien.at http://www.caritas-wien.at Mag. Stefan Hirsch, Mediensprecher Stadträtin Mag.a Renate Brauner, Tel. 01/4000-81231, Mobil: 0664/431 10 13, E-Mail: hir@ggs.magwien.gv.at
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