• 18.09.2006, 12:13:41
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KOCH: DIE MAUER EXISTIERT NOCH IM KOPF DER LITERATUR

Präsentation des Ungarnromans "Das Leben des János" am 19.9. in Wien

Wien (OTS) - Am Dienstag, den 19.9., präsentieren Collegium
Hungaricum Ungarisches Kulturinstitut und der Wieser Verlag in einer
gemeinsamen Veranstaltung in Wien den Ungarnroman des
österreichischen Schriftstellers Wolfgang Koch. Er legt als einziger
deutschsprachiger Autor im Bücherherbst 2006 einen literarischen
Stoff zum 50jährigen Jubiläum der Ungarische Revolution vor.

"Mit János Abenteuern setzen wir unsere Wanderung durch den
europäischen Kontinent fort", erklärt Verleger Lojze Wieser. "Mit der
erfolgreichen Reihe EUROPA ERLESEN verfolgen wir seit 1997 die
Kultur- und Literaturgeschichte der europäischen Länder über grosse
Zeiträume zurück. Mit dem Roman von Koch setzen wir unser
Verlagsprogramm nun einen Schritt in die Zukunft fort. Denn es ist
höchst erfreulich und eine Frucht unserer Arbeit, wenn ein Autor
deutscher Zunge seinen Stoff bei den Nachbarn in Süd- und Osteuropa
sucht."

"Die Mauer aus dem Kalten Krieg verläuft noch immer mitten durch
den Kopf der Literatur", kritisiert Wolfgang Koch deutsche und
österreichische Kollegen. "Kosice, Budapest oder Mostar als
Schauplatz eines Romans zu wählen ist den meisten Literaten so fremd
wie die radikale Kleinschreibung.

Ich finde das lächerlich! Warum müssen neue deutsche Romane immer
in schicken Londoner Clubs, holländischen Reisekutschen oder
Hongkonger Hotelsuiten spielen? Kulturelle und historische Ignoranz
gegenüber den Nachbarn ist doch schlimmer als Dummheit!"

Koch kommentiert seit Jahren scharfzüngig das Zeitgeschehen. Der
Autor, dessen fünfbändige Kriegskulturgeschichte der Neuzeit
("Geschichte der Gewalt") ebenfalls im Wieser Verlag erscheint,
empfiehlt für die bevorstehenden Nationalratswahl eine Stimmenabgabe
zugunsten von Rotgrün.

Nach einer Polemik in der Tageszeitung "Der Standard" im Juni
gegen die Absetzung des Wiener Pflegeombudmanns Werner Vogt durch die
sozialdemokratische Stadtregierung, forderte das Wiener Gratisblatt
"Heute" in einer mehrtägigen Kampagne sogar ein Pubilkationsverbot
für Koch, ohne dass dieser Drohung von Seiten der Schriftsteller-
oder Jouralistenverbände widersprochen worden wäre. - "Die
selbsternannten Hüter der Meinungsfreiheit schlummern friedlich in
ihren gut subventionierten Pölstern!", so der Publizist.

Enttäuscht ist Koch auch von den Jubiläumsausstellungen zum 50.
Jahrestag der Ungarnrevolution in Wien und Eisenstadt. "Beide Schauen
wirken wie schwer unterdotierte Pflichtveranstaltungen der Museen."
Intellektuelle Analysen in Medien würden bloss die Frage erörtern, ob
die Volkserhebung im Oktober 1956 nun ein Aufstand oder eine
Revolution gewesen sei. "Der Militärhistoriker Manfred Rauchensteiner
spricht sogar zynisch von einer Konterrevolution". - Dies sei, so
Koch, exakt die Diktion der damaligen Panzerkommunisten, die
behaupteten haben, dass dem Protest 1947 eine "Revolution"
vorausgegangen sei.

"Die Wahrheit ist, dass ab 1947 Schauprozesse gegen politische
Gegner in Ungarn stattgefunden haben, es wurden Strafverfahren gegen
650.000 Staatsbürger eingeleitet, sechzigtausend Personen
verschwanden in Lagern.

Mehr als zehntausend Familien von ehemaligen Aristokraten,
Großbürgern, höheren Beamten oder Offizieren der Vorkriegszeit wurden
aus der Hauptstadt ausgewiesen und brutal umerzogen. Im Leben einer
jeder Gesellschaft gibt es Zeiten, wo sich Revolutionen mit
gebieterischer Notwendigkeit aufdrängen, aus diesem und keinem
anderen Grund haben die Ungarn gegen die Tyrannei der Stalinisten
gekämpft!" - Im Oktober 1956 sei im ganzen Land ein Bedürfnis nach
einem neuen Leben fühlbar geworden, das KP-Regime sei bereits eine
Ruine gewesen und die Ungarische Revolution habe vollkommen neue
Ideen formuliert: die Forderung nach aussenpolitische Neutralität
nach dem Muster Österreichs zum Beispiel, oder eine Verbindung von
Mehrparteiendemokratie mit stark sozialisierter Wirtschaft.

DER ROMAN

János kommt als Spross gutbürgerlicher ungarischer Juden zur Welt
und wächst in behüteten Verhältnissen in Budapest auf. Als 1944 die
Pfeilkreuzler mit Hilfe der Deutschen die Macht ergreifen, heiratet
er die Liebe seines Lebens - und landet mit einem Magendurchbruch im
Ghettospital. Nach der Befreiung wird János überzeugter Kommunist,
bis die Diktatur 1956 das Fass zum Überlaufen bringt. János flüchtet
ins westliche Ausland, holt seine Familie nach und startet eine
Karriere bei einer internationalen humanitären Organisation. Die
Schauplätze wechseln: Libanon, Italien, Polen, doch das Elend scheint
kein Ende zu nehmen... Ein Roman über eine Epoche, in der die Welt
noch anders mit Flüchtlingen umging als heute.

DAS BUCH

Wolfgang Koch: Das Glück des János. Roman, 280 Seiten, gebunden,
EUR 18,80, ISNB-10 3-85129-635-4

DER AUTOR

Wolfgang Koch, 47, lebt als Schriftsteller und Journalist in Wien,
debütierte in den 80er-Jahren mit Erzählungen, schreibt Drehbücher
und Bühnenwerke und arbeitet an einer fünfbändigen
Kriegskulturgeschichte der Neuzeit, die im Wieser Verlag erscheint

PRÄSENTATION

Dienstag, 19. September, 19.00 Uhr im Collegium Hungaricum
Ungarisches Kulturinstitut, 1020 Wien, Hollandstraße 4, Grosser Saal.
Es lesen der Autor und die Schauspielerin Konstanze Breitebner. Mit
dem Autor spricht: Lojze Wieser, Wieser Verlag

Wir laden alle Redaktionen sehr herzlich ein!
Wieser Verlag

Leseproben:

So war ich im heißen Herbst immer noch Mitglied in der großen
kommunistischen Partei, aber ohne viel Hoffnung, als es losging. Ich
zweifelte an den Versammlungen in der Universität, wo Studenten aus
Arbeiterfamilien in der Mehrzahl waren.

Die Revolte begann am zwanzigsten Oktober im Auditorium Maximum
der Universität Szeged, wo Studenten nach dem Vorbild der
1848er-Revoluzzer zwölf Punkte formulierten, die es in sich hatten.
Am nächsten Tag schlossen sich die Kommilitonen der Technischen
Universität in Budapest an, fügten zwei Punkte hinzu, und als sich
der Rundfunk weigerte, den Katalog zu verlesen, besetzten junge
Männer mit den dickrandigen Brillen und junge Frauen mit
hochgestecktem Haar die Vervielfältigungsmaschinen im Keller der
Universität. Sie druckten Flugblätter.

Am Nachmittag legten ein paar besonders Mutige einen Kranz am
Denkmal von General Bem nieder, einem dieser Freiheitsheroen gegen
Habsburg.

Am nächsten Morgen wucherten an den Hauswänden primitiv mit
Schablonen gemalte Plakate, die unsere vierzehn Forderungen bekannt
machten ... dass die Sowjetsoldaten nach Hause gehen sollen ... dass
der Warschauer Pakt aufgehoben ... dass unser Land Mitglied einer
Donau-Förderation werden muss.

Eine neue Opposition im Land wachte auf, »Neutralität« war das
Wort der Stunde - das Muster Jugoslawiens, der Schweiz und das gerade
erst ein Jahr alte Strickmuster Österreich zog unsere Fantasien an.
In unmittelbarer Nachbarschaft, bitte, waren die Sowjets erstmals
freiwillig abgezogen - ganz ohne Streit und Blutvergießen. »Wenn es
Österreich kann, warum nicht wir?«

Niemand fühlte anfangs eine persönliche Feindschaft gegen die
sowjetischen Soldaten, nirgends. Doch als die Nachricht eintraf, dass
Polen eine größere Unabhängigkeit von der UdSSR zugestanden wurde, da
blieb es nicht mehr bei Studentenversammlungen und Plakaten.

Alles, was laufen konnte, versammelte sich gegen fünfzehn Uhr vor
der Petöfi-Statue in Pest. Petöfi war im Aufstand gegen Habsburg ganz
vorne dabei gewesen.

Die Sonne stand schräg und das Blau meißelte die Burg über uns
heraus. Ein paar Professoren waren in der Menge, einige führten
ungarische und polnische Nationalflaggen mit sich.
Den Demonstranten schlossen sich die Arbeiter an, die nach
Schichtwechsel aus den Außenbezirken ins Zentrum fuhren. Erste
Flaggen mit herausgeschnittenem kommunistischem Wappen waren zu
sehen.

Ich hatte das Büro vorzeitig verlassen und zog mit den anderen
nach Buda, wo sich uns die Studenten der Militärakademie für
Politoffiziere, des Polytechnikums, der Landwirtschaftlichen
Hochschule und der Hochschule für Leibesübungen anschlossen. Die
Studenten des Lenin-Marx-Instituts kreuzten mit roten Fahnen auf.
Ich sah Ilona mit den anderen aus dem Polytechnikum kommen, wollte
ihr gerade zuwinken, als ich durch ihr Lächeln irritiert wurde. Sie
schenkte es einem Kollegen.

Der Himmel bewegt sich leicht. Ich dachte: »Der Jüngling ist nicht
übel dran«, und meine Hand rührte sich nicht zum Gruß.
Ich schaute ins Nichts neben den Fahnen. Die Stadt blitzte auf, es
war ein grandioses Durcheinander.

Während eine Menschenmenge am Stadtwäldchen versuchte, eine
riesenhafte Stalin-Statue aus der Verankerung zu reißen, sammelten
sich Hunderttausend vor dem Parlamentsgebäude. Ungarische Soldaten in
ihren sowjetisch geschnittenen Uniformen riefen: »Schickt die Rote
Armee nach Hause!« Andere ließen Nationalfahnen ohne Wappen aus einem
Fenster hängen. Links von mir sangen welche glückselig die
Marseillaise, weiter vorne welche die Kossuth-Hymne und alle
gemeinsam die Internationale. Männer riefen »Freiheit« und
»Demokratie!« und »Tod für Rákosi!«, dem man alles Böse der letzten
Jahre zuschrieb.

Wir hatten keine Anführer und verließen uns darauf, dass uns der
Mut lenken werde.

Nur meiner war gerade dabei mich zu verlassen.
Ich hatte Ilona und mich nie von außen gesehen, verglich uns kaum mit
anderen Paaren.

Das Wetter schlug um, vom Nordosten her strömten kleine Wolken
herbei.

War ich in diese alte Geschichte geraten, die immer neu bleibt -
und wem sie just passieret, dem bricht das Herz entzwei? Ich hatte
noch nie Eifersucht verspürt, nun aber folgte ich schon einer Weile
der Gruppe aus dem Polytechnikum, trippelte unauffällig dem Paar
hinterher und vergaß den Anlass meines Mitmarschierens.
Ilona und der Fremde hielten vor einem Hauseingang, dann waren sie
verschwunden. Wohnte er an dieser Adresse, hatte sie gesagt: »Ich
komme noch kurz mit«?

Wir hatten keine Anführer, aber wir hatten einen Helden der
Stunde. Das war der frühere Ministerpräsident Imre Nagy, ein
Reformkommunist, der sich nur wenige Jahre an der Macht hatte halten
können. Er war einer Säuberungsaktion von Stalins Häschern zum Opfer
gefallen - und erst im Laufe der letzten Wochen war er wieder in den
inneren Kreis der Partei aufgenommen worden.
Ich stand nahe dabei, als Nagy gegen einundzwanzig Uhr zur
Demonstration stieß. Er erschien in einem Fenster des Parlaments,
erhellt von einer Schreibtischlampe.

Die Versammelten applaudierten sofort und forderten ihn auf zu
sprechen. Aber nur wenige konnten ihn hören. Als Nagy mit »Liebe
Genossen« begann, wurde er ausgepfiffen.

Als er uns sagte, die Lage sei sehr kompliziert, und jeder solle
nach Hause gehen und die Entwicklung abwarten, setzte wieder das
Pfeifenkonzert ein. Zu Hause waren wir jetzt elf Jahre gesessen,
niemand provozierte, alles verhielt sich friedlich.
»Warum pfeift ihr mich aus?« fragte Nagy.

Einer rief: »Wir pfeifen nicht dich aus, sondern deine Worte«. Ich
dachte, das sei René, es klang wie seine Stimme.
Dann setzte ein langes betretenes Schweigen ein. Wir stiegen von
einem Fuß auf den anderen. - Das da sollte unser großer Held des
Aufstands sein?

Dieser übervorsichtige Mann? Was war los, fürchtete er den Dritten
Weltkrieg auszulösen?

Nach einer halben Ewigkeit forderte uns Nagy auf die Nationalhymne
zu singen und sang selbst mit.
Der ganze Platz stimmte ein. Ich auch.
Zur selben Zeit machten sich Panzer aus Südosten und Südwesten auf
dem Weg.

Morgens gegen zwei erreichte der erste unsere Straße. Ich saß
immer noch hellwach im Fauteuil. Ilona war um 23.03 Uhr heimgekehrt
und schnurstracks zu Bett gegangen.

Es waren aufreibende Tage. Budapest durchlief innert zweier Wochen
seinen heißen Februar, seinen heißen Oktober und seinen kalten Juli.
Winterpalast, Kronstadt und Barcelona, alles im Schnelllauf - die
historischen Episoden folgten aufeinander wie die Sonderausgaben
einer vielgelesenen Zeitung.

Es gab Studentenparlamente, dann Arbeiter- und Revolutionsräte.
Man trat mit sofortiger Wirkung da ein und dort aus, man richtete
Appelle an die halbe Welt.

Die Stimmung unter den Jungen hatte etwas Aufwühlendes, Fahnen und
Flugblätter im Wogen eines ruhelosen Himmels. Der Eiserne Soldat aus
der Zeit des Weltkriegs wurde zerstört.
Dann verbot der Innenminister die Umzüge. Am Abend wurde die
Roma-Musik im Radio abrupt unterbrochen, und eine Stimme verlas ein
Kommunique:

»Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung untersagt der
Minister des Inneren bis auf weiteres alle öffentlichen
Zusammenkünfte und Demonstrationen.« Ein paar Stunden später wurde
das Musikprogramm erneut gestört, und jetzt verkündete derselbe
Sprecher des Sender Kossuth:

»Der Minister des Inneren hat das Verbot öffentlicher
Zusammenkünfte und Demonstrationen zurückgezogen.« Der
Polizeipräsident musste inzwischen dem Innenminister klar gemacht
haben, dass er nicht auf die Gefolgschaft der Polizei bauen konnte.

Eine Revolution ist im Grund eine einfache Sache. Sie findet durch
die Sinne Eingang in den Kopf, es gibt Lichter, gibt Farben,
Geräusche und Klänge.

Ich schwöre, dass am Anfang niemand von uns eine Waffe hatte. Erst
als die Falken des Politbüros mit ihrer Festigkeit drohten, schloss
sich uns die Staatspolizei an und verteilte an Studenten Waffen. Die
Staatspolizei, nicht die politische Polizei, früher ÁVÓ, jetzt ÁVH.
Das waren die Männer in sandfarbenen Uniformen und Tellermützen mit
dem roten Stern im Kolbenkranz - die waren gegen uns, diese
Staatsmächtler eröffnete das Feuer in die Menge vor dem
Rundfunkgebäude, sie waren es, die den Straßenkampf entfachten.
Die Arbeiter der Nachtschicht wussten ebenfalls, wo Waffen und
Munition zu holen waren. Am nächsten Morgen folgten die Offiziere und
Soldaten der gesamten Garnison dem Beispiel und gaben Waffen aus.

Abgesehen von der bolschewistischen Cousine war in meiner Umgebung
niemand begeistert. »Ich habe ein gutes Dutzend Bücher über die
Geschichte der Partei gelesen«, sagte sie, »eines verlogener als das
andere, aber jetzt verspüre ich zum ersten Mal die Atmosphäre der
Zehn Tage, die die Welt erschütterten.« Wer waren die Offiziere, die
die Depots öffneten, wer rückte die Waffen an die Unzufriedenen
heraus?

»Faschistische Agenten«, schwor René.
»Nein, das sind alles gestandene Kommunisten!« versicherte mein
Bruder.
»Vielleicht Horthy-Offiziere?«, warf ich ein.
»Aber, nein!«
»Westliche Spione?«
»Ein paar, sicher.«
»Nationalisten!«
»Ach, was! - Patrioten.«

Wir redeten uns heiser darüber, wie viel Nation, wie viel
Revolution Ungarn vertragen würde. Spätnachts klopften abwechselnd
die Kinder und die Schwiegereltern an die Türe, weil sie bei dem
Krach nicht schlafen konnten.

Wir begriffen nicht, dass dieser Geist, in dem wir am
dreiundzwanzigsten Oktober nebeneinander hergelaufen waren, in dem
wir Marseillaise, Kossuth-Hymne und Internationale fröhlich
durcheinander gesungen hatten, die Botschaft selbst war.
Woher auch?

Wir kannten ja keinen Pluralismus der Meinungen; wir fragten uns
in einem fort, was von den Aufmärschen nun Konterrevolution war und
was Freiheitskampf, ob sich am Nachmittag neue Hungaristen unter dem
schützenden Mantel der marxistischen Orthodoxie versteckten hatten,
in dem sie Lenin-Bilder vor sich hertrugen oder ob wir proletarischen
Internationalisten uns als ungarische Patrioten ausgeben mussten,
weil es nicht anders ging.

Demokratie hieß für uns nicht: Du bedeutest so viel wie ich,
Demokratie hieß immer noch: Ich bedeute so viel wie du.

[....]

Eine Revolution ist eine einfache Sache. Und solange wir gemeinsam
»Freiheit!« riefen, bewahrheitete sich dieser Satz. Als aber die
Waffe der Kritik in die Kritik der Waffen überging und man zu
schießen begann, wurde mir mulmig.

Wir jubelten Imre Nagy zu, und das war richtig und schön! Eine
Bewegung zur Freiheit, zum Besseren - keine Frage! Weg von der
russischen Unterdrückung, eine mildere Luft atmen, nieder mit der
Diktatur des Schlechten! - Konnte man überhaupt anders, als in der
Idee der Gleichheit etwas Gutes und Wichtiges sehen? Und war diese
Idee nicht missbraucht worden durch kommunistische Kader?
Niemand in Budapest bestritt, dass Ungarn eine Diktatur war.
Der seltene historische Fall trat ein: die gesamtnationale, Ausbeuter
wie Ausgebeutete erfassende Krise. Alle Menschen waren auf den
Beinen, die öffentlichen Gebäude wurden von Schaulustigen belagert,
man aß auf der Straße, man wurde von Fremden angesprochen, man
diskutierte ... Da war sie jetzt: die Revolution, eine prächtige und
stolze Dame - und wir?
Wussten wir wirklich nichts Besseres mit ihr anzufangen, als Pistolen
und Gewehre zu laden?

Die Lokomotive stand in voller Fahrt, aber wohin raste sie?
Auf ein Abstellgleis.

Noch herrschte überall Euphorie, aber die Stimmung auf der Straße,
in den Cafés, in den Versammlungen kippte, als Plünderer und
Rachsüchtige loszogen.

Der Schaum der Ideale zuckte in sich zusammen, als eines Morgens
die alten Hasstiraden an den Wänden standen, nicht nur gegen die
Kommunisten.

Rezensionsexemplare: Fr. Roblek: 0463/ 37 0 36 oder
mailto:hemma.roblek@wieser-verlag.com

Rückfragehinweis:
Wolfgang Koch, Tel.: 0699/ 124 629 56
www.collegium-hungaricum.at
www.wieser-verlag.com

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | IIF

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