• 23.03.2006, 21:45:38
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  • OTS0301 OTW0301

Justizausschuss: "Stalking" wird künftig unter Strafe gestellt Besserer Opferschutz auch durch weitere Änderungen im Strafgesetzbuch

Wien (PK) - Die beharrliche Verfolgung von Personen, besser bekannt
unter dem Stichwort "Stalking", wird künftig unter Strafe gestellt.
Wer etwa ständig einer Frau auflauert, sie wiederholt mit
unerwünschten Telefonanrufen belästigt oder in ihrem Namen
Kontaktanzeigen schaltet, kann künftig mit einer Freiheitsstrafe bis
zu einem Jahr bestraft werden. Ein entsprechender Vorschlag der
Regierung wurde heute vom Justizausschuss des Nationalrats mit den
Stimmen der Koalitionsparteien und der SPÖ gebilligt. Gleichzeitig
stimmten die Abgeordneten - teils einhellig, teils mehrheitlich -
weiteren Maßnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes und der
Aufnahme neuer Umweltstraftatbestände in das Strafgesetzbuch zu.

Die Genese des Entwurfs für ein Anti-Stalking-Gesetz hat zuletzt
starke öffentliche Beachtung gefunden. Der vom Justizausschuss
angenommene Gesetzentwurf sieht nunmehr vor, in das Strafgesetzbuch
einen neuen Straftatbestand "Beharrliche Verfolgung" aufzunehmen und
diesen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zu ahnden.
Was unter beharrlicher Verfolgung zu verstehen ist, ist exakt
festgelegt: "Beharrlich verfolgt eine Person, wer in einer Weise,
die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu
beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt 1. ihre
räumliche Nähe aufsucht, 2. im Wege einer Telekommunikation oder
unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über
Dritte Kontakt zu ihr herstellt, 3. unter Verwendung ihrer
personenbezogenen Daten Waren oder Dienstleistungen für sie bestellt
oder 4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte
veranlasst, mit ihr Kontakt aufzunehmen".

Darüber hinaus können Stalking-Opfer künftig bei Gericht
einstweilige Verfügungen beantragen, um ihre Privatsphäre vor
Eingriffen zu schützen. Das Gericht kann Stalkern etwa verbieten,
persönlichen, brieflichen, telefonischen oder sonstigen Kontakt mit
der gefährdeten Person aufzunehmen bzw. ein Aufenthaltsverbot für
bestimmte Orte verhängen. Kommt ein Stalker seinem Opfer dennoch zu
nahe, ist das Einschalten der Polizei möglich. Überdies wird durch
eine Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes sichergestellt, dass
Stalking-Opfer Hilfe durch bewährte Opferschutzeinrichtungen
erhalten.

Formelle Basis für den Beschluss im Justizausschuss bildete ein
gemeinsamer Abänderungsantrag der Koalitionsparteien zum Anti-
Stalking-Gesetz. In diesen Abänderungsantrag wurden auch zwei
weitere Regierungsvorlagen (1325 d.B. und 1326 d.B.) integriert, bei
denen es zum einen um die materiellrechtliche Stärkung des
Opferschutzes und zum anderen um den vorläufigen Abschluss der
Reform des Umweltstrafrechtes geht. Diese Vorgangsweise wurde
gewählt, um eine mehrfache gleichzeitige Änderung des
Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung zu vermeiden. Das
gesamte Gesetzespaket trägt nunmehr den Kurztitel
"Strafrechtsänderungsgesetz 2006".

Einen verbesserten Opferschutz wollen die Abgeordneten im einzelnen
etwa durch die ersatzlose Streichung jener Bestimmung aus dem
Strafgesetzbuch erreichen, nach der die gefährliche Drohung unter
nahen Angehörigen als "Ermächtigungsdelikt" gilt. Das bedeutet, dass
solche Delikte künftig auch dann weiter verfolgt werden, wenn das
Opfer seine Anzeige zurückzieht. Begründet wird dieser Schritt
damit, dass vor allem bedrohte Frauen erfahrungsgemäß auf eine
strafgerichtliche Verfolgung ihres Ehegatten oder Lebensgefährten
verzichten, wenn sie entsprechend unter Druck gesetzt werden.

Zwangsehen fallen laut Gesetzentwurf in Hinkunft unter den
Tatbestand "Schwere Nötigung". Damit werden bisher bestehende
Begünstigungen des nötigenden Ehepartners beseitigt und dieser
ebenso wie an der Nötigung mitwirkende Dritte klaren, einheitlichen
Sanktionen unterstellt. Weiters wird der Tatbestand "Missbrauch
eines Autoritätsverhältnisses" auf Seelsorger ausgeweitet. Im Fall
von Genitalverstümmelung soll die Verjährungsfrist durch
Nichteinrechnung der Zeit bis zur Volljährigkeit des Opfers
verlängert werden.

Im Bereich des Umweltstrafrechts sind neue Strafbestimmungen gegen
den fahrlässigen unerlaubten Umgang mit Kernmaterial, radioaktiven
Stoffen oder Strahleneinrichtungen sowie gegen das grob fahrlässige
umweltgefährdende Betreiben von Anlagen vorgesehen. Damit werden den
Erläuterungen zufolge Vorgaben der Konvention des Europarats zum
Schutz der Umwelt im österreichischen Strafrecht umgesetzt.

Eingeleitet wurde die Diskussion von Abgeordneter Bettina Stadlbauer
(S). Sie erinnerte daran, dass die Initiative für ein Anti-Stalking-
Gesetz von der SPÖ ausgegangen sei. Den vorliegenden Entwurf wertete
sie in diesem Sinn als wichtigen Schritt, dieser ist ihrer Ansicht
nach aber "nicht optimal". Für Stadlbauer ist es beispielsweise
unverständlich, warum Telefonterror und Stalking über andere
Kommunikationsmittel kein Offizialdelikt sind und nur auf Antrag
verfolgt werden. Zudem trat sie auch bei beharrlicher telefonischer
Verfolgung für ein Einschreiten der Polizei ein. Ein von ihr
eingebrachter entsprechender Abänderungsantrag der SPÖ fand bei der
Abstimmung jedoch keine Mehrheit. Positiv hob Stadlbauer die neuen
Strafbestimmungen bei Zwangsheirat hervor.

Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) begrüßte den vorliegenden
Gesetzentwurf. Über die Möglichkeit des Einschreitens der Exekutive
habe man lange diskutiert, erläuterte sie, ihrer Meinung nach ist
ein solches Einschreiten aber schwierig, wenn jemand behaupte, er
werde mit SMS oder Telefonanrufen terrorisiert.

Abgeordnete Brigid Weinzinger (G) zeigte sich ebenfalls über den
Vorstoß von Justizministerin Gastinger für ein Anti-Stalking-Gesetz
erfreut, kritisierte aber, dass die "löbliche Initiative" auf halbem
Weg stecken geblieben sei. Es bleibt ihr zufolge unklar, was unter
"beharrlicher Verfolgung" zu verstehen ist. Überdies forderte sie
Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren, wenn Stalking zu
gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) begründete die vorgesehene
Bestimmung, wonach Telefonterror nur auf Antrag des betroffenen
Opfers verfolgt wird, damit, dass nur dieses selbst entscheiden
könne, ob es sich um eine beharrliche Verfolgung handle. Überdies
könne eine Behörde nur auf Antrag einer Person davon Kenntnis
erlangen. An Justizministerin Gastinger stellte Tancsits die Frage,
inwieweit vom Gesetz auch "institutionelles Stalking" erfasst werde,
etwa die beharrliche Belästigung von Interessenvertretern durch
Tausende E-Mails in der gleichen Sache.

Justizministerin Karin Gastinger hielt gegenüber den Grünen fest,
sobald Stalking zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe, sei
eine Verfolgung wegen Körperverletzung möglich und könne
entsprechend bestraft werden. Von einer konkreteren Determinierung
der "beharrlichen Verfolgung" hat man ihr zufolge deshalb Abstand
genommen, weil es, wie sie sagte, einen Unterschied ausmache, ob
jemand fünf unerwünschte SMS erhalte oder ihm fünfmal vor der
eigenen Wohnung aufgelauert werde. Telefon- und SMS-Terror zu einem
Antragsdelikt zu machen, sei ihrem Ressort vernünftiger erschienen,
sagte Gastinger.

Ein Außergerichtlicher Tatausgleich im Falle von Stalking ist nach
Auskunft der Justizministerin nicht dezidiert ausgeschlossen, sie
hält einen solchen grundsätzlich aber nicht für sinnvoll. In
Richtung Abgeordnetem Tancsits erklärte Gastinger, es werde stets
auf die Einzelfallprüfung ankommen.

Abgeordnete Terezija Stoisits (G) meinte, ihrer Ansicht nach solle
ein Außergerichtlicher Tatausgleich bei Stalking nicht prinzipiell
ausgeschlossen werden. Zu den neuen Umweltstraftatbeständen merkte
sie an, diese würden von den Grünen zwar grundsätzlich begrüßt, ihre
Fraktion werde aber dagegen stimmen, weil man der Wirtschaft "sehr
entgegengekommen ist". Überdies nütze Österreich nicht alle
Möglichkeiten, die die Konvention des Europarats biete.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) brachte auch zum Umweltstrafrecht
einen Abänderungsantrag der SPÖ ein, der jedoch gleichfalls mit VP-
F-Mehrheit abgelehnt wurde. Die SPÖ wollte erreichen, dass bereits
fahrlässiges umweltgefährdendes Betreiben von Anlagen strafbar ist
und das Wort "grob" gestrichen wird.

Bei der Abstimmung wurde das Strafrechtsänderungsgesetz 2006 teils
einstimmig, teils mehrheitlich gebilligt. Die Grünen stimmten
insbesondere gegen die Anti-Stalking-Bestimmungen und die neuen
Umweltstraftatbestände. Eine Ausschussfeststellung zum Anti-
Stalking-Gesetz wurde einstimmig verabschiedet. Demnach geht der
Justizausschuss davon aus, dass die neuen Bestimmungen gegen
Stalking einer Evaluierung unterzogen werden, und äußerte den Wunsch
nach Vorlage eines Erfahrungsberichts zwei Jahre nach Inkrafttreten
des Gesetzes. Als Termin für das Inkrafttreten der Bestimmungen ist
der 1. Juli 2006 in Aussicht genommen.

EU will Strafen für juristische Personen bei Betrug der Gemeinschaft

Unter einem debattierte der Ausschuss das Zweite Protokoll aufgrund
von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union zum
Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der
Europäischen Gemeinschaften samt Erklärungen (1301 d.B.) sowie ein
Abkommen der EU mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur
Regelung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Betrug und
sonstigen rechtswidrigen Handlungen (1064 d.B.).

Zum einen geht es dabei um einheitliche Sanktionen der EU-
Mitgliedstaaten in Bezug auf Betrug und Korruption zum Nachteil der
Europäischen Union. Im 1997 abgeschlossenen Zweiten Protokoll zum
diesbezüglichen EU-Übereinkommen wurde vereinbart, in Betrugs- und
Korruptionsfällen auch gegen juristische Personen Sanktionen
vorzusehen. Zudem sind die EU-Länder verpflichtet, Geldwäsche, die
in Zusammenhang mit Straftaten zum Nachteil der finanziellen
Interessen der Gemeinschaft steht, einheitlich zu ahnden.

Ziel des Abkommens mit der Schweiz ist die bessere Zusammenarbeit
der Justiz- und anderer Behörden bei der Bekämpfung von
Geldwäscherei und zur Aufdeckung schwerer Fälle von Betrug und
Schmuggel.

Beide Staatsverträge wurden vom Justizausschuss einstimmig
genehmigt. Abgeordneter Johann Maier (S) plädierte allerdings dafür,
zu prüfen, ob das EU-Abkommen nicht eine Änderung des
Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes erforderlich mache.

Auslieferungs- und Rechtshilfeabkommen mit den USA wird ergänzt

Ebenfalls einstimmig billigten die Abgeordneten ergänzende
Protokolle zum 1998 vereinbarten Auslieferungsabkommen und zum 1995
unterzeichneten Rechtshilfeabkommen zwischen Österreich und den USA
(1347 d.B. und 1348 d.B.). Anlass dafür ist die Unterzeichnung eines
Auslieferungsabkommens und eines Rechtshilfeabkommens der
Europäischen Union mit den Vereinigten Staaten. Durch die
vorliegenden Protokolle werden die zwischen den EU und den USA
vereinbarten Regelungen in die bilateralen Abkommen übernommen.

Die Änderungen betreffen beispielsweise die Übermittlung und die
Beglaubigung von Auslieferungsunterlagen, die Übermittlung von
Bankinformationen, die Bildung gemeinsamer Ermittlungsteams und
Vernehmungen mittels Videokonferenz. In den Erläuterungen wird
allerdings ausdrücklich festgehalten, dass die wesentlichsten
Bestimmungen der bilateralen Verträge zwischen Österreich und den
USA unberührt bleiben, insbesondere auch das bestehende
Auslieferungsverbot bei drohender Todesstrafe.

Drei Anträge der SPÖ vertagt

Anträge der SPÖ in Bezug auf eine Reform des Unterhaltsrechts
(\\pdsteno.parlinkom.gv.atPKdatensteinberger%3C%3C2%5E676A%5BE%5D%5E
XXII%5EA%5E676%5E%5E1%3E%3E), die Rechtsanwaltsordnung
(\\pdsteno.parlinkom.gv.atPKdatensteinberger%3C%3C2%5E678A%5BE%5D%5E
XXII%5EA%5E678%5E%5E1%3E%3E) und gesetzliche Maßnahmen gegen
unseriöse Gewinnspielveranstalter
(\\pdsteno.parlinkom.gv.atPKdatensteinberger%3C%3C2%5E195A%5BE%5D%5E
XXII%5EA%5E195%5E%5E1%3E%3E) wurden vom Justizausschuss vertagt.

Hinsichtlich des Unterhaltsrechts stellte Justizministerin Karin
Gastinger jedoch eine baldige Reform in Aussicht. Spätestens bis
Juni bzw. Juli sollen ihr zufolge seitens ihres Ressorts konkrete
Ergebnisse vorliegen, derzeit ist eine Expertengruppe mit der
Prüfung der geltenden Bestimmungen beauftragt. Gastinger sieht
insbesondere dort Lücken im Gesetz, wo die Unterhaltspflichtigen
nicht leistungsfähig sind. Generell müsse es aber Aufgabe der Eltern
bleiben, für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen, bekräftigte
sie.

Abgeordnete Bettina Stadlbauer (S) hatte zuvor Änderungen im
Unterhaltsrecht als dringend notwendig bezeichnet und einen
Rechtsanspruch auf Unterhaltsvorschuss gefordert. Ein Härtefonds für
die Betroffenen reicht ihrer Ansicht nach nicht aus.
Alleinerziehende gehörten zu den am stärksten armutsgefährdeten
Bevölkerungsgruppen, skizzierte Stadlbauer. (Schluss)

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