- 21.03.2006, 15:02:45
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Künftig strengere GVO-Kennzeichnung im Cartagena-Protokoll
132 Staaten einig über Kennzeichnungspflicht - mehr Rechtssicherheit für EU in WTO
Curitiba/Wien (AIZ) - Auf der so genannten 3.
Cartagena-Nachfolgekonferenz zur biologischen Sicherheit haben die
132 Unterzeichnerländer, darunter die EU, vergangenen Freitag in
Curitiba (Brasilien) eine verschärfte Dokumentations- und
Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in
Lebens- und Futtermitteln sowie in Rohstoffen für
Verarbeitungsprodukte im grenzüberschreitenden Handel der
Vertragspartner beschlossen. Demnach wird die bisherige weiche
Kennzeichnung "kann GVO enthalten" nach einer sechsjährigen
Übergangszeit zum Aufbau entsprechender Dokumentations- und
Trennungsmechanismen in den Entwicklungsländern ab 2012 durch die
verpflichtende Kennzeichnung "enthält GVO" ersetzt. Das
Cartagena-Protokoll tritt damit in die Phase einer konkreten
Umsetzung. "Der österreichischen Präsidentschaft und der Europäischen
Kommission ist es gelungen, einen Durchbruch zu erzielen", zeigt sich
Landwirtschaftsminister Josef Pröll in einer Bewertung des
Kompromisses zufrieden.
"Nach zähen Verhandlungen wurden die Interessen Europas mit dem
erreichten Ergebnis aber voll berücksichtigt", so Pröll weiter.
EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sagte dazu in einer Aussendung,
dieser Beschluss sei "ein Meilenstein" und "im Einklang" mit dem
EU-Recht zur GVO-Kennzeichnung. Die neue Kennzeichnungspflicht trage
daher maßgeblich "zu mehr Rechtssicherheit im internationalen Handel
mit Agrarprodukten" bei. Der Kompromiss wird auch von den
maßgeblichen NGO's, wenn schon nicht als ultimativer, so doch als ein
wichtiger Schritt voran gutgeheißen.
Neben der Kennzeichnungspflicht regelt das Cartagena-Protokoll
nunmehr auch den geförderten Aufbau von Einrichtungen zur Umsetzung
der biologischen Sicherheit (Dokumentation der Produktion und
Trennung GVO-hältiger Rohstoffe von herkömmlichen), der
Risikobewertung von GVO und den Betrieb des web-basierten
Informationsportals "Biosafety Clearing House" über den GVO-Status
der Produktion. Dieses Informationssystem gestattet Importländern,
GVO-hältige Lieferungen unter Geltendmachung des Vorsorgeprinzips
abzulehnen.
Das Cartagena-Protokoll ist ein Zusatz zur 1992 verabschiedeten
UN-Konvention zur Biodiversität, dem so genannten Rio-Protokoll. Es
wurde 2000 in Cartagena (Kolumbien) verhandelt und ist seit
11.09.2003 in Kraft. Unter den 132 Unterzeichnern befinden sich alle
EU-Mitgliedstaaten und daneben China, gemeinsam mit den Europäern die
großen Soja-Importeure auf der Welt, sowie eine Großzahl von
Entwicklungsländern und aus der Reihe der großen Agrarexporteure
Brasilien. Hingegen blieben große GVO-Exporteure wie USA, Kanada und
Argentinien dem Vertragswerk bisher fern. Das Cartagena-Protokoll ist
der einzige multilaterale Vertrag, der Regeln für den
grenzüberschreitenden Handel mit GVO zum Schutz von Umwelt
(Biodiversität) und Gesundheit vor potenziell schädlichen
Auswirkungen von GVO aufstellt.
Brasilien ebnete Weg - "Schurkenrolle" an Mexiko und Paraguay
abgegeben
Hat bei der 2. Cartagena-Nachfolgekonferenz in Montreal vor zwei
Jahren noch Brasilien die "Schurkenrolle" gespielt, indem es
gemeinsam mit Neuseeland die notwendige Einstimmigkeit für die
mehrheitlich geforderte verschärfte Kennzeichnung von GVO-Produkten
blockiert hat, so spielten diese Rolle diesmal Mexiko und Paraguay.
Völlig überraschend ging Brasilien - selber einer der weltgrößten
GVO-Produzenten - mit einem von Präsident Luiz Inacio "Lula" da Silva
initiierten Vorschlag in die Konferenz, die Bezeichnung "enthält GVO"
schon nach einer Übergangszeit von vier Jahren verpflichtend zu
machen. Dies fand die Unterstützung von 130 der 132 Signatarstaaten.
In letzter Minute nach tagelangen Verhandlungen vom Montag an
verweigerten aber Mexiko und Paraguay - nach Beobachtern offenbar als
verlängerter Arm der in den Verhandlungen als Nicht-Signatarstaaten
gar nicht anwesenden USA - am Freitag die Zustimmung, ohne sich
vorher negativ geäußert zu haben. Mexiko, so die Begründung, könnte
mit der verschärften Etikettierungspflicht nämlich die
Verpflichtungen aus der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA
gegenüber den USA und Kanada nicht einhalten. Mexiko importiert aus
den USA etwa große Mengen GVO-Mais. Laut NAFTA-Recht werden derartige
Lieferungen unter einem GVO-Gehalt von 5% als "gentechnisch nicht
verändert" gekennzeichnet; bei "unabsichtlicher" GVO-Verunreinigung
müssen sie gar nicht gekennzeichnet werden.
Kompromiss im Interesse notwendiger Einstimmigkeit
Nachdem für das Vertragswerk Einstimmigkeit notwendig ist, einigte
man sich in letzter Minute auf einen Kompromiss mit der Verlängerung
der Übergangsfrist von vier auf sechs Jahre und auf eine explizite
Feststellung, die Kennzeichnungspflicht gelte nicht im Handel mit
Nicht-Signatarstaaten. Zudem überprüft eine Review-Klausel in vier
Jahren den Stand der Umsetzung der Kennzeichnungsvorschriften, ehe
die Verschärfung 2012 definitiv in Kraft treten kann.
Dennoch mehr Rechtssicherheit in der WTO für Cartagena-Unterzeichner
Obwohl mit dem Kompromiss ein kleines Fenster offen bleibe, das
Cartagena-Protokoll noch in Frage zu stellen und neue Klagen bei der
WTO einzubringen, bestehe nach Ansicht von Experten im Umfeld der
Konferenz in Curitiba künftig dennoch bedeutend mehr Rechtssicherheit
für die Importländer. Bei Klagen von Nicht-Signatarstaaten vor der
WTO wegen Handelsdiskriminierung gegen Signatarstaaten, die
GVO-Lieferungen im Widerspruch zu der im Zusatz zum
UN-Biodiversitätsprotokoll festgehaltenen Kennzeichnungspflicht
verweigern, gilt künftig die Position eines Signatarstaates als
rechtlich ungleich höheres Gegengewicht zum Druck von
Nicht-Signatarstaaten als bisher.
(Schluss) pos
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