• 10.01.2006, 18:00:31
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DER STANDARD - Kommentar "Teheran im Aus" von Markus Bernath

Ausgabe vom 11.01.2006

Wien (OTS) - Die nationalreligiösen Strategen in Teheran müssen
jetzt wohl diplomatische Maßarbeit leisten. Genau damit haben sich
die Iraner in der bald drei Jahre dauernden Atomkrise aber nicht
ausgezeichnet. Folgt man dem Ablauf früherer Krisenfälle in der
Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) und im UN-Sicherheitsrat,
bleiben der iranischen Führung nur einige Wochen, vielleicht wenige
Monate, um einzulenken und Sanktionen der internationalen
Gemeinschaft zu verhindern. Der Aufbruch der IAEO-Siegel an
mindestens drei Nuklearanlagen und die erklärte Entscheidung zur
Wiederaufnahme der "Forschung" an der Urananreicherung waren für die
USA wie für die Europäer eine rote Linie. Niemand glaubt mehr
wirklich Teheran und seinen Beteuerungen, kein Programm zur
Herstellung von Atomwaffen zu verfolgen.

Die internationale Gemeinschaft wird nun die Krisenspirale
fortdrehen, die sie im September 2005 anhielt. Damals entschied der
Gouverneursrat der IAEO mit der Mehrheit von 22 Staaten, zwölf
Enthaltungen und nur einer Gegenstimme (Venezuela), dem Iran noch
Gelegenheit zu geben, vollständige Angaben über sein lange geheim
gehaltenes Atomprogramm zu machen und als Vorleistung die Arbeiten an
der Urananreicherung auszusetzen. Die doppelte Botschaft vom
September war: Der Iran hat den Vertrag zur Nichtverbreitung von
Atomwaffen verletzt; die Staatengemeinschaft hat in Teheran kein
Vertrauen.

Mit dem Bruch der Siegel hat die iranische Führung genau das
Gegenteil von dem getan, was von ihr erwartet wurde. Teheran versucht
damit den Preis für die internationale Billigung seines Atomprogramms
hochzutreiben. Denn das Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie
kann dem Iran niemand nehmen. Dass nun auch Moskau und Peking
Teherans Entscheidung kritisieren, sollte dem Iran eine Warnung sein.
Theoretisch steht die Mehrheit für Sanktionen im UN-Sicherheitsrat.

Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70/445

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