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Wiener Geschichtsblätter: Geschichte des Tröpferlbades

Wien (OTS) - Was heute vielfach belächelt bzw. als kuriose Erscheinung abgetan wird, spielte zwischen 1890 und 1960 eine tragende Rolle für die Hygiene zigtausender Wienerinnen und Wiener:
das Tröpferlbad bzw. Volksbad im eigenen Wohnbezirk. Dem Historiker Stefan Winterstein ist nun zu danken, dass die Wiener Hygiene-Geschichte, die heute längst in der "Oase Bad" angekommen zu sein scheint, um ihre Anfänge im zu Ende gehenden 19. Jahrhundert genauer Bescheid weiß.

Erstes Volksbad Europas stand in der Mondscheingasse 9

"Die Gewöhnung einer Stadt ans Baden. Zur Geschichte des Wiener Volksbad-Programms" nennt sich Wintersteins genau recherchierter Beitrag in der aktuellen Ausgabe der "Wiener Geschichtsblätter" (4/2005), dessen Nachlesen sich nicht nur in technikhistorischer Hinsicht, sondern auch mentalitätsgeschichtlich lohnt. Im Jahr 1887, kurz vor Weihnachten, eröffnete die Stadt Wien in der Mondscheingasse 9 im Wien-Neubau das auch europaweit erste Volksbad, welchem in weitere Folge in fast allen Bezirken Wiens ähnliche öffentliche Brausebäder folgten. Einzig die Innere Stadt und Döbling verfügten nicht über diese Einrichtung, die insbesondere von ärmeren Gesellschaftsschichten massiv in Anspruch genommen wurde. Zuerst schlicht getrennt zwischen Männern und Frauen boten die Volksbäder kaum eine Annehmlichkeit. Begründet wurde dieser hygienischer Purismus anfangs mit dem Argument, dass man die bestehenden Privatbäder nicht konkurrenzieren wolle. In späterer Folge kam noch die Unterscheidung zwischen Knaben und Mädchen hinzu, auch die zuerst als Luxus zurückgewiesenen Einbauten von Einzelkabinen kam hinzu. Das Personal eines solchen Brausebades bestand zuerst aus einem Bademeister plus zwei Dienern bzw. Dienerinnen, die auch für das Heizen zuständig waren. Der am häufigsten frequentierte Wochentag der Bäder war übrigens der Samstag, wo statistisch 30,9 Prozent des Wochenpublikums zum Duschen kam. Lange Zeit wurde seitens des Personals auch auf eine entsprechende Bekleidung der Duschenden geachtet. Erst in den 40er Jahren - mitten in den Kriegsjahren -verzichtete man auch offiziell auf das Bekleidungsgebot.

Leistbare Wohnungen mit Duschen leiteten Besucher-Rückgang ein

Der Zuspruch der Volksbäder ließ ab Ende der 50er Jahre merklich nach. Zählte man 1955 noch 4,713.190 Brausebäder waren es zehn Jahre später "nur" mehr 2,777.962 Bäder. 1975 weist die Statistik 1,218.683 Bäder aus, im Jahr 1995 waren es 194.241 Bäder.

Weitere Aufsätze über Wiener Kaffeekultur und Angelo Soliman

Weitere Aufsätze der Geschichtsblätter widmen sich den "Katasterkarten und Ansichten der Stadt Wien " (Ferdinand Oppl), dem "Gewerke Angelo Soliman"(Walter Sauer) und dem Leben des "Hieronymus Lorm (1821-1902)" (Fritz Keller), wie auch der Wiener Kaffeekultur ("Wie Kol(t)schitzky unabsichtlich zum Kaffee kam") von Ricard A. Zahnhausen.

Die "Wiener Geschichtsblätter" kosten pro Ausgabe Euro 7 im Buchhandel. Mitglieder des Vereins für Geschichte der Stadt Wien erhalten das Periodikum neben anderen Publikationen gegen einen Jahresbeitrag von 35 Euro kostenlos. Verlegt wird die renommierte Zeitschrift, die vierteljährlich erscheint, im LIT Verlag ( wien@lit-verlag.at ). (Schluss) hch

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