- 08.11.2005, 20:02:11
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- OTS0262 OTW0262
Konsens über Ziele der Verfassungsbereinigung Besonderer Ausschuss geht in medias res der Verfassungsreform
Wien (PK) - Die Mitglieder des Besonderen Ausschusses zur
Vorbereitung des Berichts des Österreich-Konvents (III-136 d.B.)
einigten sich heute teils einhellig, teils mit Vorbehalten
darauf, wie der Themenbereich "Verfassungsbereinigung" weiter
behandelt werden soll. Der betreffende Antrag sieht vor, dass der
Präsident des Verfassungsgerichtshofes Karl Korinek sowie
Universitätsprofessor Ewald Wiederin und Sektionsleiter Georg
Lienbacher in Zusammenarbeit mit dem Vorbereitungskomitee dem
Besonderen Ausschuss schriftliche Unterlagen zu folgenden
Fragestellungen vorlegen sollen:
So wurde beschlossen, die Tabellen über die mehr als tausend
Bestimmungen, die im Verfassungsrang stehen, zu aktualisieren und
den kompletten Bestand des formellen Bundesverfassungsrechts mit
Datum 31.12.2005 darzustellen. Darüber hinaus soll eine
Zusammenstellung jener Vorschriften im Verfassungsrang, die außer
Kraft gesetzt werden können, mit entsprechender Begründung
erfolgen.
Als weiteres Ziel der Verfassungsbereinigung wurde festgelegt,
dass für Bereinigungen der Bundesgrenzen und der Grenzen
innerhalb des Bundesgebietes ein eigener Tatbestand geschaffen
wird, der solche ohne Bestimmungen im Verfassungsrang ermöglicht
(Art. 2 und 3 B-VG). Derzeit sind nämlich dafür sowohl Änderungen
der betreffenden Landesverfassungen als auch des B-VG notwendig.
Darüber hinaus soll es im Zuge der Verfassungsbereinigung jedoch
keine Verfassungsänderung geben.
Hinsichtlich der Übertragung von Hoheitsrechten im Art. 9 Abs. 2
B-VG wurde vereinbart, dass die Verfassungsbereinigung kein
Präjudiz für die Anwendbarkeit von 15a-Verträgen darstellt.
Bei multilateralen Verträgen (Art. 50 B-VG) setzt sich der
Ausschuss zum Ziel, Staatsverträge, die zur Selbstabänderung
ermächtigen, ohne Verfassungsbestimmungen abschließen zu können.
Unter den Fraktionen von ÖVP und SPÖ besteht Konsens, dass
Nationalrat und Bundesrat bei Abschluss eines derartigen
Staatsvertrages ein Vorbehalt zugestanden wird. Der freiheitliche
Klub macht seine Zustimmung von der näheren Ausgestaltung des
Vorbehalts abhängig, die Grünen von der Einführung der Pflicht
zur Unterrichtung des Nationalrates.
Zur Erörterung anderer Fragen wie der Regelung von weisungsfreien
Verwaltungsbehörden, der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung,
der Grundrechte, der Amtshilfe etc. wird eine Arbeitsgruppe der
vier Fraktionen eingesetzt.
Auf der Basis der von Korinek, Wiederin und Lienbacher
ausgearbeiteten Vorschläge soll dann der Verfassungsdienst
ersucht werden, einen Textvorschlag auszuarbeiten. Korinek und
Lienbacher betonten in diesem Zusammenhang, dass bei der
Formulierung aller Punkte das Vieraugenprinzip zwischen
Arbeitsgruppe und Verfassungsdienst gelten und man
selbstverständlich die Vorschläge ausreichend begründen werde.
Wiederin wies darauf hin, dass man sich bei der Bereinigung jener
Punkte, die quantitativ und qualitativ von Bedeutung sind, auf
einen breiten Konsens stützen müsse.
Verfassung soll neu strukturiert werden
Grundlage für den Antrag stellte ein Zwischenbericht der drei
genannten Experten an den Ausschuss dar, der nicht nur kurz auf
die wichtigsten Punkte des Ausschusses 2 des Konvents
"Legistische Strukturfragen" eingeht, sondern auch konkrete
Vorschläge zur Verfassungsbereinigung unterbreitet.
Am Beginn des Besonderen Ausschusses ging Karl Korinek näher auf
die Ergebnisse des Ausschusses 2 des Österreich-Konvents ein.
Neben der Vorlage einer Liste möglicher Themen, die eine
Verfassung regeln soll, habe der Ausschuss einen Vorschlag für
eine neue Verfassungsstruktur vorgelegt. Dieser gehe von einem
"relativen Inkorporationsgebot" aus, das heiße, das zersplitterte
Verfassungsrecht möglichst in einer zentralen Urkunde
zusammenzuführen. Demnach seien drei Arten von Verfassungsrecht
vorgesehen: die Verfassungsurkunde selbst mit dem Kern der
Verfassung; weiters so genannte "Verfassungstrabanten", womit
eine Reihe von Verfassungsgesetzen und Staatsverträgen gemeint
ist, die in der Urkunde ausdrücklich genannt werden und somit
Bestandteil der Verfassung sein sollten; schließlich ein
Verfassungsbegleitgesetz, das rein technische Bestimmungen
enthält. Für bestimmte Gesetze, wie zum Beispiel das
Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates oder das
Unvereinbarkeitsgesetz, gebe es die Idee eines so genannten
"Verfassungsausführungsgesetzes", für die eine
Zweidrittelmehrheit notwendig sein soll, erläuterte Korinek.
Ein wesentlicher Teil der Arbeit sei der Analyse des Bestands des
Verfassungsrechts gewidmet gewesen. Dazu seien mehr als 1.000
Bestimmungen diskutiert worden, wobei bei einzelnen Punkten, die
im Zusammenhang mit Vorschriften des B-VG stehen, auf diesen
Konnex hingewiesen wurde. Davon seien insbesondere die
bundesstaatliche Kompetenzverteilung und der Grundrechtsschutz
betroffen. Darüber hinaus, so Korinek, seien einzelne materielle
Fragen des Verfassungsrechts erörtert worden.
Zu den übrigen Bestimmungen seien im Ausschuss Vorschläge zur
Bereinigung gemacht worden, und zwar entweder in Form der
Aufhebung oder der Beseitigung des Verfassungsrangs. In gleicher
Weise habe man mehrere hundert Verfassungsbestimmungen in
Staatsverträgen behandelt. Konkret hätten die Vorschläge die
Übertragung von Hoheitsakten und die Voraussetzungen,
Staatsverträge abzuschließen und abzuändern, sowie die Regelung
der Bundes- und Landesgrenzen betroffen.
Grenzbereinigungen rechtlich vereinfachen
Der gegenständliche Zwischenbericht enthält darüber hinaus
Empfehlungen für die weitere Vorgangsweise, worüber es dann im
Ausschuss eine ausführliche Diskussion gegeben hat. Grundsätzlich
wurden die Vorschläge als richtig und akzeptabel erachtet. In
diesem Sinn zustimmend äußerte sich vor allem Abgeordnete Ulrike
Baumgartner-Gabitzer (V). Abgeordneter Peter Wittmann (S) teilte
deren Auffassung, forderte jedoch, die Ergebnisse jeweils auch
dem Vorbereitungskomitee zu unterbreiten. Ähnlich positiv
argumentierte Abgeordneter Herbert Scheibner (F), der die
Wichtigkeit des Inkorporationsgebots unterstrich, um es in
Zukunft zu erschweren, einfachgesetzliche Materien in den
Verfassungsrang zu heben. Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek
(G) legte vor allem Wert auf die Begründung für die geplante
Aufhebung von Bestimmungen, denen keine inhaltliche Bedeutung
mehr zukommen soll.
In der Frage der verfassungsrechtlichen Regelung der Staats- und
Landesgrenzen kam es im Ausschuss zu einer detaillierten Debatte.
Der Vorschlag der Experten lautet, die Änderung der Bundesgrenzen
und Grenzbereinigungen innerhalb des Bundesgebietes so zu
gestalten, dass keine Änderung des B-VG mehr notwendig ist,
sondern die Zustimmung der betroffenen Länder beziehungsweise
übereinstimmende Gesetze oder Verträge des Bundes mit den
betroffenen Ländern genügen sollen. Eine verfassungsgesetzliche
Regelung im B-VG und in den Ländern soll nur mehr dann
erforderlich sein, wenn Veränderungen im Bestand der Länder oder
eine Verminderung der Rechte der Länder vorgesehen sind. Dem
stimmten grundsätzlich die Abgeordneten Baumgartner-Gabitzer (V),
Peter Wittmann (S), Herbert Scheibner (F) sowie der Experte der
SPÖ Johannes Schnizer zu. Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek
(G) sprach daraufhin das Verhältnis zu den 15a-Verträgen an. Karl
Korinek führte auf Grund einer Frage der Abgeordneten
Baumgartner-Gabitzer (V) näher aus, dass man unter einer
Grenzbereinigung etwa den Neuverlauf wegen einer Flussbegradigung
verstehen könnte. Eine Grenzänderung stelle hingegen einen
qualitativen Sprung dar.
Soll Parlament vom Abschluss aller Staatverträge unterrichtet
werden?
Einen strittigen Punkt bildete der Vorschlag, Staatsverträge, die
zur Selbstabänderung ermächtigen, ohne Zustimmung des
Nationalrates beziehungsweise des Bundesrates abschließen zu
können. Der von den Experten vorgelegte Zwischenbericht enthält
dazu den Klammerausdruck, "es sei denn, dass sich der Nationalrat
oder der Bundesrat dies vorbehält". Abgeordnete Ulrike
Baumgartner-Gabitzer (V) zeigte sich damit einverstanden und
plädierte dafür, den Zusatz nicht als Klammerausdruck, sondern
als Nebensatz zu formulieren. Diese Auffassung teilte auch
Abgeordneter Peter Wittmann (S), der jedoch zusätzlich eine
Berichtspflicht einforderte. Im Gegensatz dazu lehnte
Abgeordneter Herbert Scheibner (F) den Klammerausdruck insgesamt
aus praktischen Überlegungen ab, da für die Befassung des
Nationalrates oder des Bundesrates oft die Frist nicht
eingehalten werden könne. Ihm gehe es nicht darum, die Rechte des
Parlaments zu beschneiden, sondern er wolle eine vernünftige
Lösung erzielen, sagte Scheibner. Der Präsident des
Verfassungsgerichtshofs Korinek hielt dazu fest, er erachte diese
Bestimmung als eine Notbremse. Auf den Einwand von Bundesrat
Peter Böhm (F), dass die Änderung derartiger Verträge durchaus
auch substantiell sein könnte, erwiderte der Verfassungsexperte
Ewald Wiederin, die Praxis zeige, dass es sich immer nur um
technische Änderungen handle. Auch der Experte der SPÖ Johannes
Schnizer hielt das Vorbehaltsrecht des Parlaments für wichtig, um
entscheiden zu können, ob es sich tatsächlich nur um technische
Änderungen handelt.
Uneinigkeit herrschte auch in Bezug auf eine etwaige
Berichtspflicht, die nach Abschluss der Diskussion nur mehr als
"Unterrichtungspflicht" bezeichnet wird. Der Vorsitzende des
Konvents Franz Fiedler hatte darauf aufmerksam gemacht, dass man
sich im Präsidium des Konvents darauf geeinigt habe, von
"Unterrichtung" des Nationalrats und Bundesrats zu sprechen und
die Geschäftsordnungen nähere Bestimmungen regeln sollen.
Abgeordnete Baumgartner-Gabitzer und Maria Theresia Fekter (beide
V) hielten eine solche "Unterrichtungspflicht" für nicht
notwendig und überzogen, da dies ihrer Ansicht nach nicht der
Rechtsbereinigung dienen würde. Im Gegensatz dazu beharrten die
Grünen auf die Festlegung einer solchen Unterrichtungspflicht als
eine essentielle Ergänzung zum neuen Art. 50 Abs. 2a.
Nationalratspräsident Khol meinte dazu, die Berichtspflicht habe
nichts mit der Rechtsbereinigung zu tun und sei eine Frage, wie
man Außenpolitik gestalte.
Grundsätzlich vertrat Khol zusammenfassend die Auffassung, die im
Zwischenbericht vorgeschlagene Formulierung entspreche nicht dem
Ziel des Besonderen Ausschusses. Grundsätzlich müssten
Nationalrat und Bundesrat für den Fall schwerwiegender Änderungen
Vorbehalte gegen den Abschluss von Staatsverträgen zugestanden
werden. In diesem Sinne wurde dann auch der Antrag formuliert,
wobei die Bedenken der Grünen und der Freiheitlichen
berücksichtigt wurden. (Schluss)
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