- 04.10.2005, 17:53:33
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DER STANDARD-Kommentar: "Viele EU-Hausaufgaben" von Alexandra Föderl-Schmid
Ausgabe vom 5. Oktober 2005
Wien (OTS) - Der Verhandlungsstart mit der Türkei und Kroatien ist
nach einer von Österreich verursachten Hängepartie in der Nacht zum
Dienstag erfolgt. Nun kommen die Mühen der Ebene. Denn es stellt sich
die Frage, ob die EU eigentlich auf eine weitere Vergrößerung der
Gemeinschaft eingestellt ist. Nach derzeitigem Stand müsste man
sagen: Nein.
Momentan ist völlig unklar, wie es mit der europäischen Verfassung
weitergeht, nachdem die Referenden in zwei Mitgliedsstaaten -
Frankreich und den Niederlanden - im Frühsommer negativ ausgegangen
sind. Der Ratifizierungsprozess ist von jenen Staaten, die den
Schritt noch vor sich haben, vorerst auf Eis gelegt worden. Noch gilt
der Vertrag von Nizza, der auf eine EU mit maximal 27 Mitgliedern
ausgelegt ist. Dieses Maß ist nach der bereits beschlossenen Aufnahme
von Bulgarien und Rumänien, die höchstens von 2007 auf 2008
verschoben werden kann, erreicht. Ein allfälliger Beitritt Kroatiens
2008 würde den Rahmen schon sprengen. Außerdem stehen auch
Verhandlungen mit Serbien und Montenegro an, andere Länder des
Westbalkans machen sich ebenfalls Hoffnungen. Wie man mit der Ukraine
umgehen soll, die auch unverkennbar in die EU drängt, ist noch völlig
unklar.
Ungeklärt ist auch die Finanzfrage. Bei einer Fortsetzung der
derzeitigen EU-Politik, insbesondere bei den Förderungen für den
Agrarbereich, würde der Türkei-Beitritt jedes Jahr 27 Milliarden Euro
kosten. Wie sie aufgebracht werden sollen, ist noch gänzlich offen.
Die EU hat es in den vergangenen Monaten nicht einmal geschafft, sich
über die Finanzperiode 2007 bis 2013 zu einigen. Es gehört nicht viel
Vorhersagekraft dazu, zu prophezeien, dass nach einem allfälligen
Beitritt der Türkei das Ringen ums Geld, insbesondere unter den
Nettozahlern wie Österreich, noch intensiver werden wird. Die EU hat
vor der nächsten Erweiterung noch selbst viele Hausaufgaben zu
bewältigen.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70/445
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