Wien (PK) - In seiner heutigen Sitzung befasste sich der
Rechnungshofausschuss ein weiteres Mal mit der bereits mehrfach
vertagten Materie der Situation an der Grazer und der Wiener
Gerichtsmedizin (III-106 d.B.), zu der dieses Mal Auskunftspersonen
gehört wurden. In der ersten Runde, die der Lage am Wiener
gerichtsmedizinischen Institut gewidmet war, standen den Mitgliedern
des Ausschusses Sektionschef Sigurd Höllinger, der ehemalige
Institutsleiter Manfred Hochmeister und der Rektor der MU Wien,
Wolfgang Schütz, zur Verfügung.
Abgeordneter Christian Puswald (S) verwies eingangs auf eine DVD, die
vom Rechnungshof gefilmtes Material enthalte, welche die unmöglichen
Zustände an der Gerichtsmedizin dokumentierten. Die baulichen
Verhältnisse dort seien unerträglich, wie mit den Leichen umgegangen
werde, pietätlos, die Zustände ganz allgemein unzumutbar, zumal für
jene, die dort arbeiten müssten. Dies alles sei eines demokratischen
Rechtsstaates unwürdig, meinte Puswald, der auf eine dringende
Änderung der Bedingungen drängte.
Abgeordneter Roderich Regler (V) befasste sich mit den Abrechnungen
für Sachverständigengutachten und forderte eine ansprechende
Abgeltung für die Betreffenden in Lehre und Forschung. Der
Rechnungshof habe hier eine klare, nachvollziehbare, transparente
Regelung eingemahnt, und dieser Empfehlung sollte man entsprechend
Folge leisten, meinte der Mandatar.
Abgeordneter Kurt Grünewald (V) wies auf die Verantwortung des
Ministeriums hin. Dieses hätte Zeit und Möglichkeiten gehabt, hier
fristgerecht einzugreifen und somit eine weitere Verschlechterung der
Lage hintanhalten können. Der Rechnungshof habe schon seit über 10
Jahren immer wieder auf die prekäre Situation hingewiesen,
Konsequenzen seien aber ausgeblieben, so Grünewald, der die
Verantwortung des Dienstgebers für seine Arbeitnehmer einmahnte und
auch auf die juristischen Aspekte der Causa einging. Das Ministerium
lasse die Universität in dieser Frage im Stich, beklagte der Redner.
Abgeordneter Herbert Haupt (F) hielt ebenfalls fest, dass das
gerichtsmedizinische Institut in Wien aus dem letzten Loch pfeife. Er
kritisierte den Umgang mit Hochmeister, der von Anfang an am Institut
einem Mobbing ausgesetzt gewesen sei und schließlich mit einer
anonymen Anzeige mundtot gemacht werden sollte. Derartige Vorgänge
ließen große Sorge hinsichtlich der Qualität der Ausbildung
entstehen. Die Kritik des Rechnungshofes spreche für sich, zudem
seien einige Aspekte dieser Causa ja bereits Gegenstand juristischer
Prüfung. Der Rektor solle seine Verantwortung wahrnehmen, meinte
Haupt, die bisherige Leitung stärken und für entsprechende bauliche
Verbesserungen Sorge tragen. Konkret wies Haupt noch auf den Vorwurf
hin, wonach einzelne Mitarbeiter des Instituts in der Dienstzeit
Privatgutachten unter Ausnutzung der institutionellen Infrastruktur
erstellt hätten und mahnte auch hier die Verantwortung des Rektors
ein.
Hochmeister erklärte, er sei von Anfang an durch die Sachverständigen
behindert worden. Als er am 1.1.2004 seinen Dienst angetreten habe,
da wollte er den Weltruf der Wiener Gerichtsmedizin wiederherstellen,
doch sei er auf katastrophale Zustände und massive Widerstände
gestoßen. Man habe ihm den Personalstand systematisch verringert und
die EDV-Anlage abgeschaltet. Zeitweise habe er ohne Sekretärin das
Auslangen finden müssen, die Sachverständigen seien ihren diversen
Nebenbeschäftigungen nachgegangen. Für ihn habe sich bald der
Verdacht des schweren gewerbsmäßigen Betruges ergeben, doch sei er
schließlich abberufen worden und habe seitdem keinerlei Informationen
mehr erhalten. Generell votierte Hochmeister für höchstes
wissenschaftliches Niveau, wofür es allerdings entsprechende
Änderungen, auch baulicher Natur, brauche.
Höllinger sagte, er habe gerüchteweise von diesen Verfehlungen
gehört, werte diese aber als persönliches Fehlverhalten, das
aufzuklären Aufgabe der Justiz sei. Der Sektionschef erläuterte die
Vorgangsweise des Ministeriums und ortete den Kern der
Fehlentwicklung in der Strafprozessordnung, die derzeit einzelne
Sachverständige statt der Universität als solche beauftrage. Dies
müsse geändert werden, sonst sei eine ordentliche Gebarung gar nicht
möglich. Der diesbezügliche Anstoß des Rechnungshofes sollte daher
aufgegriffen werden, meinte Höllinger, der weiters darauf hinwies,
dass durch das neue Universitätsgesetz nicht länger das Ministerium,
sondern die Universität selbst für diese Sache zuständig sei.
Schütz plädierte eingangs dafür, Lehre und Forschungstätigkeit in den
Mittelpunkt der Arbeit zu stellen, diene sie doch wesentlich der
Profilbildung des Instituts. Hinsichtlich der Gutachtertätigkeit
votierte er für eine Lösung im Sinne des Instituts. Das Problem sei
hier die fehlende StPO-Novelle. Schütz legte seine Sicht der
Entwicklung am Institut dar und erläuterte die Motive, die seitens
des Rektorats zur gewählten Vorgangsweise führten. Schütz urgierte
einen raschen Neubau und meinte, man möge den Vorschlägen des
Rechnungshofes entsprechen.
Am Institut für gerichtliche Medizin der Uni Wien sei derzeit der
Zustand eingetreten, dass jene Personen, die alles verursacht haben,
weiterhin dort tätig sind und Gutachten durchführen, gab
Rechnungshofpräsident Josef Moser zu bedenken. Man müsse sich
überlegen, welche Schritte gegenüber jenen Personen angebracht sind,
die das Institut bisher konkurrenziert haben und Nutznießer des
Systems waren. Wenn alles wieder in geordneten Bahnen verlaufen soll,
genügend Zeit für Forschung und Lehre zur Verfügung stehen soll, dann
wäre es nach Auffassung des Rechnungshofes am sinnvollsten, wenn die
Sachverständigentätigkeit zu einer Pflichtaufgabe der Medizinischen
Universitäten wird; dadurch würde sich auch eine gesonderte Vergütung
an die Sachverständigen erübrigen. Auf jeden Fall müssten
entsprechende Konsequenzen gezogen werden, betonte Moser, und der
Rechnungshof werde diese Causa auch mit Nachdruck weiterverfolgen.
Eduard Leinzinger, der Vorstand des Instituts für Gerichtliche
Medizin an der Universität Graz, wies zunächst darauf hin, dass er
seit 1997 die Kostenersätze eingestellt habe. Mit dem UOG 1993 habe
sich die Situation noch zugespitzt, da die bislang zweckgebundenen
Kostenersätze an die Finanzprokuratur überwiesen werden mussten. Sehr
problematisch sei auch die Personalsituation, da das Grazer Institut
mit 7 Akademikern und 11 Nicht-Akademikern auskommen müsse. Mit
diesem Stab soll jedoch ein Einzugsgebiet von insgesamt 1,8 Millionen
Menschen betreut werden, gab er zu bedenken. Dies führe u.a. auch
dazu, dass die Forschung quasi nur mehr in der Freizeit durchgeführt
werden kann. Außerdem wäre das Institut längst ausgehungert, wenn es
nur auf die öffentlichen Mittel angewiesen wäre. Er sei sehr
interessiert daran, dass eine vernünftige Regelung für die Zukunft
gefunden wird, wobei die Gerichtsmediziner alle an einem Strang
ziehen müssen.
Der Rektor der Medizinischen Universität Graz Gerhard Franz Walter
sprach die Kostenersatzermittlung an und wies darauf hin, dass eine
Wirtschaftsprüfungskanzlei damit beauftragt wurde, diese für die
Jahre 2001 bis 2003 durchzuführen. Die Unterlagen seien dem
Rechnungshof zur Verfügung gestellt worden. Man habe auch der
Staatsanwaltschaft die Unterlagen übermittelt. Univ.-Prof. Leinzinger
habe eine Selbstanzeige gemacht, disziplinarrechtliche Maßnahmen
wurden eingeleitet, das Verfahren ruhe aber so lange, bis die
Staatsanwaltschaft ihre Erhebungen abgeschlossen habe. Gegenüber der
Universität wurden alle Unterlagen vorgelegt, unterstrich der Rektor,
und mit dem Steuerberater von Leinziger durchgearbeitet. Für die
Jahre 2001 bis 2003 wäre ein Kostenersatz in sechsstelliger Höhe zu
leisten gewesen; es wurde auch ein sechsstelliger Betrag der
Medizinischen Universität überwiesen. Offen seien noch die
tatsächlich von Leinzinger geleisteten Aufwendungen für das Institut.
RH-Präsident Josef Moser machte darauf aufmerksam, dass in Graz nur
punktuell Vergleichsdaten erhoben wurden; im Rahmen einer Follow-up-
Überprüfung werde man sich näher damit befassen.
Die Verhandlungen über den Wahrnehmungsbericht des RH über
Teilgebiete der Gebarung des Bundes (III-106 d.B.) wurden vertagt.
Einen Vertagungsbeschluss gab es auch zum Wahrnehmungsbericht des RH
in III-139 d.B. Mit der Mehrheit der beiden Regierungsparteien wurde
der Wahrnehmungsbericht des RH über die Budgetkonsolidierung (III-
82 d.B.) zur Kenntnis genommen. (Schluss)
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OTS0242 2005-04-19/19:48
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