- 14.01.2005, 12:05:52
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Einem präsentiert DÖW-Studie zu den "braunen Flecken" im BSA - "Klärungsprozess schmerzhaft aber notwendig"
DÖW-Schwarz: Politische Reintegration ehemaliger Nazis in der Nachkriegszeit durch SPÖ und ÖVP
Wien (SK) "Der BSA stellt sich seiner Vergangenheit" - unter
diesem Titel präsentierten heute BSA-Präsident und SPÖ-Abgeordneter
Caspar Einem sowie Wolfgang Neugebauer und Peter Schwarz vom
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) den vom
DÖW erstellten Forschungsbericht zur Rolle des BSA nach 1945 bei der
gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten.
Neugebauer und Schwarz beleuchten darin die Motive und konkreten
Mechanismen, mit denen ehemalige Nazis im BSA Aufnahme fanden und
dadurch berufliche Karriere machen konnten; belegt wird dies durch
zahlreiche Einzelporträts. BSA-Präsident Einem - der BSA hatte die
Studie in Auftrag gegeben - sprach von einem "schmerzhaften
Klärungsprozess", der aber notwendig sei, "damit Wunden heilen
können". ****
"Wir haben es als BSA auf uns genommen, diese Geschichte
offenzulegen", so Einem bei der Präsentation. Natürlich sei für jene,
vor allem jüngere, die sich heute im BSA engagieren, diese Geschichte
des BSA eine große Belastung, der Klärungsprozess sei aber notwendig,
um Wunden zu heilen. Bei der Lektüre der Studie werde man sich auch
bewusst, wie stark die Kontinuität in der österreichischen Geschichte
eigentlich sei. Diese Kontinuität drücke sich in einzelnen Personen
aus, stecke aber der gesamten Gesellschaft noch "tief in den
Knochen", formulierte Einem.
"Wir haben die SPÖ und den BSA nicht geschont, es gab keine
Rücksichtnahme aus politischer Gefälligkeit", betonte Wolfgang
Neugebauer zur Arbeit an der Studie. Man habe auch von Seiten des
BSA und der SPÖ alle Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommen. Und
auch BSA-Präsident Einem habe diese schonungslose Aufarbeitung ohne
Abstriche befürwortet.
Neugebauer und Schwarz betonten aber auch, dass der BSA
sicher nicht als einzige politische Kraft über "braune Flecken"
verfüge; dies betreffe auch die ÖVP. Bei Untersuchungen zu
Interventionen für Nazis im Justizbereich habe man Belege, dass die
Interventionen durch die ÖVP für ehemalige Nazi-Juristen zahlenmäßig
die Interventionen des BSA bei weitem übertreffen; Schwarz nannte
konkrete Interventionen für ehemalige hohe Richter des
Volksgerichtshofes durch Figl oder Raab. Diese zeigten, dass auch bei
der ÖVP bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte "Handlungsbedarf"
bestehe. Diese Aufarbeitung müsse aber "als Selbstreinigungsprozess"
von innen initiiert werden. Einem dazu: Bei der Präsentation des
Zwischenberichts zur Studie habe es von einigen VP-Parteiblättern
"hämische Kommentare" gegeben; "offensichtlich besteht dazu kein
Anlass".
Die Studie zum BSA beschreibt detailliert die verschiedenen
Interventionen, mit denen versucht wurde, ehemaligen Nazis zu einer
beruflichen und politischen Karriere zu helfen und vor beruflichem
Ausschluss zu bewahren. Diese Interventionen gingen auch von der
Parteispitze, etwa von Adolf Schärf oder Bruno Pittermann, aus. Diese
Reintegration ehemaliger Nazis sei auch aus einem
Konkurrenzverhältnis zur ÖVP entstanden, weil die SPÖ durch
Vertreibung und Ermordung der Intellektuellen einen Mangel an
Personen hatte, die höhere Posten einnehmen konnten, man diese Posten
aber nicht der ÖVP und dem CV überlassen wollte. Gleichzeitig war
aber auch die Rückkehr Vertriebener nach Österreich nicht wirklich
erwünscht, weil man einerseits innerparteiliche Konkurrenz,
andererseits politische Nachteile fürchtete, wenn die SPÖ in der
Öffentlichkeit als "Judenpartei" dastehe, beschrieb Neugebauer die
damalige Stimmung. Die "Ehemaligen" wiederum konnten sich durch den
BSA die gesellschaftliche und berufliche Wiedereingliederung
erhoffen.
An sich, so Neugebauer weiters, habe es Beschlüsse des BSA
gegeben, zwischen minder und schwer belasteten Nazis zu
unterscheiden; die Integration minder belasteter Nazis und
politischer Mitläufer sei vertretbar, weil man ja nicht
Hunderttausende, die NS-Mitglieder waren, auf Dauer vom politischen
Leben ausschließen konnte. In der Realität wurde diese
Differenzierung zwischen minder Belasteten und auch an Verbrechen
beteiligten schwer Belasteten nicht eingehalten: Am augenfälligsten
wurde dies beim NS-Euthanasiearzt Heinrich Gross. Andere Beispiele
sind Heinrich Kunnert, in der Nazi-Zeit Leiter des
SS-Sicherheitsdienstes in Eisenstadt, der später Leiter des
burgenländischen Kulturamtes wurde, oder Ferdinand Obenfeldner,
Gestapo-Leiter in Innsbruck, der es später bis zum stv.
Landesvorsitzenden der SPÖ-Tirol brachte.
Ein zentrales Ergebnis der Studie, so Peter Schwarz, sei aber
auch, dass die Integration ehemaliger Nazis in den BSA auch bei
BSA-Mitgliedern selber auf sehr heftigen Widerstand gestoßen sei. Vor
allem die Wiener Fachvertretungen, wo der Anteil von
Widerstandskämpfern besonders hoch war, besonders auch der Wr.
BSA-Ärztefachverband mit Kurt Steyrer und Josef Schneeweiß,
kritisierten das Vorgehen in BSA-Gruppen vor allem in den westlichen
und südlichen Bundesländern massiv, so Schwarz.
"Der Wille zum aufrechten Gang" - so der Titel der Studie - wurde vom
Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und
KünstlerInnen (BSA) herausgegeben; Studienautoren sind Wolfgang
Neugebauer, ehemaliger DÖW-Leiter, und Peter Schwarz,
wissenschaftlicher Mitarbeiter des DÖW. Das Buch ist im Czernin
Verlag erschienen. (Schluss) ah
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