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"Tiroler Tageszeitung" - Kommentar: "Kopf im Sand" (Von Gerd Glantschnig)
Ausgabe vom 29. Dezember 2004
Innsbruck (OTS) - Es gibt wohl weit und breit kein Gesetz, das
nach dem Beitritt zur EU derart oft repariert werden musste wie das
Tiroler Grundverkehrsgesetz. Und immer waren es Gerichtsurteile, die
den Gesetzgeber, sprich Tiroler Landtag, gezwungen haben, so manchen
Paragraphen umzuformulieren oder gar zu streichen. Man müsse sich vor
dem Ausverkauf des Landes schützen hieß es allenthalben. Und ein
anderer Slogan lautete "Bauernland in Bauernhand". Und so wurde das
Grundverkehrsgesetz zum Bollwerk gegen die EU ausgebaut.
Das hatte nahezu zwangsläufig zur Folge, dass Grundprinzipien des
EU-Rechts, wie etwa die Niederlassungsfreiheit oder die Freiheit des
Kapitalverkehrs unter der Räder der Tiroler Abwehrgesetze gerieten.
Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten. Denn nicht nur der
Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg schoss aus vollen
Rohren, sondern auch der Verfassungsgerichtshof in Wien erinnerte
unter anderen mehrmals daran, dass auch in Tirol der
Gleichheitsgrundsatz anzuerkennen sei, und das Eigentumsrecht nicht
willkürlich eingeschränkt werden dürfe.
Doch in Tirol glauben so manche Politiker nach wie vor, dass es
Aufgabe der Grundverkehrsbehörde ist, zu bestimmen, wer in Tirol
Bauer sein darf.
Niemand hat etwas dagegen, dass landwirtschaftliche Grundstücke
ordentlich bewirtschaftet werden. Aber Selbstbewirtschaftung und
Residenzpflicht vorzuschreiben, erinnert an Staaten, von denen wir
früher durch den Eisernen Vorhang getrennt waren.
Es ist Zeit, dass Tirol zur Kenntnis nimmt, Mitglied der EU zu sein
und nicht mehr den Kopf in den Sand steckt. Im Grundverkehr wäre es
zudem wünschenswert, durch klare Gesetze Behördenwillkür möglichst
auszuschalten. Das verlangt übrigens auch der Verfassungsgerichtshof
in seinem jüngsten Erkenntnis zur Selbstbewirtschaftung.
Rückfragehinweis:
Tiroler Tageszeitung, Chefredaktion - Tel.: 05 04 03/ DW 601
OTS0132 2004-12-28/18:46
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