Baier: "Verweigerung der Anerkennung ist beschämendes Relikt des Kalten Krieges
Wien (OTS) -
Zum 100. Mal jährt sich heute der Geburtstag von Alfred Klahr, dem
wohl bedeutendsten Theoretiker der Kommunistischen Partei
Österreichs. "Klahrs Namen ist vor allem mit seiner bahnbrechenden
1937 publizierten Arbeit über die eigenständige Existenz einer
österreichischen Nation verbunden. Dass das offizielle Österreich
dieser wichtigen Persönlichkeit der österreichischen
ArbeiterInnenbewegung noch immer die Anerkennung verweigert, stellt
ein beschämendes Relikt des Antikommunismus und des Kalten Krieges
dar," erklärt KPÖ Vorsitzender Mag. Walter Baier.
>>>>
>>>> Neben dem konservativen Ernst Karl Winter war Alfred Klahr der
erste und entscheidende Theoretiker, der der Eigenstaatlichkeit
Österreichs eine historisch-wissenschaftliche Grundlage schuf.
Geschichtswirksam wurde seine Arbeit im am 13. März 1938
veröffentlichten Aufruf des Zentralkomitees der Kommunistischen
Partei Österreichs, mit welchem das "Volk von Österreich und alle
Völker Europas und der Welt" zum Widerstand gegen den Faschismus"
aufgerufen wurden. Die Arbeit Klahrs und der maßgeblich von
KommunistInnen geleistete Widerstand schufen die moralische Grundlage
für die Moskauer Deklaration 1943, mit der die Alliierten die
Wiedererrichtung eines unabhängigen Österreichs zu einem Kriegsziel
erklärten. Für zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, die sich nach
1945 mit der österreichischen Nationswerdung aus allgemein-, kunst-
oder literaturgeschichtlicher Perspektive beschäftigten, gab Alfred
Klahrs Arbeit einen Anstoß.
>>>> Zu Versuchen, sein Werk in der heute in der KPÖ geführten
ideologischen Auseinandersetzung zu instrumentalisieren, erklärt
Baier: "Alfred Klahrs Theorie lässt sich nicht außerhalb ihres
historischen Hintergrunds, der drohenden Einverleibung Österreichs in
das Terrorregimes des Nationalsozialismus verstehen. Ihre politische
Funktion bestand darin, dem von der KPÖ mobilisierten Widerstand die
breitest mögliche politische Basis zu schaffen. Bei aller
berechtigten Opposition -- etwa gegen den Entwurf für eine
EU-Verfassung -- wird niemand die EU ernsthaft als eine faschistische
Dikatur bezeichnen und mit Nazi-Deutschland gleichsetzen. Diesen
Unterschied zu übergehen, heißt Analyse durch eine 'Politik der
Gefühle' ersetzen
>>>
>>> Klahr verstand Nationen nicht als übergeschichtliche
unveränderliche Tatsachen, sondern ordnete gemäß seiner marxistischen
Methode die 'nationalen Probleme' in soziale und klassenmäßige
Zusammenhänge ein. Die heutige Globalisierung der kapitalistischen
Wirtschaft und die Integration Europas haben die Gesellschaften
gründlich verändert. Damit muss man sich als Linker und als
KommunistIn auseinandersetzen. Dazu reicht das einfache Wiederholen
alt bekannter Formeln nicht aus. Im Unterschied dazu hat Alfred Klahr
mit seinen Thesen, die er Mitte der 30er-Jahre im sowjetischen Exil
unter wachsender persönlicher Geffährdung entwickelte, bis zu diesem
Zeitpunkt gültige Dogmen überwunden.
>>>
>>>> Das Werk Alfred Klahrs und der von KommunistInnen geleistete
Widerstand gegen den Faschismus können nur um den Preis ihrer
Entstellung für die Rechtfertigung einer rückwärts gewandten
nationalistischen Politik vereinnahmt werden. Selbst zum Zeitpunkt
der aller größten politischen Dramatik, in der Nacht vom 13. März
1938, bestand die Kommunistische Partei auf einer
internationalistischen Perspektive: "Durch seine eigene Kraft," so
hieß es im historischen Aufruf des ZK , "und durch die Hilfe des
Weltfront des Friedens", werde jenes "freie, unabhängige Österreich
wiedererstehen", für das die Partei zu kämpfen aufrief.
>>>>
>>>> Es ist bedauerlich, dass bis heute keine detaillierte Biographie
Alfred Klahrs vorliegt. Auffälligerweise dauerte es bis ins Jahr
1994, dass die KPÖ seine wichtigste Arbeit, "Zur nationalen Frage in
Österreich" in Buchform publizierte ( Alfred Klahr, Zur
österreichischen Nation, Globus-Verlag Wien). Im von Friedl Garscha
und Walter Baier verfassten Vorwort heißt es: ' Zwar wurde der Name
Alfred Klahrs...in der Partei stets hoch geehrt. Sein Werk war jedoch
nur bruchstückhaft zugänglich.
>>>> Einzelne Zeugnisse, wie etwa die seiner Diskussionen mit dem
betdeutenden trotzkistischen Theoretiker Roman Rosdolsky während der
Haft im KZ Ausschwitz, zeigen Klahr als einen vielseitigen und
vorurteilsfreien Intellektuellen, der auch aus seinen Erfahrungen in
der Sowjetunion unter Stalin Lehren gezogen hatte.
Im"Ausschwitz-Text", entstanden in der KZ-Haft, konstatierte Klahr
eine Mitverantwortung des deutschen Kommunismus für den Sieg des
Nationalsozialismus: Die Partei müsse bei der "Prüfung der
Vergangenheit" vorausgehen und sie mit einer selbstkritischen
Überprüfung der eigenen Haltung verbinden.
>>>>
>>>> Alfred Klahrs vom internationalen Lagerkomitee und Hermann
Langbein (er verließ die KPÖ später) organisierte Flucht aus dem
Konzentrationslager endete unter ungeklärten Umständen in Warschau,
wo er von einer SS-Streife festgenommen und erschossen wurde.
>>>>
>>>> "Alfred Klahrs Leistung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt
zu machen und ihr die Anerkennung zu schaffen, die ihr aufgrund ihrer
theoretischen und geschichtlichen Bedeutung zukommt, bleibt weiterhin
die Aufgabe der KommunistInnen", schloss Baier.
>>>>
OTS0214 2004-09-16/14:41
OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | NKP