- 19.07.2004, 16:40:18
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Schwarzböck: EU-Zuckerreform-Vorschlag stellt funktionierendes System in Frage
Adaptionen statt Totalreform - Zuckerrüben-Bauern brauchen Planungssicherheit
Wien (AIZ) - "Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur
Reform der Zuckermarktordnung, die heute im Rahmen der
EU-Agrarminister-Tagung beraten wurden, sind weit überzogen und
gefährden die Zuckererzeugung in der EU. Zwar sind Adaptionen der
Marktordnung auf Grund der internationalen Abkommen der EU mit den
Entwicklungsländern und auch im WTO-Konnex notwendig, eine weit
gehende Demontage der in den Grundelementen nach wie vor
funktionierenden Regelungen ist jedoch nicht gerechtfertigt und wird
von der bäuerlichen Interessenvertretung daher strikt abgelehnt",
stellte der Vorsitzende der Präsidentenkonferenz der
Landwirtschaftskammern, Rudolf Schwarzböck, mit Nachdruck fest.
Zuckererzeugung nur mehr in Großbetrieben und EU-Gunstlagen?
Die Vorschläge der Kommission bedeuten einen Rentabilitätsverlust
im Zuckerrübenanbau von zumindest einem Drittel. Durch die
gleichzeitige Entkoppelung der für die Preissenkung geplanten
Ausgleichszahlungen sinkt die Rentabilität des Anbaus um mehr als die
Hälfte. Auf schlechteren bis mittleren Standorten wird der Rübenanbau
schlicht unwirtschaftlich, so Experten. Dazu Schwarzböck: "Wenn die
Vorschläge so umgesetzt werden, ist ein enormer Strukturwandel
vorprogrammiert. Viele unserer bäuerlich strukturierten
Familienbetriebe verlieren ein wesentliches Einkommensstandbein. Um
diese Einkommensverluste auszugleichen, müssten Betriebe, wenn das
überhaupt möglich und ökonomisch zielführend ist, ihre Fläche
überdurchschnittlich ausweiten und die Produktion intensivieren."
"Vielen Betrieben bleibt so der Weg in den
außerlandwirtschaftlichen Zu- und Nebenerwerb als einzige
Möglichkeit, ihren Lebensstandard zu halten. Wachstum und
Intensivierung haben zur Folge, dass zahlreiche Familienbetriebe
aufgeben, da Fläche nicht beliebig vermehrbar ist. Es wird damit
immer schwieriger, die Existenz einer bäuerlich strukturierten
Landwirtschaft mittelfristig zu erhalten. Auch diese Aspekte sollte
die Kommission ehrlicherweise in ihrer leider zu einseitigen
Begründung der Reformvorschläge erwähnen und erklären, ob bäuerliche
Familienbetriebe und Multifunktionalität in der innerhalb weniger
Jahre mehrmals reformierten Agrarpolitik überhaupt noch Bestand haben
beziehungsweise aus Sicht der Kommission noch ein verfolgenswertes
Ziel sind. Der Hinweis der Kommission, dass auch unter
Reformbedingungen Einkommen in der Landwirtschaft steigen, reicht
nicht. Denn die Kommission sagt nicht dazu, wie viele Bauern dafür
weichen müssen und ob dafür entsprechende Arbeitsplatzangebote
außerhalb der Landwirtschaft verfügbar sind. Hier ist die Europäische
Kommission fundierte Antworten nach wie vor schuldig", unterstrich
Schwarzböck.
Reform entlastet Umwelt nicht
Durch die Reform verringere sich nach Meinung der Europäischen
Kommission auch die Belastung der Umwelt, die der bisherige
Intensivanbau verursache. "Dazu ist zu sagen, dass beispielsweise die
Düngeintensität des Rübenanbaues auf dem Niveau von Gerste oder Hafer
liegt und damit deutlich geringer ist, als bei anderen
landwirtschaftlichen Kulturen. Zuckerrübenanbau mit noch geringerer
Intensität ist nicht lukrativ. Diese Vorschläge entlasten die Umwelt
nicht. Im Gegenteil: Zwar werden ungünstige Standorte aus der
Produktion ausscheiden. Doch in anderen Regionen wird es zu einer
deutlichen Intensivierung des Anbaues kommen müssen. In diesen
Gebieten werden die Rübenanteile in der Fruchtfolge steigen, um die
Logistikkosten zu senken und die Auslastung der immer größer
werdenden Spezial(ernte)maschinen zu verbessern. Nur so kann Europa
der Konkurrenz aus den größten Zucker-Produktionsgebieten der Welt
wie Südamerika etc. standhalten", ergänzte Schwarzböck.
Im Hinblick auf die Zuckererzeugung in Übersee erklärte der
Präsident: "Ich verstehe nicht, wie man diese Produktion mit der
nachhaltigen Zuckererzeugung in Europa überhaupt vergleichen kann.
Die Produktions-Intensität in diesen Ländern ist um ein Vielfaches
höher als bei uns. Dort müssen Regenwald und Urwald mit allen
negativen klimatischen Folgen weichen und die sozialen Bedingungen
sind unvergleichlich schlecht. Aber anscheinend ist das in Europa
kein Thema", bedauerte Schwarzböck.
Planbarkeit für Rübenbauern wird schlechter
Nach Ansicht der Kommission gewinnen die Landwirte durch die
Reform an Planungssicherheit. Schwarzböck dazu: "Diese Aussage ist
unrichtig. Werden bestimmte Marktordnungsinstrumente beseitigt, wird
der EU-Markt noch weltmarktabhängiger. Die unvermeidliche Folge sind
stärkere Preisschwankungen vor allem auch nach unten. Dies wird
beschleunigt durch die Abschaffung der Intervention, die durch eine
private Lagerhaltung ersetzt werden soll. Diese soll erst auf einem
signifikant unter dem um ein Drittel reduzierten Referenzpreis zu
wirken beginnen. Zu dem erhöhten Preisrisiko kommt noch, dass die
jährlichen Produktionsmengen im Nachhinein angepasst werden könnten.
Wie man daraus eine erhöhte Planbarkeit für die Bauern ableiten kann,
bleibt ein Geheimnis der Kommission."
"Zwar soll die Zuckermarktordnung sinnvoll weiterentwickelt
werden, damit der Rübenanbau auch weiterhin ein attraktives
Produktionssegment für unsere Bauern bleibt. Auch sind gewisse
Anpassungen, wie die Reduktion der Produktionsmengen und damit der
Quoten, unter anderem wegen des Vorpreschens der Kommission durch
Einräumung des ungehinderten Marktzutrittes für bestimmte Länder
unvermeidlich. Doch wir erwarten eine deutliche Entschärfung der
Reformvorschläge. Konkret sollen Elemente wie Preisgarantie und
Außenschutz erhalten werden. Preissenkungen sollen nur in dem Ausmaß
vorgenommen werden, in dem bisherige indirekte Abgaben und Kürzungen
berücksichtigt werden. Damit soll den Bauern tatsächliche
Planungssicherheit gegeben werden", betonte Schwarzböck.
(Schluss)
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