Europäische Qualitätsstandards für Handwerksberufe sind nötig, um Nivellierung nach unten zu vermeiden
Wien (PWK492) - Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) plädiert
für eine Liberalisierung der EU-Dienstleistungsmärkte mit Augenmaß.
"Das Ziel, bürokratische Hürden bei der Erbringung von
Dienstleistungen im EU-Ausland abzubauen, wird von uns zwar
prinzipiell unterstützt, weil dadurch die Möglichkeit besteht, das
Wachstumspotenzial der EU besser auszuschöpfen. Das darf aber nicht
um den Preis von Qualitätsdumping passieren", sagte der
stellvertretende Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich,
Reinhold Mitterlehner, heute, Dienstag, im Rahmen eines
Pressegesprächs in Brüssel.
Mit der EU-Richtlinie, die im Jänner dieses Jahres von der
EU-Kommission vorgeschlagen wurde, soll das Herkunftslandprinzip
gestärkt werden. Im Klartext: Dienstleister, die in einem
Mitgliedstaat rechtmäßig tätig sind, sollen ihre Dienstleistungen
auch in anderen EU-Staaten anbieten können, ohne weitere Vorschriften
erfüllen zu müssen. Derzeit ist dafür in Österreich ein so genannter
"Gleichhaltungsbescheid" notwendig.
"Die vollständige Umstellung auf das Herkunftsprinzip klingt
vielleicht in der Theorie gut. In der Praxis droht dadurch aber ein
schädliches Qualitätsdumping und eine Nivellierung aller
Berufszugangs-, Berufsausübungs- und Ausbildungsvorschriften nach
unten", warnte Mitterlehner. Ganz konkret bestehe zum Beispiel die
Gefahr, dass Dienstleistungen in jene Länder verlagert werden, wo die
Zugangsvoraussetzungen zu Handwerksberufen am niedrigsten sind.
Vor diesem Hintergrund fordert die Wirtschaftskammer eine Reihe von
Änderungen am Entwurf der EU-Kommission, der derzeit vom EU-Rat und
vom Europaparlament behandelt wird. Insbesondere müssen einheitliche
europäische Qualitätsstandards eingeführt werden, bevor das
Herkunftslandprinzip zur Anwendung kommt. "Solange es solche
einheitlichen Qualitätsstandards nicht gibt, sollte der Berufzugang
zu Handwerken auf Basis der bestehenden nationalen Gesetze geregelt
werden, in Österreich also auf der Grundlage der Gewerbeordnung",
sagte Mitterlehner.
Skeptisch beurteilt die WKÖ zudem den Vorschlag der EU-Kommission,
wonach auch gewerbepolizeiliche Aufgaben künftig dem Herkunftsland
überlassen werden sollen. Mitterlehner: "Die Gewerbeaufsicht des
entsendenden Landes wird kaum ein Interesse haben, gegen einen
Gewerbetreibenden einzuschreiten, der hunderte oder gar tausende
Kilometer entfernt in einem anderen EU-Staat gegen die Regeln
verstößt. De facto könnte es also einen rechts- oder gesetzlosen Raum
geben."
"Wettbewerbsgleichheit in Europa kann und darf nicht damit geschaffen
werden, dass in manchen Mitgliedstaaten, die wie Österreich über ein
hohes Ausbildungsniveau verfügen, bewährte Berufsausbildungs- und
Gewerbeausübungsregelungen beseitigt werden. Gute Ausbildung und
Qualität sind Wettbewerbsfaktoren, die erhalten und ausgebaut werden
müssen", so Mitterlehner abschließend. (SR)
OTS0085 2004-07-13/11:15
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