"Tiroler Tageszeitung" - Kommentar: "Klärung überfällig" (Von Monika Dajc)

Innsbruck (OTS) - Fast schon rührend hört sich die Geschichte an,
die der St. Pöltner Oberhirte Krenn über "Buben-Dummheiten" und den
alten Brauch des Küssens unter einem Mistelzweig zum Besten gibt.
Nach all den seltsamen und befremdlichen Vorgängen, die das
Priesterseminar von Krenns Diözese seit längerem im Zentrum von
Ermittlungen halten, sind freilich ganz andere Antworten überfällig.
Ätzende Schonungslosigkeit war immer ein zweifelhaftes Markenzeichen
Krenns, wenn es um behauptete oder tatsächliche Fehler anderer ging.
Ein Höchstmaß an Selbstgewissheit ließ ihn bei sich selbst über jeden
Zweifel erhaben formulieren und agieren.
Die Verdachtsmomente um das Seminar und seine führenden
Persönlichkeiten haben auch den Vatikan schon vor geraumer Zeit
erreicht, offenbar auf Veranlassung hoher Kirchenkreise in
Österreich. Anlass zu Eile sah man bisher in Rom offenbar nicht.
Sorgsame Prüfung ist wichtig und richtig, denn es gilt bekanntlich
für jeden Verdächtigen die Unschuldsvermutung. Die Flucht in
Schweigen oder hartnäckiges Leugnen ist indes in mehrfacher Hinsicht
naiv. Dieser Abwehrreflex war bekanntlich auch im sattsam bekannten
Fall Groer kontraproduktiv, zeigte gegenüber den Opfern unchristliche
Härten. Im Fall der pädophilen US-Priester erfolgte die schonungslose
Klärung erst recht mit großer Verspätung.
Trotz bester Absichten ist niemand vor Fehlern gefeit. Im Leben auf
unserer Welt bleibt die Vollkommenheit bekanntlich eine äußerst
seltene Ausnahme. Trotz dieser unbestreitbaren Tatsache tun sich die
katholische Kirche und ihre führenden Vertreter auch im dritten
Jahrtausend mit dem Eingeständnis eklatanter Missstände oder
Fehlentwicklungen in ihren Reihen immer wieder unfassbar schwer. Die
Wortwahl der Reaktionen auf Misstände bewirkt meist noch ein Übriges,
um für Befremden und Verwunderung zu sorgen.

Rückfragehinweis:
Tiroler Tageszeitung, Chefredaktion - Tel.: 05 04 03/ DW 601

OTS0029    2004-07-11/17:14

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