- 16.06.2004, 13:18:49
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- OTS0159 OTW0159
Haupt: OGH schiebt "Knebelungsverträgen" der Fernwärme Wien einen Riegel vor
Wien (BMSG/OTS) - Drei Vertragsklauseln, die die Fernwärme Wien
ihren Verträgen mit Verbrauchern für den Bezug von Raumheizung und
Warmwasser zugrunde legt und die dadurch die Konsumentinnen und
Konsumenten "knebeln", sind gesetzeswidrig - dies erkannte der
Oberste Gerichtshof in einer bahnbrechenden Entscheidung.
Konsumentenschutzminister Mag. Herbert Haupt zeigte sich sehr erfreut
über dieses OGH-Urteil: "Ein besonderes Anliegen von mir ist es,
Verträge von marktbeherrschenden Unternehmen - wie in diesem Fall der
Fernwärme Wien - besonders genau auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu
überprüfen, um sicherzustellen, dass die Konsumentenschaft auch
wirklich zu ihrem Recht kommt. Ich habe daher den Verein für
Konsumenteninformation damit beauftragt, klagsweise gegen insgesamt 3
Vertragsklauseln der Fernwärme Wien vorzugehen". ****
Diese Bestimmungen sehen vor, dass
** der Mieter während der gesamten Dauer des Mietverhältnisses an den
Fernwärmelieferanten gebunden ist, bzw.
** der Wohnungseigentümer während der gesamten Dauer seines
Eigentumsrechtes Fernwärme von der Fernwärme Wien zu beziehen hat,
bzw.
** sich der Fernwärmekunde verpflichtet, dafür zu sorgen, dass bei
Änderung des Eigentums- oder Miteigentumsverhältnisses der Nachfolger
in den Vertrag einsteigt.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) argumentierte, dass
diese Vertragsbestimmungen gegen das Konsumentenschutzgesetz
verstoßen bzw. sittenwidrig seien. "Verträge über wiederkehrende
Leistungen müssen nämlich nach einer bestimmten Zeit kündbar sein und
Haftungsregelungen bedürfen einer sachlichen Rechfertigung",
konkretisierte Haupt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Klage des VKI in allen drei
Punkten vollinhaltlich statt und verurteilte die Fernwärme Wien zur
Unterlassung dieser Vertragsbestimmungen. Weiters stellte der OGH
klar, dass auf Einzelverträge über die Lieferung von Fernwärme das
Konsumentenschutzgesetz - das in § 15 die höchst zulässige
Bindungsdauer von Verträgen regelt - Anwendung findet. Daran können
vertragliche Vereinbarungen zwischen Wohnungseigentümern bzw.
Vermietern und Verbrauchern nichts ändern. Insbesondere kann ein
Eigentümer bzw. Vermieter im Wohnungseigentums-Kaufvertrag bzw.
Mietvertrag nicht wirksam die Dauer des Fernwärmeliefervertrages in
einer Art und Weise regeln, die den Vorgaben des
Konsumentenschutzgesetzes widerspricht.
Der Fernwärme-Einzelliefervertrag ist daher nach den Regeln des
§ 15 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) kündbar. Demnach können gem. §15
Abs. 1 Verträge unter Einhaltung einer zweimonatigen Frist zum Ablauf
des ersten Jahres, danach zum Ablauf jeweils eines halben Jahres
gekündigt werden. Davon abweichende angemessene Kündigungstermine
bzw. Kündigungsfristen dürfen nach Abs 3 nur vereinbart werden, wenn
die Erfüllung des Vertrages erhebliche Aufwendungen erfordert und
dies dem Verbraucher bei Vertragsabschluß auch bekannt gegeben wird.
Dabei reichen aber vage, globale Hinweise auf erhebliche Aufwendungen
nicht aus. Vielmehr sind Informationen erforderlich, die erkennen
lassen, welche besonderen Aufwendungen das Unternehmen zu tragen hat,
und die die angestrebte Bindungsdauer nachvollziehbar und angemessen
erkennen lassen.
"Dieser Informationspflicht ist die Fernwärme Wien nicht
nachgekommen, sodass die Vereinbarung einer längeren Bindungsfrist
unwirksam ist. Jedenfalls ist eine 'lebenslange' Vertragsbindung -
auch bei entsprechend korrekter Angabe über Aufwendungen - nach dem
Konsumentenschutzgesetz unzulässig und unwirksam", zitierte der
Konsumentenschutzminister die Klarstellung des OGH. Die beiden
Vertragsklauseln wurden daher als unwirksam qualifiziert, sodass die
Fernwärmelieferverträge nach einem Jahr bzw. danach jeweils
halbjährlich kündbar sind.
Nicht geäußert hat sich der OGH zur Frage, ob eine zulässige
Kündigung des Fernwärmeliefervertrages allenfalls einen Verstoß gegen
mietvertragliche Bestimmungen darstellen könnte. Zu dieser
Rechtsfrage hat sich jedoch kürzlich Univ.-Prof. Schauer zu Wort
gemeldet (wob. 2004, 133). Er kommt zum Schluss, dass
Vertragsbindungen in Mietverträgen ebenfalls den Regelungen des § 15
KSchG in analoger Anwendung unterliegen. Dieser Rechtsansicht
folgend, könnte eine Kündigung des Fernwärmeliefervertrages keine
nachteiligen Folgen aus dem Eigentums- oder Mietvertrag nach sich
ziehen. Diese Rechtsfrage ist jedoch noch nicht geklärt.
Insoweit ist eine Kündigung von Einzel-Fernwärmelieferverträgen mit
rechtlichen Risken verbunden, auf die an dieser Stelle hinzuweisen
ist. "Ich werde jedoch im Anlassfall zur Klärung der Rechtslage einen
entsprechenden Musterprozess in Auftrag geben", beruhigte Haupt.
Die Verpflichtung, dass der Kunde dafür zu sorgen hat, dass sein
Nachfolger (Nachmieter, Eigentümer) in den Fernwärmeliefervertrag
eintritt, andernfalls er weiterhin aus dem Vertrag haftet, wurde vom
Obersten Gerichtshof ebenfalls als grob benachteiligend qualifiziert.
Diese Vertragsbestimmung würde unter Umständen nämlich dazu führen,
dass ein Verbraucher, der die Wohnung nicht mehr bewohnt und dessen
Nachfolger nicht bereit ist, einen Fernwärmeliefervertrag
abzuschließen, auf unbefristete Dauer weiterhaften müsste. "Diese
Regelung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das Argument der
Fernwärme Wien zur Rechtfertigung der Haftung, nämlich, dass
'Trittbrettfahrer' in günstiger Mittellage des Wohnobjektes die
Verträge kündigen und von umgebenden Wohnungen 'mitbeheizt' werden,
konnte den OGH glücklicherweise nicht überzeugen. Und wieder einmal
wurde den österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten zu ihrem
Recht verholfen, und das ist gut so", schloss
Konsumentenschutzminister Mag. Herbert Haupt. (Schluss) bxf
OTS0159 2004-06-16/13:18
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