- 04.06.2004, 10:34:44
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SCHAMBECK FÜR NEUE VERFASSUNG MIT PRÄAMBEL UND GOTTESBEZUG
Vortrag vor der Wiener Juristischen Gesellschaft über "Österreichs
Verfassung zwischen Politik und Recht"
Wien, 4. Juni 2004 (ÖVP-PK) Das Bemühen des Verfassungskonvents
sollte zu einer neuen Staatsrechtsordnung führen, die sowohl
bürgernah als auch kostensparend ist, erklärte der frühere
Bundesratspräsident em.o.Univ.-Prof. Dr. Herbert Schambeck in seinem
Vortrag vor der Wiener Juristischen Gesellschaft über "Österreichs
Verfassung zwischen Recht und Politik" im Wiener Rathaus. ****
Es wäre begrüßens- und wünschenswert, könnte eine etwaige
Verfassungsreform in Österreich als EU-Mitglied sich an dem Niveau
des geplanten EU-Verfassungsvertrages und damit auch der
EU-Grundrechtscharta ein Maß nehmen und sich dies in einem neuen
österreichischen BVG mit einer Präambel und den Grundrechten an der
Spitze sowie in den Staatsorganisationsvorschriften ausdrücken, so
Schambeck.
"Diese Grundordnung der EU enthält sowohl am Beginn des
EU-Verfassungsvertrages als auch der EU-Grundrechtscharta eine
Präambel und am Beginn der Charta die Anerkennung der 'Würde des
Menschen':
Nach der bisherigen Rechtstradition hat das Verfassungsrecht
Österreichs zwar keine Präambel; sie entspricht auch nicht der
bisherigen Verfassungstradition Österreichs, wohl aber der einer
Vielzahl anderer Staaten in Europa. Als Beispiel sei besonders das
Grundgesetz Deutschlands genannt, aber auch auf die kürzlich
beschlossenen Verfassungen der Schweiz und Polens verwiesen.
Eine Präambel sucht Idealität und Realität zu verbinden. Sie hat
Symbolbedeutung und Grundsatzcharakter. Sie vermag in einer
pluralistischen Demokratie das Gemeinsame zu verdeutlichen. Sie
stellt Sozialgestaltungsempfehlungen dar, die über das
Verfassungsrecht hinaus in der übrigen Rechtsordnung ihre Aus- und
Durchführung verlangen", so Schambeck weiter.
"In vielen Fällen sind diese Präambeln mit den Grundrechten im
wahrsten Sinne des Wortes präpositiv begründend. Dies zeigt sich
besonders in der anerkennenden Erklärung der Würde des Menschen, wie
im Art. 1 des Grundgesetzes Deutschlands.
Diese Würde des Menschen, die schon 1948 in die Präambel und in
Art. 1 der UNO Menschenrechtsdeklaration aufgenommen wurde, erhält in
der Tradition des abendländischen Rechtsdenkens ihre metaphysische
Begründung in der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit der Menschen."
Derartige Wertaussagen habe das B-VG, das auf Hans Kelsen
zurückgehende Stammgesetz des österreichischen Verfassungsrechts,
nicht enthalten. Kelsen habe das auch selbst begründet. Er selbst
habe nämlich im Zusammenhang mit seiner Darstellung der Entstehung
der Bundesverfassung in seinem Kommentar zum B-VG dieses mehr als
Provisorium denn als Endstadium betrachtet und festgestellt: "Unsere
Verfassung weist eine sonst bei Verfassungsurkunden übliche
Eingangsformel, das Proömium, wie sie sich zum Beispiel bei der
amerikanischen, der schweizerischen und der neuen deutschen
Verfassung vorfindet, nicht auf."
Kelsen erklärte dies damit, "weil das Bundes-Verfassungsgesetz
mangels einer selbständigen Kodifizierung der Grund- und
Freiheitsrechte keine vollständige Verfassungsurkunde darstelle".
Das angestrebte neue BVG könnte diese Präambel aber enthalten und
einer transzendenzbezogenen Verantwortung, die für jeden Menschen
offen ist, Raum geben, so Schambeck. "Man übersehe nämlich nicht den
bedingenden Zusammenhang von Gottesklausel, Menschenwürde und
Menschenrechte!"
"Eine derartige Präambel würde eine Verpflichtung für das übrige
Verfassungsrecht sein, nämlich besonders für den Grundrechtsteil. Die
Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, schon bisher besonders zu den
Grundrechten, hat zu diesem materialen Verfassungsverständnis
hingeführt.
Für den Fall einer Präambel stellt sich die Frage nach deren
Inhalt und in diesem Fall auch nach der Gottesklausel."
Sie lautet beispielsweise im deutschen Grundgesetz 1949: "Im
Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen" und
vermag den Zusammenhang von Gottesbezug und Menschenwürde
herzustellen, die übrigens gleich im Art. 1 beispielgebend im
Deutschen Verfassungsrecht festgehalten ist.
(Fortsetzung)
OTS0076 2004-06-04/10:34
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