- 28.04.2004, 10:36:23
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Der letzte Kronzeuge Stauffenbergs: Carl Szokoll und die Zivilcourage
3sat-Porträt des Nazi-Widerstandskämpfers und "Retters von Wien" anno 1945
Wien (OTS) - "Die Jugend von heute braucht wieder Ideale und sie
braucht vor allem angesichts des neuen Europas auch viel
Zivilcourage. Diese Werte zu vermitteln, bin ich verpflichtet." Das
sagt Carl Szokoll, 88, als Nazi-Widerstandskämpfer am
Stauffenberg-Attentat beteiligt und erst mehr als vier Jahrzehnte
nach Ende des Krieges als einer der "Retter von Wien" im Jahr 1945
gefeiert. Diesem bedeutenden Zeitzeugen ist das halbstündige Porträt
"Der letzte Kronzeuge Stauffenbergs: Carl Szokoll und die
Zivilcourage" von Peter Dusek, Leiter des ORF-Fernseharchivs, und
Regisseur Georg Madeja gewidmet, das am Dienstag im RadioCafe in Wien
präsentiert wurde und das 3sat am Sonntag, dem 9. Mai 2004, um 18.30
Uhr zeigt. Dieser Film ist auch Teil eines Schulprojekts des
internationalen "Arbeitskreises zur Förderung und Entwicklung von
reflektiertem Geschichtsbewusstsein" und wird in erweiterter Form in
Schulen gezeigt werden. Zudem ist die Herausgabe von Begleitmaterial
zu diesem Thema geplant.
Carl Szokoll kann als letzter Kronzeuge des missglückten
Stauffenberg-Attentats auf Adolf Hitler bezeichnet werden. Wenn der
88-Jährige von seiner lebensgefährlichen Teilnahme an der Aktion
"Walküre" im Juli 1944 Schülern von heute erzählt, dann münden seine
Erinnerungen stets in den Satz: "Wir leben in viel besseren Zeiten
als im grauenhaften NS-Regime, aber Zivilcourage ist immer
notwendig."
Die Fragen der Schüler kreisen stets um den Umstand, wieso Carl
Szokoll unentdeckt blieb, während alle anderen Mitstreiter von
Stauffenberg verhaftet und hingerichtet wurden. "Ich hatte Glück.
Stauffenberg riet mir bei einem letzten Zusammentreffen, in Hinkunft
mich über die Stiefelausgabestelle mit ihm verbinden zu lassen."
Offenbar gab er diesen Rat nicht an andere weiter, denn als am 20.
Juli 1944 das Bombenattentat misslang, wurden alle hingerichtet, die
Stauffenberg direkt angerufen hatten. Nur Major Szokoll ließ sich
über die Wäschekammer bzw. Stiefelausgabestelle mit dem Kopf der
Aktion "Walküre" verbinden.
Allerdings riskierte Carl Szokoll wenige Monate später noch einmal
Kopf und Kragen. Denn in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs
gehörte er zu jenen, die die Politik der verbrannten Erde durch die
Nationalsozialisten vereitelten und zugleich den Kontakt zur
Sowjetarmee herstellten. Dadurch wurde Wien ein Schicksal wie
Budapest erspart. Carl Szokoll entging auch im Frühjahr 1945 nur
knapp der Verhaftung und Hinrichtung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er seine Widerstandserfahrungen
als Filmproduzent auf und war u. a. für den Erfolgsfilm "Die letzte
Brücke" mit Bernhard Wicki und Maria Schell verantwortlich. Noch
heute agiert er als Zeitzeuge vor Schülern und Lehrern, um seine
Lebenserinnerungen an die nächsten Generationen weiterzugeben.
In der halbstündigen Dokumentation wird der aufregende Lebensweg des
heute 88-jährigen Carl Szokoll nacherzählt und man erlebt ihn auch
bei Veranstaltungen mit der Jugend von heute. Neben authentischem
Archivmaterial werden auch Zitate aus diversen
Stauffenberg-Verfilmungen gebracht, auch aus der aktuellen Version
der ARD-ORF-RAI-Koproduktion "Stauffenberg", die am 25. Februar 2004
im ORF zu sehen war.
OTS0082 2004-04-28/10:36
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