"Ziel muss ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz sein"
Wien (SK) Scharfe Kritik an den Gesetzesvorlagen der
Regierung, mit denen die Antidiskriminierungs- und
Antirassismusrichtlinie der EU umgesetzt werden sollen, übten
Donnerstag SPÖ-Frauensprecherin Barbara Prammer und
SPÖ-Menschenrechtssprecher Walter Posch in einer gemeinsamen
Pressekonferenz mit NGO-Vertretern und der Grün-Abgeordneten
Stoisits. Kern der Kritik: Die Regierung versuche, nur das
Notwendigste aus den EU-Richtlinien umzusetzen; wesentliche Aspekte
eines echten Antidiskriminierungsgesetzes, wie etwa eine unabhängige
Ombudsstelle, Beweislastumkehr und ein gleiches "Schutzniveau" für
alle Diskriminierungsopfer fehlen. ****
Österreich sei schon seit geraumer Zeit bei der Umsetzung der
zwei EU-Richtlinien zu Antidiskriminierung und zu Antirassismus
säumig, so Prammer eingangs. Nun liegen zwei Regierungsvorlagen vor,
die das Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst und das
für die Privatwirtschaft novellieren sollen und in denen
Antidiskriminierungsbestimmungen, wie sie die EU fordert, einfließen.
Für Prammer und Posch ist dies bereits der erste Kritikpunkt, da das
Gleichbehandlungsgesetz ursprünglich zur Beseitigung von
Diskriminierungen zwischen Mann und Frau geschaffen wurde.
Gesetzliche Bestimmungen zur Antidiskriminierung, wie sie die
EU-Richtlinien fordern, sollten auch in einem umfassenden
Antidiskriminierungsgesetz enthalten sein, so die Forderung von SPÖ,
Grünen und Opposition. SPÖ-Abgeordneter Posch sieht freilich wenig
Chancen, dass es zu einem solchen umfassenden Gesetz kommt. Dazu gebe
es keinerlei Signale von Seiten der Regierung. Im Parlament wird nun
zwischen Opposition und Regierung über die beiden Regierungsvorlagen
zur Gleichbehandlung verhandelt.
Kritik an unterschiedlichen "Schutzniveaus"
Ein Hauptkritikpunkt sind die unterschiedlichen
"Schutzniveaus" für unterschiedliche Diskriminierungsopfer. So ist
der Schutz vor Diskriminierung etwa für Behinderte oder Angehörige
ethnischer Minderheiten höher als der Schutz vor Diskriminierung
wegen sexueller Orientierung oder Religionszugehörigkeit, kritisierte
etwa Kurt Krickler von der Homosexuelleninitiative HOSI. "Einem
homosexuellen Türken, der eine Discothek betreten will, kann zwar
dann nicht mehr wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit, wohl aber
wegen seiner Homosexualität der Zutritt verweigert werden", brachte
Krickler ein Beispiel.
Neben einem einheitlichen Schutzniveau für alle
Diskriminierungsopfer fordert SPÖ-Abgeordneter Posch weiters eine
unabhängige Ombudsstelle, die nach den Vorstellungen der SPÖ bei der
Volksanwaltschaft angesiedelt sein sollte, da diese dem Parlament und
nicht der Regierung rechenschaftspflichtig ist. Auch die fehlende
Beweislastumkehr und die "unverhältnismäßig geringen Strafen" sind
für Posch ein zentraler Kritikpunkt an der Regierungsvorlage, ebenso
wie die Tatsache, dass die NGOs nicht eingebunden werden. "Deshalb
lehnen wir den vorliegenden Entwurf ab und hoffen, dass wir in den
Verhandlungen doch noch zu einem effizienten
Antidiskriminierungsgesetz kommen", so Posch. Mitte Mai tagen die
zuständigen Ausschüsse Gleichbehandlungs- und
Menschenrechtsausschuss.
NGOs: "Mit dieser Regierung kein Dialog möglich"
Auch die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen
kritisierten die Vorgangsweise der Regierung und den Inhalt der
Regierungsvorlage scharf. Constanze Pritz vom Ludwig Boltzmann
Institut für Menschenrechte, das einen eigenen Entwurf für ein
Antidiskriminierungsgesetz erarbeitet hat, sprach von der
"Ambitionslosigkeit" der Regierungsvorlage, die sich "wortgenau an
die EU-Richtlinie hält, um ja nur kein höheres Schutzniveau im Gesetz
zu verankern". Und Adebiola Bayer von der Anti-Rassismus-Initiative
ZARA verwies darauf, dass die EU-Richtlinie sehr wohl die Einbindung
der NGOs vorsehe, von Seiten der Regierung aber nur die Sozialpartner
eingebunden werden. Ähnlich Kurt Krickler von der HOSI: "Mit dieser
Regierung ist kein wirklicher Dialog möglich."
Antidiskriminierung: Ausweichende Antworten von
Ferrero-Waldner, klare Worte von Heinz Fischer
Präsentiert wurden im Rahmen der Pressekonferenz auch die
Stellungnahmen der beiden Präsidentschaftskandidaten Heinz Fischer
und Ferrero-Waldner, die zu konkreten Punkten des
Antidiskriminierungsgesetzes befragt wurden. Vertreter der NGOs, wie
z.B. Adebiola Bayer, kritisierten, dass Ferrero-Waldner, obwohl
Mitglied der Regierung, die die Regierungsvorlage dem Parlament
übermittelt hat, nur sehr ausweichend und oberflächlich Stellung
bezogen hat. Im Gegensatz dazu habe sich Heinz Fischer konkret und im
Detail für "ein gutes Antidiskriminierungsgesetz, das auch die
Zustimmung von NGOs findet" (Fischer), ausgesprochen. (Schluss)ah
OTS0146 2004-04-22/12:14
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