- 18.03.2004, 15:57:32
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2. Neurologen-Jahrestagung in Linz: Zahl der Demenzkranken vielfach unterschätzt
Experten: Spezialeinrichtungen vermeiden beim Schlaganfall Todesfälle und Behinderungen
Linz (OTS) - Die zunehmende Bedeutung neurologischer Erkrankungen
und die beeindruckenden Fortschritte des Faches sind Thema der 2.
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (18. -
20. März in Linz). Europäische Spitze ist Österreich heute in der
Behandlung von Schlaganfällen, der dritthäufigste Todesursache.
Studien zeigen, dass eine konsequente Behandlung in spezialiserten
Einheiten ("Stroke-Units") rund 1.000 Patienten pro Jahr das Leben
retten kann, und die Behinderungsrate drastisch sinkt. Weniger
erfreulich ist, dass Demenz-Erkrankungen weiter verbreitet sind als
angenommen. Rund 100.000 Österreicher leiden an dieser krankhaften
Form der Vergesslichkeit, jedoch nur etwa zehn Prozent werden
rechtzeitig angemessen behandelt. Ziel ist die Früherkennung und
angemessene Behandlung mit immer besser wirksamen
Kombinationstherapien.
"Grundvoraussetzung für die optimale Versorgung neurologischer
Patienten ist eine entsprechende Infrastruktur", sagt Univ.-Prof. Dr.
Franz Aichner, Leiter der Neurologischen Abteilung an der
Oberösterreichischen Landesnervenklinik Wagner Jauregg. Führende
Neurologen informieren bei der 2. Jahrestagung der Österreichischen
Gesellschaft für Neurologie (18. - 20. März in Linz) über Ursachen
verbreiteter neurologischer Erkrankungen, aktuelle Trends in der
Behandlung und die Versorgungssituation für Patienten. "Das Konzept
der so genannten Stroke-Units hat die Akut-Neurologie und
insbesondere die akute Schlaganfallversorgung revolutioniert", sagt
Prof. Aichner, der auch Präsident der Jahrestagung ist.
20.000 Schlaganfälle in Österreich pro Jahr: Bedarf an spezialisierter Behandlung steigt
Etwa 20.000 Menschen erleiden in Österreich jährlich einen
Schlaganfall, insgesamt 60.000 leiden an den Spätfolgen dieser
Krankheit, die heute in der Neurologie zu den wichtigsten
Herausforderungen zählt. Der "Hirninfarkt" gilt heute als die
häufigste Ursache bleibender Behinderungen, nach
Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebs ist er die dritthäufigste
Todesursache.
Prof. Aichner: "Gemessen an internationalen Standards findet sich
österreichweit nicht nur eine ausgezeichnete Qualität der
Schlaganfallbehandlung, sondern auch eine erfreuliche Dichte
spezialisierter Behandlungseinrichtungen." Basis des modernen
Schlaganfallsmanagements ist eine Empfehlung der
Weltgesundheitsorganisation WHO, wonach alle Schlaganfall-Patienten
Zugang zu einer spezialisierten Schlaganfallstation haben sollen.
Österreich zählt inzwischen, was die Umsetzung dieses Konzepts
betrifft, zur europäischen Spitze. "Wir verfügen derzeit bereits über
25 Stroke-Units, zehn weitere werden bald in Betrieb gehen", zeigt
Prof. Aichner die derzeit laufenden Kapazitätserweiterungen auf. Bis
2005 soll das Ziel von 40 Stroke-Units in Österreich erreicht sein.
Allerdings ist auch ein steigender Bedarf an speziellen
Neurorehabilitationsplätzen zu beobachten. "Hier liegt die Versorgung
bedauerlicherweise noch im Argen. Zum Teil müssen Patienten drei bis
sechs Monate auf einen Rehabilitationsplatz warten", kritisiert Prof.
Aichner die Probleme an der Schnittstelle zwischen Akutversorgung und
Nachsorge. "In machen Fällen müssen die Akutspitäler diese Aufgabe
übernehmen, weil uns einfach spezialisierte Einrichtungen fehlen. Das
ist sicher nicht sinnvoll und wird auch immer schwieriger, weil
Akutbetten abgebaut werden."
Stroke-Units verringern Todesfälle und Spätfolgen: Bis zu 1000 Patienten könnten überleben
Schlaganfall-Spätfolgen können in vielen Fällen überhaupt
verhindert oder zumindest deutlich gelindert werden, wenn die
Patienten in spezialisierten Einrichtungen behandelt werden.
"Schlaganfallstationen senken die Sterblichkeitsrate deutlich und
führen zu einem deutlich niedrigeren Behinderungsgrad", sagt Prof.
Aichner. Die Leistungen dieser Einrichtungen sind mittlerweile
wissenschaftlich gut dokumentiert. "Vergleicht man die Behandlung von
100 Menschen auf einer Schlaganfallstation und einer Normalstation,
so treten auf einer Schlaganfallstation vier bis fünf Todesfälle
weniger auf", zitiert Prof. Aichner aktuelle Untersuchungsergebnisse.
Auf Österreich umgelegt bedeutet das: Bei bis zu 1.000 Patienten ist
durch eine Behandlung in einer Stroke-Unit der Tod durch einen
Schlaganfall vermeidbar.
"Die Studien haben außerdem gezeigt, dass die frühzeitige
Einweisung in eine Stroke-Unit auch eine niedrigere Behinderungsrate
und eine frühere Heimkehr in die gewohnte Umgebung bewirkt", betont
Prof. Aichner. Auch eine hohe Zufriedenheit der Patienten und ihrer
Angehörigen mit den Stroke-Units konnte klar nachgewiesen werden.
Neues in der Behandlung
Nicht nur die beeidruckenden Erfolge, die in
Schlaganfall-Stationen erreicht werden können, werden bei der
Neurologen-Tagung in Linz auf dem Programm stehen, sondern auch neue
Behandlungsansätze. "Seit Kurzem ist die so genannte Thrombolyse in
Österreich als Schlaganfall-Behandlung zugelassen, wir können hier
gute Erfolge beobachten," sagt Prof. Aichner. Eine ursprünglich aus
der Herzinfarkt-Therapie stammende Substanz kann Blutgerinnsel
auflösen, die Blutgefäße im Gehirn "Verstopfen". Allerdings muss die
Behandlung innerhalb der ersten drei Stunden erfolgen, eine
Zeitspanne, die bei vielen Betroffenen noch nicht erreicht wird.
Prof. Ransmayr: Demenz - trotz drastischer Zunahme unterschätzt und unterbehandelt
Weniger erfreulich als beim Schlaganfall sieht die
Versorgungssituation bei Demenzen aus, die auf der Linzer
Neurologen-Tagung ebenfalls im Mittelpunkt der Diskussionen steht.
"Tatsächlich erhält nur ein kleinerer Teil der Patienten rechtzeitig
die angemessene Therapie. Dies liegt auch an einer unzureichenden
Wahrnehmung des Problems und an rel. geringen Diagnoseraten. Dieser
folgende Satz kann nicht bestätigt werden, da bis jetzt die %Zahlen
nicht bei mir eingetroffen sind. 90000 Pat ist korrekt.Von den rund
90.000 Betroffenen in Österreich sind nur acht bis zehn Prozent in
Behandlung bei einem Neurologen, der eine wirksame Therapie einleiten
kann", sagt Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr, Leiter der
Neurologischen Abteilung am AKH in Linz. "Häufig wird die Diagnose zu
spät gestellt, wodurch der Therapieerfolg vermindert wird."
Denn obwohl die Altersdemenz nicht heilbar ist, gibt es heute gute
therapeutische Möglichkeiten, die Symptomentwicklung hinauszuzögern
und den Patienten länger ein möglichst selbstständiges Leben zu
sichern. "Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht ist die zunehmende
Vergesslichkeit im Alter keine herkömmliche Alterserscheinung, mit
der man sich abfinden müsste", stellt Prof. Ransmayr klar. Erst
kürzlich sei der Nachweis gelungen, dass gerade bei schweren Formen
der Demenz eine Kombinationstherapie - des Cholin-Estrasehemmers
Donepezil mit dem Wirkstoff Memantine - eine bessere Wirkung bringt
als die herkömmliche Behandlung mit nur einer Substanz. Zusätzlich,
so Prof. Ransmayr, müssen in allen Erkrankungsphasen eventuelle
begleitende psychiatrische Störungen wie zum Beispiel Depressionen,
oder Wahrnehmungsstörungen wie Halluzinationen angemessen behandelt
werden. Wichtig ist auch die umfassende psychosoziale Betreuung von
Patienten und Angehörigen.
Bessere Aufklärung und frühere Diagnose
Anzustreben, so Prof. Ransmayr, sei die Diagnose der Demenz
bereits in einem möglichst frühen Stadium: "Hinweise geben
Funktionsstörungen, wie sich systematisch nicht an Namen oder
Telefonnummern zu erinnern, Gegenstände verlegen, sich den Inhalt von
Zeitungsartikel nicht zu merken, oder bei einer Tätigkeit zu
vergessen, was man eigentlich tun wollte." Mittels verschiedener
bildgebender Verfahren können dann die Ursachen einer Demenz
entdeckt, und anschließend entsprechend behandelt werden.
Das Auftreten von Demenz-Erkrankungen nimmt schon aufgrund der
ständig steigenden Lebenserwartung dramatisch zu. Nach
Expertenschätzungen könnte sich die Zahl der davon Betroffenen in den
nächsten 15 Jahren verdoppeln. Die häufigste Ursache von Demenz ist
die Alzheimer-Krankheit, häufig in Kombination mit Gehirnerkrankungen
wie Durchblutungsstörungen ("gemischte Demenz").
Heute, so Prof. Ransmayr, müsse aufgrund des zunehmenden Wissens
bei der Diagnose auch die Möglichkeit seltenerer Demenzformen in
Betracht gezogen werden: Demenzen des Pick-Komplex fallen durch
emotionale und Verhaltens-Störungen der Patienten auf, etwa
Antriebsschwäche, Feindseligkeit oder Veränderung des Essverhaltens.
Und die "Demenz mit Lewy-Körperchen" sei in 80 Prozent der Fälle mit
Parkinson-Symptomen und Halluzinationen vergesellschaftet.
Prof. Poewe: Wachsender Bedarf an Neurologie in Österreich
Die Bedeutung der Neurologie im Rahmen der Patienten-Versorgung
hat im Lauf der letzten Jahre enorm zugenommen, fasst Univ.-Prof. Dr.
Werner Poewe, Leiter der Universitätsklinik für Neurologie in
Innsbruck und derzeitiger Präsident der Österreichischen Gesellschaft
für Neurologie (ÖGN), die aktuelle Entwicklung zusammen. Die
Neurologie umfasst als medizinisches Fach das gesamte Spektrum der
Diagnostik, wie der akuten, palliativen und rehabilitativen Therapie
von Erkrankungen des Nervensystems - also des Gehirns, des
Rückenmarks und der peripherer Nerven, aber auch der Muskulatur.
"Neurologische Erkrankungen sind auf Grund ihrer Häufigkeit von
großer gesundheitspolitischer Relevanz", betont Prof. Poewe. "Das
zeigt sich zum Beispiel an der Häufigkeit von neurodegenerativen
Erkrankungen - rund drei Prozent der über 70-jährigen Österreicher
leiden an einer Parkinson-Krankheit - oder der Häufigkeit der
Epilepsien. Fünf Prozent der Bevölkerung erleiden während ihres
Lebens einmal einen epileptischen Anfall. Von Migräne sind 10 Prozent
aller jüngeren Erwachsenen betroffen". Rund zehn Prozent der über
65-Jährigen sind vom so genannte "Restless Legs Syndrom" betroffen -
einer Erkrankung, die zu den häufigsten Ursuchen chronischer
Schlafstörungen zählt.
Prof. Poewe: "Wir verzeichnen aber auch eine enorme
Weiterentwicklung des Fachs, insbesondere was die technischen
Diagnosemöglichkeiten betrifft." Die interdisziplinären
Herausforderungen auf dem Gebiet der Neurologie lassen auch in den
nächsten Jahren eine rasante Entwicklung vermuten.
Die ÖGN hat sich 2000 aus der bis dahin gemeinsamen Gesellschaft
für Neurologie und Psychiatrie als eigenständige wissenschaftliche
Fachgesellschaft etabliert. Damit wurde nicht nur den neuen
Ausbildungsgegebenheiten in Österreich Rechnung getragen, die
getrennte Fachärzte für Neurologie und für Psychiatrie vorsehen,
sondern insbesondere der immer noch im Wachsen befindenden Bedeutung
des Fachgebiets der Neurologie Rechnung getragen.
"Darüber hinaus bestehen enge Kontakte zur Bundessektion der
Fachärzte für Neurologie innerhalb der Österreichischen Ärztekammer
im Bereich der Erarbeitung von Qualitätssicherungsprojekten und der
Weiterentwicklung von Österreichweit gültigen diagnostischen und
therapeutischen Standards in der neurologischen Versorgung",
beschreibt Prof. Poewe wichtige Aufgaben der noch jungen
Fachgesellschaft. "Die ÖGN arbeitet unter anderem auch eng mit dem
Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitsforschung in
Zusammenhang der Leistungsangebotsplanung für neurologische Patienten
in Österreich zusammen."
Neben den jährlich veranstalteten wissenschaftlichen Kongressen,
die einen breiten Überblick über aktuelle wissenschaftliche
neurologische Forschung in Österreich geben und gleichzeitig die
Aufgabe einer Fortbildungsakademie für angestellte und
niedergelassene Ärzte übernehmen, veranstaltet die ÖGN regelmäßig
fachspezifische Weiterbildungen in allen wichtigen Bereichen des
Faches.
OTS0237 2004-03-18/15:57
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