• 27.02.2004, 11:21:38
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Dirnberger bei Medizinmesse: Beiträge zur Krankenversicherung auf wertschöpfungsorientiertes Modell umstellen

Kaputtsparen im Gesundheitssystem - Patienten und Krankenpflegerinnen bleiben auf der Strecke

Bild zu OTS - Uneins über die Qualität der ärztlichen Versorgung und über die Aufbringung zusätzlicher Mittel für die Krankenversicherung waren sich auf der Medizinmesse Medicura der Geschäftsführer des Hauptverbandes Josef Kandlhofer (re.) und AK-Vizepräsident Alfred Dirnberger (li.).

Wien (OTS) - Ein klares "Nein" sagte AK-Vizepräsident Alfred
Dirnberger auf die Frage "Können Medikamentenpreise alleine das
Gesundheitssystem sanieren". Das war das Thema der Enquete "Einer
zahlt drauf" auf der Wiener Medizinmesse Medicura. Dirnberger dazu
weiter: "Das behauptet auch niemand, nur war diese Debatte um
Einsparungen bisher am einfachsten, wenn man etwa an die anderen
großen Bereiche Ärzte und Spitäler denkt. Aber es sind auch bei den
Medikamenten noch wesentliche Einsparungen möglich!" Dirnberger
verwies bei möglichen Einsparungen bei Medikamenten auf die
Presseaussendung der Pharmig von vergangenem April mit dem Hinweis,
dass demnach doch sehr viel Geld der Pharmafirmen, in, wie es
Dirnberger umschrieb, "Ärztebetreuung und Ärztelobbying" fließt, das
nicht unmittelbar etwas mit der Arbeit der Pharmareferenten vor Ort
beim Arzt zu tun hat.

Ärztelobbying der Pharmafirmen wird von Ärztekammer bestätigt

Dirnberger: "Sie wissen, was ich meine: Einladung zum Lachsfischen
nach Alaska, Einladungen an Ärzte zu Kongresse in Übersee, deren
Inhalt man genauso gut auf einer gut gemachten Homepage kommunizieren
könnte. Die Ärztekammer hat dies im Vorjahr bestätigt, Titel der
Ärzteaussendung: ‚Nach wie vor flattern Einladungen von Pharmafirmen
zu den Ärzten!’ Ich behaupte: wenn die Pharmafirmen ihre Information
an die Ärzte auf das notwendige Weitergeben von Information über
Medikamente beschränken, ist bei den Marketingbudgets sicher sehr
viel einzusparen, was die Krankenkassen durch weniger Kosten bei den
Verschreibungen entlastet." Dr. Dreßler von der Pharmig bestätigte
solche Auswüchse, denen er mit einem neuen Verhaltenskodex begegnen
will.

Es geht um Verbesserungen, nicht ums Kaputtsparen

Dirnberger beschäftigte sich in seinem Statement auch mit dem
Einsparungspotential bei den Spitälern: "Ich sag es ganz offen, wenn
wir die Qualität für die Patienten in gewohnt hohem Standard und die
Arbeitsbedingungen für die dort Beschäftigten aufrecht erhalten
wollen, werden sich keine wesentlichen Einsparungen ausgehen. Mit den
systematischen Spitalschließungsplänen des Gesundheitsökonomen Prof.
Köck wird es nicht gehen." Bei Einsparungen im Gesundheitswesen, so
Dirnberger, bleiben zwei Gruppen auf der Strecke: Die
KrankenpflegerInnen in den Spitälern, auf die der Druck noch erhöht
wird und natürlich die Patienten.

Rauch-Kallat verschärft Hürden für Facharztplanstellen

Dirnberger: "Bereits vor 10 Jahren habe ich mit der Kampagne in NÖ
"Wir kurieren den Ärztemangel" auf die schlechte Versorgung der
Bevölkerung mit Fachärzten hingewiesen. Eine seltsame Allianz aus
Ärzten und Politikern hat sich zuerst mit den absurdesten Argumenten
gegen diese Forderung gestellt. Nur damit Sie wissen, worum es
gegangen ist: In einzelnen Bezirken Niederösterreichs gab es damals
nicht einen Kinderarzt, in meinem Heimatbezirk mussten Frauen 5
Monate auf einen Termin beim Gynäkologen warten. Schließlich habe ich
mich mit meiner Forderung durchgesetzt. Die Faktenlage war zumindest
in NÖ nicht länger zu leugnen, zusätzliche, freilich noch nicht
ausreichend genug Fachärztestellen mit Kassenvertrag wurden von der
Ärztekammer mit Zähneknirschen genehmigt. Ich bin aber nach wie vor
der Meinung, dass es kein Veto der Ärztekammer gegen zusätzliche
Kassenstellen geben darf. Diesbezüglich ist das ASVG, in dem dieses
Veto geregelt ist, zu novellieren. Gänzlich unzumutbar aber ist die
jüngste Meldung von Gesundheitsministerin Rauch-Kallat, wonach
künftig die Krankenkassen keine neuen Vertragsstellen für Ärzte
vergeben könnten, ohne dass die Länder zustimmen. Damit könnte
künftig nicht nur die Ärztekammer neue Kassenplanstellen wie bisher
schon durch das Gesetz gedeckt verhindern, sondern zusätzlich noch
die Länder. Einfach unerträglich für die Patienten."

Oberösterreich ist bei der Gesundheitsversorgung ein abschreckendes
Beispiel

Dirnberger erwiderte auf den Einwand von Kandlhofer,
Niederösterreich sei besser gestellt als etwa Oberösterreich, dass
Oberösterreich nur als abschreckendes Beispiel für die
Versorgungssituation gesehen werden kann: "Nach einem Medienbericht
aus dem Jahr 2001, und es ist nicht zu erwarten, dass sich die
Situation entscheidend verbessert hat, stehen in Oberösterreich im
Bezirk Braunau für 94 500 Einwohner nur 14 Fachärzte zur Verfügung!
Das heißt nach der Bevölkerungsstatistik für etwa 45 000 Männer ein
Urologe! Oder anders ausgedrückt 1 Orthopäde für 94 500 Leute, oder 2
Gynäkologen für 50 000 Frauen! Wartezeiten auf einen Facharzttermin
von einem halben Jahr sind daher in OÖ eigentlich die Regel."

In Hinblick auf die Versorgung der Patienten stellte Dirnberger
bei der Enquete noch ein paar Fragen in den Raum: "Muss ein Arzt mit
Kassenvertrag auch noch in einem öffentlichen Spital arbeiten, dort
womöglich Primar sein? Hat der nicht ohnehin genug in seiner
Ordination zu tun? Wäre es nicht besser, dieser Arzt verlängert die
Öffnungszeiten seiner Ordination? Wieso dürfen Fachärzte mit
Kassenvertrag einen Tag in der Woche die Ordination schließen?
Darüber ärgern sich übrigens massiv die praktischen Ärzte, weil sie
das nicht dürfen und dadurch tageweise vermehrt Patienten und
übervolle Wartezimmer haben, von jenen, die vor den geschlossenen
Türen vor allem der Kinderärzte, HNO- und Hautärzte stehen."

Finanzierung der Krankenversicherung durch wertschöpfungsorientiertes
Modell

Dirnberger zum Schluss seines Statements bei der Enquete "Einer
zahlt drauf": "Ich glaube, dass man im Gesundheitssystem durchaus da
und dort Einsparungen vornehmen kann und Auswüchse zurechtstutzen
sollte. Aber mit diesen Einsparungen lässt sich nicht jener
Mehrbedarf an Geld erzielen, den unser Gesundheitssystem schon heute
braucht und in Zukunft noch vermehrt brauchen wird. Das beweist uns
ein Blick auf die Altersstatistik. Daher braucht das
Gesundheitssystem mehr Geld, und wenn der einzelne nicht auf der
Strecke bleiben soll, weil er sich dies nicht leisten kann, werden
wir um eine Erhöhung der Einnahmen zur solidarischen
Krankenversicherung nicht herumkommen, auch wenn das unter den
derzeitig neoliberal Regierenden nicht zur Kenntnis genommen werden
will".

Dirnberger in Konfrontation zu Kandlhofer: "Im Entscheidungsfall
bin ich für die solidarische, d.h. gleichmäßige Beitragserhöhung der
Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge statt der einseitigen Belastung
der Arbeitnehmer und Patienten durch zusätzliche Selbstbehalte, wie
sie durch die Regierung nun bei den Arztbesuchen drohen. Die Zukunft
der Finanzierung unseres Gesundheitssystems liegt aber zuerst in der
Umstellung auf eine Finanzierung der Krankenkassen, die mit der
volkswirtschaftlichen Entwicklung Schritt hält. Daher meine Forderung
nach einer Umstellung der Berechungsbasis für die Dienstgeberbeiträge
weg von der lohnbezogenen hin auf die gesamte Wertschöpfung der
Unternehmen."

Bild(er) zu dieser Meldung finden Sie im AOM/Original Bild Service,
sowie im OTS Bildarchiv unter http://bild.ots.at

OTS0114    2004-02-27/11:21

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