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"Kleine Zeitung" Kommentar: "Nur noch Platzpatronen" (von Erwin Zankel)
Ausgabe vom 21.12.2003
Graz (OTS) - Jörg Haider kann nur noch sich selbst in die Luft
sprengen, nicht aber die Koalition. Zumindest bis zum 7. März nicht.
Bis zu den Landtagswahlen in Kärnten, die über sein politisches
Schicksal entscheiden werden, muss er alles tun, um den Schaden,
den er durch seinen Fernsehauftritt angerichtet hat, in Grenzen zu
halten.
Was ihn angetrieben hat, George Bush und Saddam Hussein auf eine
Stufe zu stellen, bleibt ein Rätsel. Als Haider am Montag in Wien
eine Pressekonferenz zur Steuerreform gab, wehrte er Fragen, ob
die Amerikaner nicht einen Doppelgänger Saddams gefangen genommen
hätten, noch lachend ab. Nach Klagenfurt heimgekehrt tischte er
am Dienstag aber im Live-Interview mit "ZiB 2"-Lady Ingrid Thurnher
eine Mischung aus abstrusen Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien,
Unterstellungen und Verdrehungen auf. Die Sicherungen waren
durchgebrannt.
Seither rudert Haider zurück. Er fühlt sich wieder einmal
missverstanden, obwohl er genau spürt, dass er allein schuld ist,
weil ihm diesmal außer seinen Kärntner Leibeigenen niemand
mehr zur Hilfe eilt. Die Minister in Wien schweigen betreten.
Selbst seine Schwester, die sich als geschäftsführende Parteichefin
den Mikrofonen stellen musste, ging auf Distanz.
Der Bundeskanzler tat die Aussagen überhaupt als Hirngespinste
eines Wirrkopfes ab, die man leider nicht verhindern könne, weil in
Österreich Meinungsfreiheit herrsche. Wolfgang Schüssel kalkulierte
kühl, dass Haider derzeit keine Gefahr für die Koalition darstellt.
Das blaue Regierungsteam weiß nur zu genau, dass es an Bord bleiben
muss, wenn es nicht untergehen will. Ein zweites Knittelfeld wäre
unweigerlich das Ende der FPÖ. Der Versuch der Generalsekretärin,
mit einem Liebesentzug für die Außenministerin bei den
Bundespräsidentenwahlen zu drohen, hatte nicht einmal die Wirkung
eines Schreckschusses mit Platzpatronen.
Hubert Gorbach zeigte es vor: Die auf zehn Prozent abgesackte FPÖ
muss sich ducken und den braven Vetter der ÖVP abgeben. Eine
Koalition funktioniert nur dann, wenn sie auf einer berechenbaren
Partnerschaft beruht. Das gilt freilich wechselseitig. Deshalb ist
der 7. März ein Schicksalstag für das schwarz-blaue Bündnis.
Sollte Haider bei den Landtagswahlen in Kärnten nur Zweiter werden,
von Peter Ambrozy jedoch nicht deutlich abgehängt werden, wird sich
die Kärntner ÖVP entscheiden müssen, ob sie der SPÖ zum
Landeshauptmann verhilft. Bleibt Georg Wurmitzer seinem Schwur treu,
Haider nie und nimmer zu wählen, könnte tatsächlich die Regierung in
Wien in Brüche gehen.****
OTS0032 2003-12-20/17:37
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