Wien (OTS) - 5. Österreichische Präventionstagung des Fonds
Gesundes Österreich versammelt ausländische und österreichische
ExpertInnen in Wien - Wohlstandserkrankungen als Herausforderung für
die Gesundheitsförderung
Die Sterblichkeit durch akute Infektionen ist in den vergangenen
100 Jahren dramatisch gesunken. Heute sind die so genannten
"Zivilisations-Erkrankungen" die häufigste Todesursache. Am 13. und
14. November diskutieren internationale ExpertInnen bei der 5.
Präventionstagung des Fonds Gesundes Österreich in Wien, wie die
Entstehung dieser modernen Volksleiden verhindert oder verzögert
werden kann.
"Prävention soll künftig in der österreichischen Gesundheitspolitik
noch höhere Bedeutung haben und die größten Potenziale für Vorsorge
bestehen bei den so genannten Wohlstandserkrankungen", sagte
Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat, Präsidentin des Fonds
Gesundes Österreich, anlässlich der Eröffnung der 5. Österreichischen
Präventionstagung heute in Wien. Deshalb, ergänzte die Ministerin,
betrachte sie die ExpertInnen-Konferenz in Wien als wesentlichen
Beitrag dazu, diese weit verbreiteten Beschwerden künftig in
möglichst hohem Ausmaß zu vermeiden. "Demografische Entwicklung und
medizinischer Fortschritt üben einen enormen Kostendruck aus", sagte
die Ministerin. "Dem wollen wir offensiv mit einem Paradigmenwechsel
entgegensteuern. Vorsorgen ist besser als Heilen, mehr
Gesundheitsförderung erspart Krankheitsbekämpfung. Wir wollen
Menschen motivieren, mehr für die eigene Gesundheit zu tun."
"Zivilisations-Erkrankungen" sind heute die bei weitem häufigste
Todesursache. In Österreich entfielen im Jahr 2001 rund 76 Prozent -
mehr als drei Viertel - aller Todesfälle auf
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Weitere häufige Todesursachen
sind Diabetes mellitus, Lungenerkrankungen und Leberzirrhose. Noch
vor 100 Jahren waren hingegen vor allem Infektions-Krankheiten wie
Lungenentzündungen, Tuberkulose und Durchfalls-Erkrankungen weit
verbreitet. Durch verbesserte soziale Verhältnisse, Hygiene,
Impfungen und neue Medikamente ist es jedoch gelungen, das Vorkommen
akuter Infektionen auf ein sehr geringes Ausmaß zurückzudrängen.
Prävention gegen Wohlstandserkrankungen
"Die größte Herausforderung, der wir Gesundheitsförderer uns heute
stellen müssen, ist die Vorbeugung gegen chronisch-degenerative
Leiden, die echte Wohlstandserkrankungen darstellen", betonte Dennis
Beck, der Geschäftsführer des Fonds Gesundes Österreich bei der 5.
Österreichischen Präventionstagung. Durch Verbesserungen des
Lebensstils, aber auch der Lebensverhältnisse - also unserer Wohn-
und Arbeitswelt - könne die Entstehung von Zivilisationskrankheiten
hinausgezögert oder verhindert werden, so Beck. "Wir müssen
verhindern, dass ein Mehr an Wohlstand ein Weniger an Gesundheit
bedeutet."
Eine Milliarde Übergewichtige weltweit
Ein wesentlicher Faktor sei in diesem Zusammenhang Übergewicht,
das von der Weltgesundheitsorganisation WHO als "Epidemie des 21.
Jahrhunderts" bezeichnet werde, so der Geschäftsführer des Fonds
Gesundes Österreich.
In Österreich leiden laut dem aktuellen Ernährungsbericht des
Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Wien jeweils
sechs Prozent der Männer und sechs Prozent der Frauen an Adipositas,
also Fettsucht, weitere 35 Prozent der Männer und 20 Prozent der
Frauen sind übergewichtig. Weltweit gibt es laut Schätzungen der WHO
eine Milliarde übergewichtige Menschen, darunter mindestens 300
Millionen, die von Fettleibigkeit betroffen sind.
"Der moderne Lebensstil, der von Bewegungsmangel und sitzenden
Betätigungen geprägt ist, hat als Risiko-Faktor für die Entstehung
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-II-Diabetes zunehmende
Bedeutung", sagte Univ.-Prof. Dr. Jaakko Tuomilehto, PhD, vom
National Public Health Institute in Helsinki auf der
Präventionstagung in Wien.
Insgesamt seien durch Prävention und verbesserte Therapien jedoch
sowohl bei den Risiko-Faktoren für Herz-Kreislauf-Leiden als auch bei
den Erkrankungsraten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich
Verbesserungen erzielt worden. Laut WHO-Regionalbüro für Europa
konnte beispielsweise in Finnland durch gezielte Präventionsmaßnahmen
im Laufe von 25 Jahren ein 60prozentiger Rückgang der Sterblichkeit
bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen erreicht werden. Im Rahmen einer
landesweiten Strategie wurden Vorsorge, gemeindenahe
Gesundheitsförderung und ein verbesserter Zugang zu
Behandlungsangeboten miteinander kombiniert.
Metabolisches Syndrom als Alarmzeichen
Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von
Zivilisations-Erkrankungen spiele das so genannte "Metabolische
Syndrom", von dem rund ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung
betroffen sei, betonte Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder vom Institut für
Sozialmedizin der Universität Wien bei der Präventionstagung. Unter
diesem Beschwerdebild wird ein Bündel von Stoffwechselstörungen
verstanden: Übergewicht in Form von "Bauchfettsucht", Bluthochdruck
ohne erkennbare Ursache, hohe Blutfettwerte, ausgelöst durch falsche
Ernährung oder genetische Veranlagung und häufig auch überhöhte
Harnsäurewerte. Das Metabolische Syndrom gilt als mögliche Vorstufe
von Typ-II-Diabetes, der nicht insulinabhängigen Form der
Zuckerkrankheit und kann zu Spätschäden wie Schlaganfällen oder
Herzinfarkten führen.
Falls die Erkrankung - beispielsweise bei einer
Vorsorge-Untersuchung - rechtzeitig erkannt wird, genügt es als
Therapie häufig noch, das Gewicht zu reduzieren, sich mehr zu bewegen
und notfalls auch das Rauchen einzuschränken oder aufzugeben. "Durch
regelmäßige körperliche Aktivität und eine Umstellung der Ernährung
kann man sozusagen aus dem Metabolischen Syndrom wieder zur
Gesundheit zurückkehren", sagte Prof. Rieder.
Zu wenig psychische Prävention
"Auf dem Gebiet der psychischen Belastungen und Störungen sowie
der psychiatrischen Erkrankungen werden die Möglichkeiten der
Prävention vielfach nicht ausreichend ausgeschöpft. Und das, obwohl
auch in diesem Bereich schon seit Jahrzehnten fundiertes Wissen
vorhanden ist, wie vorbeugende Maßnahmen gestaltet werden könnten",
sagte Chefarzt Prof. Dr. Stephan Rudas vom Kuratorium für
Psychosoziale Dienste auf der Präventionstagung in Wien. Dies gelte
ebenso für die Primärprävention auf dem Gebiet psychischer Leiden wie
für die Sekundär- und Tertiärprävention, also für Maßnahmen, die ein
erneutes Auftreten von psychischen Erkrankungen und Störungen
verhindern könnten. "Die nach wie vor vorhandenen Vorurteile
Psychischem gegenüber haben mit zu dieser Situation beigetragen",
erklärte Prof. Rudas.
Rückgang der Krebssterblichkeit
Univ.-Prof. Dr. Christian Vutuc vom Institut für Krebsforschung in
Wien verwies bei der Präventionstagung auf den Rückgang der
Krebssterblichkeit in Österreich. "Bei Männern konnte seit 1970
insgesamt eine Reduktion um 21 Prozent bei Frauen um 23 Prozent
erzielt werden", sagte Prof. Vutuc. Dies sei unter anderem auch auf
Präventionsmaßnahmen zurückzuführen, wie etwa die
Anti-Raucheraktivtäten, die bei Männern einen gewissen Erfolg
gebracht hätten, so der Krebsforscher: "In Relation zum medizinischen
Wissen über Krebsvorbeugung sind die bisherigen Erfolge jedoch als
bescheiden einzustufen."
"Ernährung, Bewegung und Nicht-Rauchen sind nach wie vor jene drei
Lebensstibereiche, die für die Förderung von Gesundheit und die
Prävention von Wohlstands-Erkrankungen von besonderer Bedeutung
sind", sagte Univ.-Prof. Dr. Ulrich Keil, MPH, PhD, der Leiter des
Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität
Münster, bei der Tagung in Wien. So werde etwa durch internationale
Untersuchungen belegt, dass durch die so genannte "mediterrane
Ernährung" - oder auch "Kreta-Diät" - mit einem relativ hohen Anteil
von frischem Obst, Gemüse, Kräutern, Hülsenfrüchten und Fisch - das
Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringert werden könne. "Bei
einer Studie mit rund 600 Herz-Infarkt-Patienten wurde sogar gezeigt,
dass mit einer leicht modifizierten Variante dieser Ernährungsform,
der so genannten ,Lyon-Diät’ das Sterblichkeits-Risiko infolge von
Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 76 und das gesamte
Sterblichkeits-Risiko um 70 Prozent gesenkt werden konnten", ergänzte
Prof. Dr. Keil, MPH, PhD.
Ernährung und Lebensstil-Faktoren wie Bewegung und Nicht-Rauchen
stünden jedoch auch in einem engen Zusammenhang zur
Gesundheitspolitik und zur Politik im Allgemeinen, betonte Prof. Dr.
Keil, MPH, PhD. Oder wie es schon der britische Sozialmediziner
Geoffrey Rose formuliert habe: "Krankheit ist vor allem auch
ökonomisch und sozial bedingt und deshalb müssen auch die Arzneien
dafür ökonomischer und sozialer Natur sein. Medizin und Politik
können und dürfen nicht getrennt werden."
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OTS0066 2003-11-13/10:30
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