• 27.08.2003, 09:39:34
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"Konsument"-Untersuchung: Basenpräparate

Mineralwasser und basenreiche Kost sinnvoller. Neben- und Wechselwirkungen möglich. Keine wissenschaftlichen Beweise zur Theorie der Übersäuerung.

Wien (OTS) - Das stößt dem VKI (Verein für Konsumenteninformation)
sauer auf: Werbeanzeigen vermitteln zunehmend den Eindruck, eine
ganze Nation leide an Übersäuerung. Die Liste der angeblich drohenden
"Säurekrankheiten" ist lang, von A wie Allergien über K wie Krebs bis
zu Z wie Zahnschäden. In der September-Ausgabe stellt das Testmagazin
"Konsument" klar, dass die Theorie der "Übersäuerung"
wissenschaftlich nicht bewiesen ist und durch die Einnahme von
Basenpräparaten auch Neben- und Wechselwirkungen auftreten können.
Trotzdem blüht das Geschäft mit dem zeitgeistigen Wundermittel. Grund
genug für "Konsument", 20 gängige Basenprodukte in Pulver- und
Kapselform unter die Lupe zu nehmen. Ergebnis: Die Proben enthalten
neben Hydrogencarbonat, Citrat und Carbonat oft eine viel zu üppige
Anreicherung mit Mineralstoffen, Spurenelementen oder Vitaminen. Die
Anzahl der beigefügten Substanzen schwankt zwischen 3 und 24, was
eine Gefahr der Überdosierung in sich birgt. Basenpulver sollen nie
direkt zu Mahlzeiten eingenommen werden, bei Nierenerkrankungen sind
sie tabu. Basenreiche Ernährung und Mineralwasser sind besser als
jedes Pülverchen.

Regelmäßige Kaffeegenießer, Fleischtiger und Gemüsemuffel können
laut Werbung ihre Ernährungssünden mit der täglichen Einnahme von
Basenpräparaten ausgleichen. Das tägliche Schlucken zur Vorbeugung
gegen die Folgen falscher Ernährung ist jedoch nicht billig. Die von
"Konsument" untersuchten Basenpräparate kosten zwischen 5 und 37
Euro. Je nach Produkt liegen die Kosten für eine Tagesration zwischen
17 Cent und 1,69 Euro. Der Verkauf der Basenprodukte erfolgt über
Apotheken, Drogerien, Reformhäuser und Direktvertreiber. Über die
Umsätze des gesamten Marktes weiß man nichts. Man geht davon aus,
dass allein die beiden Marktführer "Dr. Auer" und "BasoVital" im
letzten Jahr rund 172.000 Packungen über Apotheken verkauft haben.

Der Wiener Universitätsprofessor Dr. Cem Ekmekcioglu vom Institut
für Physiologie ärgert sich über die Behauptung der Vertreiber,
Basenpräparate könnten Krankheiten vorbeugen, die aus der
Übersäuerung des Körpers entstehen: "Es gibt keine Übersäuerung des
gesamten Körpers, denn dieser kann sich sehr wirkungsvoll dagegen
wehren. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine basenreiche Ernährung
zur Vorbeugung von Osteoporose geeignet ist. Diese wurde jedoch nicht
mit Basenpräparaten durchgeführt, sondern mit gemüse- und obstreicher
Kost. Manch ein Mineralwasser kann genauso basenreich sein. Ein Liter
Preblauer, Peterquelle oder Juvina enthält - im Vergleich mit den
Pulvern - relativ hohe Mengen an Hydrogencarbonat."

VKI-Ernährungswissenschafterin Mag. Birgit Beck ist ebenfalls
überzeugt, dass Basenpräparate nichts bringen. Zur Vorbeugung gegen
Zivilisationsleiden empfiehlt sie statt der teuren Pulver
Säurebildner wie Fleisch, Kaffee, Cola und Alkohol zu reduzieren,
dafür täglich ein halbes Kilo Obst und Gemüse, aufgeteilt auf fünf
Portionen, zu essen. Für die Knochengesundheit sollte auf
Milchprodukte nicht vergessen werden. Beck warnt davor, die
Pülverchen direkt zu Mahlzeiten einzunehmen: "Basenpräparate sollten
- wenn schon - eine Stunde vor der Mahlzeit oder zwei bis vier
Stunden danach genommen werden. Denn zur Aufnahme von Eiweiß und
Eisen ist das saure Milieu im Magen notwendig und die Magensäure
hilft auch mit, krankheitserregende Keime aus dem Essen unschädlich
zu machen." Von den 20 untersuchten Produkten konnte "Konsument"
jedoch nur bei vier korrekte Verzehrsempfehlungen finden.
Basenprodukte können zwar Sodbrennen oder gastritische Beschwerden
lindern, bei Magenbeschwerden jedoch empfiehlt "Konsument" einen Arzt
aufzusuchen, da es heute wesentlich bessere und verträglichere
Arzneimittel dagegen gibt.

Kaum jemand rechnet bei den als harmlos geltenden Basenpulver mit
Nebenwirkungen. Dabei sind vor allem Wechselwirkungen mit
gleichzeitig eingenommenen Arzneimitteln möglich. Weiters
verschweigen die Hersteller, dass bei Nierenerkrankungen keine
Basenprodukte eingenommen werden dürfen. Kritik kommt von Professor
Ekmekcioglu auch zur wahllosen Anreicherung mit Vitaminen und
Mineralstoffen: "Manches Produkt ist derart vollgestopft mit einer
Unzahl unterschiedlicher Substanzen, dass darüber absolut keine
Kontrolle vorhanden sein kann, was man einnimmt. Vitamine und
Mineralstoffe beeinflussen sich auch gegenseitig und die Aufnahme
erwünschter Substanzen kann vermindert sein - so etwa hemmen einander
Kupfer und Zink."

Die unseriösen Werbe-Aussagen zum Säuren-Basen-Haushalt machen
auch die ErnärhungswissenschafterInnen sauer. Mag. Eva Unterberger
vom Verband der Ernährungswissenschafter Österreichs (VEÖ) kritisiert
das von Verfechtern der "Übersäuerungstheorie" angewendete
"Diagnose"-Werkzeug, die Messung des Harn-ph-Wertes: "Je nach
Kostzusammenstellung liegt der ph-Wert des Harns zwischen 5 und 8,
Harn ist also physiologischerweise sauer bis schwach basisch. Saurer
Harn ist kein Hinweis auf eine Übersäuerung des Körpers sondern
Ausdruck dessen, wie gut die körpereigenen Eliminationssysteme
funktioneren."

Detaillierte Informationen zum Thema Säuren-Basen-Haushalt sowie
eine Marktübersicht der bekanntesten Basenprodukte bietet die
September-Ausgabe des Verbrauchermagazins "Konsument".

OTS0032    2003-08-27/09:39

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