• 13.07.2003, 13:07:26
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OeNB: Fischer richtet offenen Brief an Ewald Nowotny

Wien (OTS) - Die österreichische Bundesregierung hat bekanntlich
bei der Besetzung der Funktion eines Vizegoverneurs der
Österreichischen Nationalbank den einstimmigen Besetzungsvorschlag
des Generalrates, der auf Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny gelautet hat,
ignoriert und stattdessen im Schwarz/Blauen-Proporz zum bürgerlichen
Nationalbank-Governeur einen Vizegoverneur bestellt, der vom
Generalrat der Nationalbank zwar nicht als bestqualifiziert empfohlen
wurde, aber dafür den unschätzbaren Vorteil hat, aus der Umgebung von
Finanzminister Grasser zu stammen.

Der Zweite Präsident des Nationalrates richtete in diesem
Zusammenhang an den übergangenen Kanditaten Univ.-Prof. Dr. Ewald
Nowotny ein Schreiben, das die SK im Wortlaut veröffentlicht. Es
lautet:

"Sehr geehrter Herr Professor!
   Lieber Ewald!

Du hast Dich nach Beendigung Deiner äußerst erfolgreichen und
verdienstvollen Tätigkeit in der Europäischen Investitionsbank für
die Funktion eines Vizegoverneurs der Nationalbank beworben.

Du bist für diese Funktion in hervorragender Weise fachlich
qualifiziert und zwar nicht nur durch Deine mehrjährige Tätigkeit in
der Europäischen Investitionsbank (für die Du von einem europäischen
Gremium ausgewählt wurdest), sondern natürlich auch durch Deine
langjährige, allseits anerkannte Tätigkeit als Vorsitzender des
Finanzausschusses im Nationalrat und ganz besonders auch durch Deine
Tätigkeit als Universitätsprofessor für Finanzwirtschaften an der
Universität Wien. Daher hat auch der Generalrat der Nationalbank
einstimmig beschlossen, Dich an die erste Stelle eines Vorschlages
zur Besetzung dieser Funktion in der Nationalbank zu setzen und wenn
es nur ein Minimum an Sachlichkeit, Fairness und Objektivität gegeben
hätte, so hätte dieser einstimmige Vorschlag auch zu einer Ernennung
im Sinne dieses Vorschlages geführt.

Die Bundesregierung, die immer behauptet für eine objektive
Personalpolitik einzutreten, hat aber anders entschieden.

Der einstimmige Vorschlag des Generalrates der Nationalbank wurde
desavouiert und es wurde der in diesem Vorschlag an dritter Stelle
platzierte Bewerber, nämlich Herr Dr. Josef Christl ausgewählt. Er
verfügt über keine Erfahrung bei einer Europäischen Investitionsbank,
er ist auch nicht Universitätsprofessor und er war auch nicht
jahrelang Obmann des Finanzausschusses im Parlament, aber er hat
offenbar eine Eigenschaft, die nach Meinung der Bundesregierung alle
diese Qualifikationen aufwiegt: Er ist ein enger Mitarbeiter von
Finanzminister Grasser.

Eine solche unverdiente Zurücksetzung aus parteipolitischen
Motiven, die offenbar in der Bundesregierung vorherrschen, ist sicher
enttäuschend und kränkend.

Andererseits hat es aber gerade zu dieser unsachlichen
Entscheidung eine große Zahl von Stimmen und Stellungnahmen gegeben,
in denen die große Wertschätzung Deiner Person, Deiner Tätigkeit und
Deiner Qualifikationen zum Ausdruck kam.

Du sollst Dich daher nicht über eine unsachliche Entscheidung
kränken, sondern Du sollst stolz darauf sein, dass Du vom Generalrat
an erste Stelle gereiht wurdest, und dass dies überall als richtige
und logische Entscheidung betrachtet wurde. Auch die Mitarbeiter der
Bundesregierung wissen, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen
haben.

Ich wünsch Dir weiterhin alles Gute und verbleib mit herzlichen
Grüßen

Dein Heinz Fischer"

OTS0023    2003-07-13/13:07

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