• 10.06.2003, 11:32:37
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Gusenbauer: Pensionsreform ist nur eine einseitige Pensionskürzung

Volksabstimmung über Pensionsreform gefordert - über 400.000 Unterschriften für Volksabstimmung vorgelegt

Wien (SK) "Die nun von der Bundesregierung vorgelegte
Pensionsreform ist keine, sondern sie stellt nur eine einseitige
Pensionskürzung dar, daher wird sie von der Bevölkerung abgelehnt",
unterstrich SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer Dienstag in seiner
Rede im Nationalrat. Gusenbauer forderte daher die Regierung auf, die
Pensionsreform einer Volksabstimmung zu unterziehen, da die Regierung
ohnedies der Meinung sei, die Reform sei sozial gerecht. Um diese
Forderung zu unterstreichen, legten während der Rede Gusenbauers die
Abgeordneten der SPÖ Pakete mit über 400.000 Unterschriften vor das
Rednerpult des Nationalrates, die mittels der Bürgerinitiative für
eine sozial gerechte Pensionsreform und eine Volksabstimmung darüber
gesammelt wurden. ****

Gusenbauer wies weiters darauf hin, dass es in der
Bevölkerung eine große Bereitschaft für eine Pensionsreform gebe,
wenn diese die Pensionen langfristig sichert, wenn sie gerecht, fair
und finanzierbar ist und den Lebensstandard sichert. Der nun
vorliegende Regierungsentwurf schafft aber die Frühpensionen nach
langer Versicherungszeit ab, sie kürzt jenen, die in den nächsten
Jahren in Pension gehen, die Pension um zehn bis 12 Prozent, und alle
unter 40-jährigen werden um 30 Prozent weniger bekommen als bisher,
kritisierte Gusenbauer. "Und Sie greifen wider allen Beteuerungen in
bestehende Pensionen ein, da es für Pensionen über 650 Euro keinen
Wertausgleich geben soll, sondern nur Abschlagzahlungen. Damit werden
die Pensionen entwertet", warf der SPÖ-Vorsitzende Bundeskanzler
Schüssel vor.

Außerdem gebe es entgegen der Versprechungen von Seiten der
Regierung keine Dauerregelungen für Nachtschicht- und Schwerarbeiter.
Auch in der zweiten und dritten Säule der Pensionsversicherung gebe
es massive Eingriffe, da die Mindestzinsgarantie bei Pensionskassen
reduziert wurde. Dadurch werden 400.000 Menschen, die in
Pensionskassen einzahlen, die Pensionseinkommen gekürzt, so
Gusenbauer. "Die erste Säule wird gekürzt, die zweite Säule wird
geschwächt", fasste der SPÖ-Chef die Regierungspolitik zusammen. Wie
"sozial ausgewogen" die Pensionsreform der Regierung sei, sehe man
auch daran, dass sie nicht davor zurückscheut, in bestehende
Pensionen ab 650 Euro einzugreifen, aber einen Solidarbeitrag von
hohen und höchsten Pensionen ablehnt, kritisierte Gusenbauer.

"Wäre man sozial fair vorgegangen, dann hätte man kleine
Pensionen mit einem Wertausgleich erhöht und höchste Pensionen für
ein gerechtes System herangezogen. Das wäre bedeutend fairer
gewesen", so der SPÖ-Chef. Die Regierung habe aber hingegen mit einer
"Trägerrakete" bei den Politikerpensionen operiert, die nichts
anderes gewesen sei als die Neueinführung von Frühpensionen für
Politiker. Erst nach massivem Widerstand der Opposition und der
Bevölkerung habe die Regierung den Solidarbeitrag für Politiker
eingeführt, unterstrich Gusenbauer.

Der wesentliche Teil zur Pensionsgerechtigkeit, die
Harmonisierung, werde weiter auf die lange Bank geschoben. "Außer
müden Absichtserklärungen liegt nichts am Tisch des Hohen Hauses.
Solange die Pensionssysteme nicht harmonisiert sind, wird es keine
Pensionsgerechtigkeit geben", unterstrich Gusenbauer.

Geld für Abfangjägerkauf kommt gänzlich aus dem Budget

Ziel der Pensionskürzungen sei es, im Jahr 2006 eine "massive
Menge Geld" für das Budget zu bekommen. Es stelle sich nun die Frage,
wofür dieses Geld verwendet werde - "der Beitrag des Bundes für die
Pensionen im Vergleich zum Volkseinkommen wird bis zum Jahr 2006
jedenfalls nicht steigen", so Gusenbauer. Tatsache sei, dass im
Wahlkampf von der ÖVP versprochen worden sei, dass das Geld für die
Abfangjäger nicht aus dem Budget kommt - das sei nun aber der Fall -,
dass es eine Wirtschaftsplattform geben soll - diese gebe es nicht -,
dass Flugzeuge zur Flugraumüberwachung nicht geleast werden können -
das sei aber nun zwischen 2005 und 2007 doch möglich. "Während
Deutschland überlegt, das Eurofighter-Projekt zu stoppen, kauft die
österreichische Regierung die teuersten und unausgereiftesten
Abfangjäger."

Der SPÖ-Vorsitzende sprach auch den ehemaligen
Verteidigungsminister Scheibner und die FPÖ direkt an: "Was ist aus
ihrem Plakat 'Abfangjäger-Ankauf gestoppt' geworden? Was ist von
Ihren Wahlversprechen geblieben? Wieviel Licht soll Ihrer Meinung
nach in die ganze Sache überhaupt kommen?" Hier gehe es um das
Verschweigen und Vertuschen von "unter Umständen vermuteten
Unregelmäßigkeiten beim Ankauf der Abfangjäger"; zumindest der
Prüfungsbericht des Rechnungshofes hätte abgewartet werden können.

Bundeskanzler Schüssel habe vergangene Woche erst darauf
hingewiesen, dass seit den 80er Jahren eine tiefgreifende
Pensionsreform gefordert wurde. Gusenbauer machte in seiner Rede
darauf aufmerksam, dass die letzte Pensionsreform im Jahr 2000
durchgeführt wurde, und Kanzler Schüssel habe damals versichert,
diese Reform werde die Pensionen auf Jahrzehnte sichern. "Die
aktuelle Debatte zeigt, dass das, was laut Schüssel Jahrzehnte gelten
soll, nur drei Jahre gehalten hat", so Gusenbauer. Das selbe gelte
für Aussagen von Ministerin Rauch-Kallat, die noch als
Generalsekretärin der ÖVP im vergangenen Herbst versprach, dass es in
dieser Legislaturperiode keine Erhöhung des Pensionsantrittsalters
nach langer Versicherungszeiten geben werde. "Rauch-Kallats
Versprechen halten nicht einmal wenige Monate", kritiserte der
SPÖ-Chef.

"Offensichtlich ist es bei Ihnen so, dass alles, was vor der Wahl
gesagt wird, am Tag nach der Wahl nicht mehr zählt", so Gusenbauer,
der in diesem Zusammenhang die ursprünglich versprochene Zweckwidmung
der Tabaksteuer für das Gesundheitssystem, die nun aber wieder
abgeschafft werde, ansprach. "Unsere Krankenversicherung und unser
Gesundheitssystem wird in eine schwere Finanzkrise geführt", so der
SPÖ-Vorsitzende.

Solidarische Versicherungsgemeinschaft wird zerstört

Das Vorhaben der Regierung, Selbstbehalte ab 2005 einzuführen,
bedeute, dass genau jene Menschen, die schon durch die
Pensionskürzungen belastet werden, 2005 ein zweites Mal schwer
getroffen werden. Es handle sich um einen "dramatischen Einschnitt in
unser Sozialsystem", die solidarische Versicherungsgemeinschaft werde
zerstört, das Risiko werde individualisiert - "das ist der falsche
Weg".

"Ich mache Ihnen, Herr Bundeskanzler, aber einen solidarischen
Vorschlag: Wenn Sie von Ihrer Pensionsreform so überzeugt sind,
unterziehen Sie diese doch einer Volksabstimmung, die von über
400.000 Menschen in einer Bürgerinitiative gefordert wird und
überlassen Sie das letzte Wort der Bevölkerung!", erklärte
Gusenbauer. In Richtung FPÖ erklärte der SPÖ-Klubobmann außerdem:
"Ich verstehe die Aufregung in den Reihen der FPÖ. Die FPÖ sagte über
Monate, dass am Ende eine Volksabstimmung stehen muss. Über 400.000
fordern diese nun. Morgen ist die Stunde der Wahrheit - steht die FPÖ
auf der Seite der Bevölkerung oder fällt sie liegend um. Diese
Entscheidung wird Ihnen niemand abnehmen." Abschließend betonte
Gusenbauer: "Lassen wir die Qualität der Argumente sprechen, zeigen
Sie, dass Sie bereit sind, sich der Bevölkerung zu stellen."
(Schluss) ns/cs

OTS0091    2003-06-10/11:32

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