- 04.06.2003, 17:37:04
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DER STANDARD-Kommentar: "Neuanfang in Akaba" (von Gudrun Harrer) - Erscheinungstag 5.6.2003
Wien (OTS) - Zwischen dem ersten Händeschütteln eines israelischen
und eines palästinensischen Regierungschefs unter der Aufsicht eines
US-Präsidenten - in Washington vor zehn Jahren - und dem jetzigen in
Akaba liegt so viel Blut und Leid für beide Seiten, dass Optimismus
zur schweren Übung wird. Trotzdem, der Auftritt von Ariel Sharon und
Mahmud Abbas bestärkt das oft an den Aktualitäten verzweifelnde
Wissen, dass nicht einmal die Aggressivität - und Autoaggressivität -
der palästinensischen bewaffneten Intifada und der israelischen
Antworten darauf die Geschichte völlig zurückdrehen kann.
Der internationale Grundkonsens zur Lösung des israelisch-
palästinensischen Konflikts - die Zweistaatenlösung -, dem sich
Anfang der 90er-Jahre nur die israelische Linke anschließen konnte,
wurde am Mittwoch in Akaba von dem Regierungschef der rechtesten
Regierung, die Israel je hatte, bestätigt. Für die Palästinenser
sprach kein gewandelter Saulus, sondern der von den USA und Israel
gewünschte neue Gesprächspartner Mahmud Abbas, der - wichtig: auf
Arabisch - den Gewaltverzicht gegen alle Israelis (also auch die in
den Siedlungen) predigte, alle Anstrengungen gelobte, nicht nur die
Gewalt, sondern auch die Aufstachelung dazu auszumerzen, und
(übrigens nicht zum ersten Mal) an das "Leiden der Juden" erinnerte.
Man braucht sich über die Schwierigkeiten, die beide, Sharon und
Abbas, zu Hause erwarten, keine Illusionen zu machen. Um irgendwie zu
reüssieren, benötigt der eine die Hilfe des anderen. Sharon kann (und
will) nur weitermachen, wenn der Terrorismus aufhört; diesen zu
stoppen kann Abbas nur gelingen, wenn sich die Lebenssituation der
Palästinenser verbessert, was nicht den palästinensischen Extremismus
zum Verschwinden bringen, ihm aber die Unterstützung entziehen wird.
Bei Sharons Rede ist ein US-gesponsertes Wort hinzugekommen -
"contiguity", verstanden als "Zusammenhang von Territorium" -, das es
Abbas ermöglichen wird, seinen Landsleuten zumindest die Hoffnung zu
geben, dass ihr zukünftiges Land nicht mehr von Siedlerstraßen und
Siedlungen in isolierte Stücke zerschnitten sein wird.
Was das genau heißt - wie viele Siedlungen den von der israelischen
Regierung nicht autorisierten Siedlungsaußenposten, die Sharon jetzt
entfernen will, folgen werden -, weiß man nicht. So wie ja die großen
Fragen, an denen alles schon einmal gescheitert ist - allerdings
auch, weil der Prozess davor selbst so schief lief -, nicht einmal
angesprochen wurden. Außer einer vielleicht: Sharons und Bushs
Betonung eines "jüdischen" Staates Israel weist klar in die Richtung
eines palästinensischen Verzichts auf das reale Rückkehrrecht (was
eine symbolische Anerkennung durch Israel nicht ausschließt), und das
ist eine Binsenweisheit: Eines der dringendsten Argumente für die
Zweistaatenlösung ist ja für viele Israelis, dass in einem Israel,
das die besetzten Gebiete umfasst, keine jüdische
Bevölkerungsmehrheit zu halten sein wird. Israel danach für
Palästinenser zu öffnen ist schlicht nicht machbar.
OTS0256 2003-06-04/17:37
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