• 25.03.2003, 16:36:54
  • /
  • OTS0188 OTW0188

Schadenfreude allein ist zu wenig

WirtschaftsBlatt-Kommentar von Angelika Kramer

Wien (OTS) - Manager vor Gericht – an dieses Bild hat man sich in
Deutschland fast schon gewöhnt. Die Liste der jüngst angeklagten
Vorstände wird von Tag zu Tag länger: Die Brüder Haffa von EM.TV,
Ex-Mannesmann-Boss Klaus Essser mitsamt seinem Aufsichtsratskollegen
und MLP-Chef Bernd Termühlen – sie alle haben Bekanntschaft mit der
Staatsanwaltschaft gemacht.

In Österreich hat die Öffentlichkeit derlei Prozesse noch nicht
allzu oft gesehen. Wenn Firmenbosse tatsächlich einmal vor Gericht
antreten mussten, dann lag deren Schuld zumeist auf der Hand – die
Geschäfte waren zwielichtig und äusserst fragwürdig. Stichwort: WEB
oder Beldomo.

Doch auch hier zu Lande nimmt die Zahl der Fälle, in denen
Firmenprominenz vor den Kadi zitiert wird, langsam zu. Beispiele aus
der jüngsten Vergangenheit sind: Y-Line-Boss Werner Böhm, Libro-Chef
André Rettberg und diese Woche 13 Banker wegen Verdachts auf
Kartellabsprachen.
Geschädigte Anleger oder Kreditnehmer werden bei solchen Nachrichten
mit einer gewissen Schadenfreude sagen: "Geschieht ihnen recht."
Wahrscheinlich stimmt das auch. Wer Dreck am Stecken hat, soll dafür
auch bestraft werden.

Aber ist es damit schon getan? Was hat ein Kreditnehmer, der
jahrelang zu viel Zinsen bezahlt hat, davon, dass der Chef einer
Grossbank verurteilt und somit als Vorbestrafter nach Hause geschickt
wird? Was hat ein Libro-Aktionär, dessen Aktien in wenigen Tagen
praktisch nichts mehr wert waren, davon, dass Herr Rettberg womöglich
ins Gefängnis wandern muss? Ausser Schadenfreude nicht viel.

Denn – ohne den Bankenchefs Böses unterstellen zu wollen – die
Banken werden einen Weg finden, sich das Geld von
den Kreditnehmern über Gebührenerhöhungen oder durch ähnliche
Schmankerl wieder zurückzuholen.

Deshalb sollte sich der Gesetzgeber überlegen, ob man Konsumenten
und Anlegern den Weg zum Schadenersatz nicht erleichtern könnte. Denn
die Hürden sind gross: Die Tatbestände, um die es geht, sind
schwammig gefasst.
Ausserdem könnte man über eine Verschiebung der Beweislast nachdenken
– für einen kleinen Kreditnehmer ist das Sammeln von Beweisen ein
Ding der Unmöglichkeit. Und wenn Beweise praktisch auf dem Tisch
liegen – wie beim Lombard-Club -, bekommen Konsumenten nicht einmal
Akteneinsicht.

Rückfragehinweis:
WirtschaftsBlatt
Redaktionstel.: (01) 60 117/305
http://www.wirtschaftsblatt.at

OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | PWB

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel