• 07.03.2003, 11:15:56
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Frauentag: gleiche Rechte und Chancen für Einwandererinnen

Offener Brief mit Forderungen von Integrationsfonds und Migrantinnenvereinen

Wien (OTS) - Wiener Migrantinnenberatungsvereine und der Wiener
Integrationsfonds übermittelten heute Freitag anlässlich des
Internationalen Frauentages am 8. März Frauenministerin Maria Rauch-
Kallat (ÖVP) sowie den Frauenvorsitzenden der im Parlament
vertretenen Parteien einen offenen Brief. Im Mittelpunkt dieses
Briefes stehen zentrale Maßnahmen für eine Verbesserung der derzeit
extrem benachteiligten Situation von Zuwanderinnen. Die
Migrantinnenvereine und der WIF fordern darin unter anderem:

- Die Ermöglichung dauerhafter Einwanderung für alle beruflichen
Tätigkeiten und Einkommensniveaus
- Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht und Arbeitsmarktzugang für
Frauen ab Einreise
- Die Anerkennung von Sprachkompetenzen und Bildungsabschlüssen
- Die Gleichstellung bei sozialen und politischen Rechten
- Die Abschaffung der Zwangssprachkurse
- Ein Österreich weites Antidiskriminierungsgesetz sowie
- Mehrjährige Förderverträge für Migrantinnenberatungsvereine
anstelle weiterer Ausdünnung durch die "Kaputtsparpolitik" des
Bundes.

Die Migrantinnenvereine und der WIF üben in dem offenen Brief aber
auch heftige Kritik an der Zuwanderungs- und Integrationspolitik der
Bundesregierung. Laut Regierungsprogramm der neuen österreichischen
Bundesregierung soll die neue Frauenpolitik ALLE Frauen ansprechen.
Nicht genannt werden jedoch, so Fonds und Migrantinnenvereine,
Einwandererinnen, die als Frauen und wegen ihrer Herkunft doppelt
benachteiligt sind.

Beseitigung rechtlicher Diskriminierung und besondere
Fördermaßnahmen für eingewanderte Frauen wegen doppelter
Benachteiligung

Der WIF und die Migrantinnenvereine verlangen daher einerseits die
Beseitigung rechtlicher Diskriminierung sowie andererseits besondere
Fördermaßnahmen für eingewanderte Frauen. Dazu gehöre vor allem die
Einräumung des sofortigen Zugangs zum Arbeitsmarkt ab der Einreise,
wird im offenen Brief festgehalten. Der seit 1. 1. 2003 in Kraft
befindliche, durch die Novellierung des Fremden- und
Ausländerbeschäftigungsgesetzes eingeführte Niederlassungsnachweis
tue dies nämlich erst nach 5 Jahren Niederlassung.
Vor allem aber kritisieren die Organisationen die insgesamt
weitreichende strukturelle Diskriminierung von Frauen bei der
Gestaltung der Einwanderungspolitik im Rahmen der
Fremdenrechtsnovelle von 2002.

Einwanderung für "Schlüsselkräfte" auf Männer zugeschnitten

Kritisch angemerkt wird im offenen Brief, dass mit der
Fremdenrechtsnovelle 2002 vor allem die Neuzuwanderung auf so
genannte Schlüsselkräfte eingeschränkt und damit legale
Neuzuwanderung aus dem Ausland von einfacher qualifizierten
Arbeitskräften bzw. diverser FacharbeiterInnen völlig unterbunden
worden ist. Die Definition von Schlüsselkräften ist unter anderem
durch ein Mindesteinkommen von Euro 2016,-- (für 2003)
gekennzeichnet. Frauen in der EU verdienen aber laut einer vom
Eurostat durchgeführten EU- weiten Erhebung im Durchschnitt ein
Viertel, Österreich weit sogar bis zu 45 % weniger als Männer. Frauen
sind zusätzlich überproportional in schlecht bezahlten Berufen tätig.
Diese Punkte treffen auf Migrantinnen in besonderer Weise zu, wird im
offenen Brief konstatiert. Durch diese hohe Einkommensgrenze werden
Frauen daher von dauerhafter Einwanderung zum Zweck der
Erwerbstätigkeit überwiegend ausgeschlossen. Was bleibe, sei oft nur
die irreguläre Einwanderung, unterstreichen die Vereine und der WIF.
Einzige dauerhafte Einwanderungsschiene, die ihnen weiterhin offen
stehe, sei der Nachzug zu einem bereits in Österreich als
Erwerbstätiger niedergelassenen Ehepartner.

Frauen als Pendlerinnen und Grenzgängerinnen krass
benachteiligt

Zugewanderte Frauen werden andererseits als Fachkräfte im
Gesundheits- und Sozialbereich aber stark nachgefragt, wo die
Einkommen regelmäßig weit unter der genannten Grenze liegen. Nach der
Novelle 2002 steht diesen daher nur mehr das Arbeiten als
Wochenpendlerinnen, Grenzgängerinnen oder kurzfristig Beschäftigte
(ehemals Saisonierinnen) in Österreich offen. Das bedeute, dass diese
Frauen keine wie auch immer geartete soziale Absicherung genießen.
Der Ausbeutung sei hiermit Tür und Tor geöffnet, betonen der WIF und
die Organisationen in dem offenen Brief. Kritik geübt wird außerdem
an der Tatsache, dass sogar für diese Tätigkeiten eine
Mindesteinkommensgrenze von Euro 1344 (ATS 18.500) eingezogen werden
soll.

Unverändert restriktiver, frauenfeindlicher
Familiennachzug: Innenminister brüstet sich damit
in Europa

Als besonders kritikwürdig erachten die Organisationen weiters die
unverändert restriktive Familiennachzugsregelung, die zu Wartefristen
bis zu 5 Jahren, großer Entfremdung unter den Familienmitgliedern
bzw. EhepartnerInnen und menschlichen Härtefällen führt. Dazu im
Wortlaut aus dem offenen Brief: "Die Bundesregierung ist überdies
bestrebt, diese Restriktionen auch auf gesamteuropäischer Ebene
durchzubringen. Im Rat der Justiz- und Innenminister wurde am 27. /
28. 02. 03 über einen ursprünglich vom Dezember 1999 stammenden,
inzwischen weitgehend verschlechterten Vorschlag der Kommission
beraten, der auch politisch akkordiert wurde. Innenminister Strasser
brüstete sich gegenüber der Presse, die restriktive österreichischen
Regelung auf EU-Ebene durchgesetzt zu haben: So soll die Richtlinie
entgegen ihrer ersten Textierung eine dreijährige Wartefrist
ermöglichen sowie sich ausschließlich auf den engen Begriff der
Kernfamilie beziehen. Das sind EhegattInnen und minderjährige
unverheiratete Kinder, die ihren Antrag vor dem vollendeten
fünfzehnten Lebensjahr gestellt haben. Der Wunsch Österreichs nach
einer 5-jährige Wartefristen ging nicht durch." Der Fonds und die
Migrantinnenvereine fordern daher neuerlich umso vehementer als
dringliche Sofortmaßnahmen, den Familiennachzug generell aus der
Quotenregelung herauszunehmen.

"Integrationsvereinbarung" erschwert Zugang zum
Arbeitsmarkt, "Deutsch-Integrationskurse" ohne
Kinderbetreuung

Die Migrantinnenvereine und der Integrationsfonds weisen in ihrem
offen Brief aber auch auf die besondere Schlechterstellung von
Migrantinnen durch die sogenannte Integrationsvereinbarung hin: "
Frauen, die als Familienangehörige nach Österreich kommen, sind
weiterhin Jahre lang völlig von ihren Ehepartnern abhängig: die
ersten Jahre droht nach einer Trennung die Ausweisung, und sie sind
faktisch von der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit
ausgeschlossen. Der mit 1. 1. 2003 eingeführte Zwang zum Erwerb der
deutschen Sprache unter Androhung von Sanktionen bis hin zur
Ausweisung verschärft sowohl diese rechtlichen Unsicherheiten als
auch die genannten Abhängigkeiten von Frauen. Dazu kommt, dass ein
Selbstbehalt von mindestens 50% bei den Kurskosten besteht. Diese
wird mangels Zugangs zum Arbeitsmarkt und eines eigenen Einkommens
der nachziehenden Frauen der Ehemann tragen müssen. Der Zugang zum
Niederlassungsnachweis und damit der freie Zugang zum Arbeitsmarkt
ist erst nach 5 Jahren Niederlassung und Erfüllung der
"Integrationsvereinbarung" möglich."

Trotz aller vollmundigen Bekenntnisse zur Förderung von
Einwandererinnen beim Spracherwerb habe die alte wie auch neue
Bundesregierung in ihrer Durchführungsverordnung zur
"Integrationsvereinbarung" außerdem auf die Finanzierung von
begleitenden Kinderbetreuungsmaßnahmen "vergessen", so die Kritik von
WIF und Migrantinnenvereinen.

Beruflicher und sozialer Abstieg derzeit die Regel

Weiters stellen die Organisationen und der WIF im offenen Brief
fest: "Alle diese Diskriminierungen haben in der Vergangenheit dazu
geführt, dass eingewanderte Frauen in Österreich in einem hohen
Ausmaß unter ihrem eigentlichen Ausbildungsniveau beschäftigt sind.
Eine adäquate Beschäftigung wird ihnen vielfach unmöglich gemacht, da
Ausbildungsabschlüsse in Österreich nicht oder nur nach äußerst
aufwendigen Nostrifikationsverfahren anerkannt werden.
Charakteristisch für die Erwerbstätigkeit von Migrantinnen ist eine
starke Konzentration auf wenige Branchen. Rund zwei Drittel der
Nicht-EWR-Staatsbürgerinnen arbeiten in Österreich in nur vier
Bereichen; 23 Prozent aller ausländischen Frauen arbeiten im Bereich
"Reinigung", 28 Prozent im Fremdenverkehr, d.h. insgesamt 55% in
Dienstleistungsberufen, die gleichzeitig durch schwere körperliche
Arbeit, hohe saisonale Arbeitslosigkeit, niedriges soziales Prestige,
Einkommen und geringe berufliche Aufstiegschancen gekennzeichnet
sind."

Arbeit der Migrantinnenberatungsorganisationen wird vom
Bund schwer behindert

Abschließend machen der WIF und die Migrantinnenvereine auch auf
die äußerst prekäre finanzielle Situation der
Migrantinnenberatungsorganisationen aufmerksam, deren Förderung in
den Jahren seit Antritt der FPÖ-ÖVP-Koalitionsregierung
kontinuierlich gekürzt wurde:" Bedarf und Nachfrage an
Beratungsleistungen der Migrantinnenorganisationen sind aufgrund der
von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen kontinuierlich
gestiegen. Es ist daher unzumutbar, dass die Organisationen seit
vielen Monaten auf ihre Förderzusagen warten müssen. Eine mittel- und
längerfristige Planung der Beratungs- und vielfältigen Projektarbeit
wird dadurch erschwert bis unmöglich gemacht. Die angestrebte
Projektfinanzierung gerät auch immer wieder in Widerspruch mit von
den Ministerien verlangten Kriterien, wie z.B. Arbeitsmarktrelevanz
von EDV- und anderen Kursen für Frauen, während der Zugang dieser
Frauen zu unselbständiger Beschäftigung fehlt."

gph/schluss

Rückfragehinweis:
Gabriele Philipp
Pressereferentin des Wiener Integrationsfonds
Tel.: (01) 4000/81547
mailto:g. philipp@wif.wien.at

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