- 24.02.2003, 08:00:00
- /
- OTS0006 OTW0006
Marcel Prawy in Wien verstorben
Wien (OTS) - Prof. Dr. Marcel Prawy, Ehrenmitglied der Wiener
Staatsoper, ist am Sonntag, 23. Februar 2003, am frühen Nachmittag im
92. Lebensjahr in Wien gestorben. Marcel Prawy war jahrzehntelag der
Wiener Staatsoper eng verbunden. Die erste Begegnung von Marcel
Prawy, der am 29. Dezember 1911 in Wien als Marcell Frydmann Ritter
von Prawi geboren wurde, mit der Wiener Staatsoper geht auf das Jahr
1922 zurück. Damals besuchte er erstmals eine Aufführung im Haus am
Ring: Cornelius' DER BARBIER VON BAGDAD, gekoppelt mit Strauss'
Ballett JOSEPHSLEGENDE. Von der Saison 1926/27 an besuchte er die
Wiener Staatsoper fast täglich am Stehplatz. Damals sowie in den
folgenden Saisonen fanden viele Wiener Erstaufführungen statt, die
Marcel Prawy nachhaltig geprägt haben, unter anderem Puccinis
TURANDOT (Oktober 1926), Verdis MACHT DES SCHICKSALS in der deutschen
Übersetzung von Franz Werfel (November 1926), Strauss' INTERMEZZO
(Jänner 1927), Hindemiths CARDILLAC (März 1927), Korngolds DAS WUNDER
DER HELIANE (Oktober 1927), Kreneks JONNY SPIELT AUF (Dezember 1927),
Strauss' DIE ÄGYPTISCHE HELENA (Juni 1928) und Bergs WOZZECK (März
1930).
Besondere Verehrung brachte Marcel Prawy der Sopranistin Maria
Jeritza und dem Tenor Jan Kiepura entgegen, der ihn 1936 als Sekretär
engagierte. Der Kontakt war in den Rosenhügelstudios
zustandegekommen, wo die Dreharbeiten zu dem Film "Opernring"
stattfanden, in dem Jan Kiepura mitwirkte. Marcel Prawy war damals
Assistent des Regisseurs Carmine Gallone und in dieser Funktion für
die Überstellung von Teilen der TURANDOT-Inszenierung der Wiener
Staatsoper in das Filmstudio verantwortlich. Es war dies die erste
Tätigkeit, die Marcel Prawy in Zusammenhang mit der Wiener Staatsoper
durchführte und auch die erste Verfilmung einer
Staatsopernvorstellung.
Die Zeit der Nazi-Herrschaft verbrachte Marcel Prawy in den USA.
Nach dem Krieg kehrte er als U.S. Kulturoffizier in seine Heimat
zurück, wo er sich bald für das Musical stark machte. Zunächst im
Kosmos-Theater in der Siebensterngasse, später als Chefdramaturg der
Wiener Volksoper produzierte er erstmals auf dem Kontinent Musicals.
Schon während seiner Zeit als Chefdramaturg der Volksoper war er auch
für die Wiener Staatsoper tätig. So erfand er das werkgebundene
Programmheft, das die bis dahin üblichen Wochenvorschauen ablöste, in
denen ein Zettel mit der jeweils aktuellen Abendbesetzung eingelegt
wurde. Und schon 1970, anläßlich der MACBETH-Premiere der Staatsoper,
hat er seine erste Einführungsmatinee, damals allerdings noch
außerhalb der Staatsoper, veranstaltet. 1969 erschien im
Molden-Verlag Marcel Prawys Buch "Die Wiener Staatsoper", das auch in
mehrere Sprachen übersetzt wurde und bis heute als Standardwerk über
die Geschichte des Hauses am Ring gilt.
1972 wurde Marcel Prawy von Direktor Rudolf Gamsjäger (1972 bis
1976) als Chefdramaturg an die Wiener Staatsoper berufen. Zu seinen
ersten Aktivitäten gehörte, mit Carlos Kleiber, der 1973 eine
Neueinstudierung von TRISTAN UND ISOLDE dirigierte, die
Vertragsbedingungen auszuhandeln. Unter Direktor Seefehlner (1976 bis
1982, sowie 1984 bis 1986) wurden die Einführungsmatineen in der
Wiener Staatsoper zu einer bis heute bestehenden Einrichtung. Die
erste veranstaltete Marcel Prawy im Oktober 1976 anläßlich der
Premiere von Berlioz' DIE TROJANER. Seine Lesungen von Operntexten
durch namhafte Schauspieler begannen in der Staatsoper und fanden
später im Volkstheater statt.
Erstmals auf dem Kontinent produzierte Marcel Prawy Musicals
seines Freundes Leonard Bernstein. An der Volksoper brachte er 1956
zunächst dessen WONDERFUL TOWN, 1968 schließlich die WEST SIDE STORY
heraus. An der Wiener Staatsoper leitete Marcel Prawy die Produktion
von zweien seiner Bühnenwerke. 1981 hatte MASS Premiere, in Prawys
deutscher Übersetzung. Und 1986 fand die Uraufführung der Neufassung
von A QUIET PLACE statt. Bernstein, der nie eigene Bühnenwerke
dirigiert hatte, stand selbst am Pult des ORF-Symphonieorchester, das
die hauseigenen Musiker ersetzte, die sich damals auf einer
Japan-Tournee der Wiener Staatsoper befanden.
Als Chefdramaturg begleitete Marcel Prawy die Wiener Staatsoper
auch auf fast allen Auslandstourneen, bei denen er an verschiedenen
Universitäten Vorträge über das Haus am Ring hielt. In Wien selbst
wirkte er an Engagements zahlreicher Sänger, wie z. B. Franco
Bonisolli, Julia Migenes und Marilyn Zschau mit, außerdem arbeitete
er eng mit verschiedenen Regisseuren zusammen, besonders mit Franco
Zeffirelli.
Neben seiner populären TV-Serie "Opernführer" gestaltete Marcel
Prawy zahlreiche andere große TV-Produktionen, von denen mehrere die
Wiener Staatsoper zum Thema hatten: etwa "Hundert Jahre Wiener Oper"
(1969), "Das Haus am Ring" (1977), "Unsere Staatsoper im Dritten
Reich" (1988), "125 Jahre Wiener Staatsoper" (1994).
(Schluß)
Rückfragehinweis:
Wiener Staatsoper / Pressebüro
Mag. Margarete Arnold
Tel.: (++43-1) 514 44 / 2309
Fax: (++43-1) 514 44 / 2980
mailto:margarete.arnold@wiener-staatsoper.at
http://www.wiener-staatsoper.at
OTS-ORIGINALTEXT UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS | STO